Reportagen & Co

"...... Wieso mir jetzt die Heuschrecke einfällt, die dem Gefühl nach gerade mit einem höhnischen Grinsen eine Runde in meinem Bauch schwimmt? Weil sich 12°C auch im Neoprenanzug eiskalt anfühlen. ....."

 

JA, ich habe eine Heuschrecke gegessen, genauso wie ich bei 12°C über eine Stunde lang durch den Hechtsee geschwommen bin. Wieso? Weil ich meine Reportagen liebe - auch wenn ich manche Dinge niemals wieder machen würde, ich sage nur Heuschrecke ;-)

Wobei, eigentlich ist gerade deswegen jede Reportage ein einzigartiges Erlebnis. Jedes Mal wieder betrete ich unbekanntes Terrain. Und selbst wenn es "nur" ein Interview ist, nehmen mich meine Gesprächspartner mit in eine andere Welt, die es zu entdecken gilt. Zum Beispiel der Karatelehrer, der den ältesten Pilgerweg der Welt schon mehrmals gegangen ist - täglich rund 50 Kilometer, 30 Tage lang. Oder mein Blick in das Leben des stärksten Mannes der Welt. Neugierig welche Geschichten sich dahinter verbergen? Nachfolgend finden Sie eine kleine Auswahl. Viel Spaß beim Lesen!

 

Geschichten. Reportagen. Emotionen. Rezepte. Mode. Trends. Brauchtum. Tradition. Menschen. Unternehmen. Handwerkskunst. 

Wirtschaft & die Liebe zum Leben im Tal und in den Bergen.

 

Die Unterlandlerin lädt auf eine Reise durch das Tiroler Unterland mit all seinen Facetten ein. 

Die Sache mit dem TUN

 

 

Vom übergewichtigen Kind zum Ironman - Coachingtipps fürs Leben 

 

Hubert Rattin ist Ernährungsberater, Coach, Trainer. Er hat fünf Ironmen erfolgreich absolviert, Extremsportereignisse wie 24 Stunden Radfahren hinter sich gebracht. Ganz anders ist die Situation als er zwölf ist. Er ist stark übergewichtig, schafft es nicht abzunehmen. Ein einziges Ereignis, legt den Schalter in seinem Kopf um. Er halbiert sein Gewicht in einem Jahr. Damals war es ein glücklicher Zufall. Heute weiß er, aufgrund seiner Erfahrung und seines Fachwissens, woran es liegt, dass man erfolgreich abnimmt oder auch in anderen Bereichen durchstartet.

 

 

Es passierte über Nacht. Nicht, dass er es vorher nicht versucht hätte. Doch er scheitert regelmäßig. Hubert Rattin trinkt einen Schluck Wasser, während er von dem Wendepunkt seines Lebens erzählt. Er war zwölf. 150 Zentimeter groß. 80 Kilo schwer. Übergewichtig. Auf dem besten Weg, zuckerkrank zu werden. Sein Hauptnahrungsmittel: täglich drei große Tafeln Schokolade und drei Liter Milch. „Nach unserer Übersiedlung vom Brixental nach Kufstein habe ich nur noch gegessen, keinen Sport mehr betrieben. Jeder Versuch abzunehmen scheitert, bis zu dieser einen Nacht.“

 

3,8 - 180 - 42,195

Acht Jahre später. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dann noch ein Marathon, 42,195 Kilometer Laufen. Der Ironman. Hubert Rattin will keinesfalls mehr zunehmen, startet mit dem Radfahren über die olympische Distanz, wechselt zum Triathlon, um schließlich beim Ironman zu landen. Er trainiert 30 Stunden die Woche. Um sechs Uhr früh beginnt sein Tag mit 20 Kilometern laufen, am Abend schwingt er sich nach seiner Arbeit als Trainer im Fitnessstudio für drei Stunden aufs Fahrrad.

 

 

Sinn oder kein Sinn

Hubert Rattin sitzt entspannt im Café. Seine dicke Vergangenheit und seine Ironman-Zeit sind Geschichte. Der Kufsteiner ist Ernährungsberater, Coach, Trainer und versteht, was damals der Grund für sein nicht Abnehmen war, wieso manche ihr Ziel erreichen andere nicht. „Letztlich ist alles eine Sache der Sinnfrage. Solange man selbst keinen wirklichen Sinn in der Erreichung des Zieles sieht, bringt man nicht die notwendige Energie dafür auf. „Oft kommt man gar nicht erst ins Tun.“ Das Grundproblem der heutigen Gesellschaft wie es Rattin sieht. Alles wird durchdacht, bis ins Letzte geplant. Um ans Ziel zu kommen, ganz egal worum es geht, ist aber etwas anderes entscheidend. Das Tun. Und in dieses Tun kommt man erst, wenn das gesteckte Ziel für einen selbst Sinn macht. „Deshalb sollte sich jeder nach dem Sinn seiner Ziele fragen. Wer von sich sagt, er möchte gerne einen anderen Job, sich aber nirgends bewirbt, ist genauso in der ´ich möchte Phase´ wie jemand der gerne schlank wäre, aber keinen Sport betreiben will. Aus dem Wunsch, dem ´ich möchte´, muss ein ´ich will´ werden. Ansonsten entsteht aus derartigen Pseudozielen, die man gar nicht erreichen kann, nur Frustration, die einen bremst.“  

 

 

 

 

 

Sinnverlust

Welche Bedeutung der Sinn, den man selbst in einer Handlung sieht, für den eigenen Antrieb hat, merkt Rattin nach dem fünften Ironman. „Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich kein Gesellschaftsleben mehr habe und mit dieser Erkenntnis verlor der Ironman seinen Sinn. Zudem habe ich durch meine Ausbildung verstanden, was ich in puncto Ernährung und Sport bisher alles falsch gemacht hatte, dass die Angst wieder derart zuzunehmen, übertrieben war. Der Antrieb für das Training war weg.“ Und doch war seine Ironman-Zeit rückblickend eine Zeit, die er nicht missen möchten, denn noch heute zehrt er davon.

 

 

 

Das Grundproblem der heutigen Gesellschaft:

Alles wird durchdacht,

bis ins letzte Detail geplant.“

 

 


Hindernisse im Tal

Die Füsse laufen nur noch automatisch. Alles schmerzt. Rund zwanzig Kilometer sind noch zu bewältigen. Jeder Muskel schreit danach aufzuhören. „Dieser Punkt, kam bei jedem Ironman. Immer nach der Hälfte des Marathons. Du bist physisch und psychisch ganz unten, weißt nicht mehr weiter. Das ist er Moment, in dem viele aufgeben. Nicht nur im Sport, auch im Leben.“ Die Kunst besteht darin, weiterzumachen, im Hier und Jetzt leben, das Tal zu überwinden. „Du kannst anhalten, dir einen Überblick verschaffen. Aber ins Ziel gibt es nur eine Richtung. Nach vorne. Schritt für Schritt. Aber das schaffst du wie beim ins Tun kommen nur, wenn du einen Sinn in dem Ziel siehst.“ Hubert Rattin überwindet dieses Tal bei seinen Wettkämpfen immer wieder. „Diesen Kampfgeist nimmst du mit ins private Leben und in die Arbeit. Sofort aufgeben, gibt es bei einem Sportler nicht. Ein Sportler ist es gewohnt, über seine Grenzen zu gehen.“ Dafür muss aber niemand einen Ironman absolvieren, so Rattin, entscheidend ist, über diesen Punkt des Aufgeben-Wollens immer wieder hinauszugehen.“  

 

 

Du kannst anhalten, dir einen Überblick verschaffen.

Aber ins Ziel gibt es nur einen Richtung. 

Nach vorne. 

 

Schritt für Schritt."

 

 

 

Der halbe Rattin

„Was viele oft gar nicht bemerken ist, dass sie sich selbst gleich nach dem Aufwachen in ihrem Tun blockieren.“ Es sind die Gedanken in den ersten wachen Minuten, die über den Tag entscheiden. „Die meisten von uns öffnen morgens ihre Augen und denken an die Dinge, vor denen ihnen an dem Tag graut. Und dieses Grauen begleitet einen unterbewusst den ganzen Tag. Dass man sich so den Tag verdirbt, sich selbst bremst, bedenken die wenigsten.“ Viel zielführender wäre es, sich auf das zu besinnen, worauf man sich freut und wenn schon ein unerfreuliche Punkt dabei ist, sollte man etwas Schönes nach diesem Termin planen, sich darauf freuen.

Sich auf die positiven Punkte des Tages fokussieren, ist ein Teil des „aktiven Erwachens“, wie es Hubert Rattin nennt. Das für ihn optimale Programm zur Gesunderhaltung. „Den Körper dehnen, ein paar Kräftigungsübungen mit dem eigenen Körpergewicht und die Suche nach dem Schönen, so wird man in wenigen Minuten aktiv munter und fit für den Tag. Wenn man sich dann noch über den Sinn seiner Ziele bewusst ist, hält einen nichts mehr vom Tun ab.“ Auch Hubert Rattin kommt damals als Jugendlicher ins Tun, stellt seine Ernährung um, beginnt zu sporteln, nimmt 40 Kilo ab, halbiert sein Gewicht in einem Jahr. „Aus dem ´ich möchte Abnehmen´ wurde ein ´ich will´. Aus dem Wunsch ein Ziel.“ Um in das Tun, in die „ich will Phase“ zu kommen, braucht es oft auch einen Auslöser. „So wie bei mir dieser Film in der Nacht, die mein Leben verändert hat.“

 

 

Rocky, der Auslöser

Er kann sich noch genau an dieses Gefühl erinnern, das plötzlich in ihm hochkam. Es ist Abend. Der zwölfjährige Hubert Rattin sitzt vor dem Fernseher. Rocky IV läuft. Eher zufällig. Boxen ist nicht seines. Von dem Film hat er zuvor nichts gehört. Doch mit jeder Minute fasziniert ihn die Figur Rocky mehr. „Zu sehen, dass jemand, der eigentlich keine Chance hat, es doch schafft, nur aufgrund seines Willens, weil er ein Ziel hat. Dass er erreicht, was er sich vornimmt, obwohl alles dagegen spricht und es ihm keiner zutraut, das hat meinen Schalter umgelegt. Das Abnehmen müssen, wurde zum ´ich will´.“

 

    Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

Texte werden erst lebendig, wenn sie gelesen werden, deshalb:

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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MUSTERgültig

 

 

 

Der Modewinter entführt ins Reich der Muster und setzt auffallende Akzente

 

Muster im Material und als Print zeigen Ausdruck. Blusen werden zum Spielpartner und Gegenspieler. Hosen überraschen mit neuen Schnitten. Schwarz bekommt blaue Konkurrenz und verführt am Abend all over als Overall. Das Team von Mode Kink (Kufstein und Ebbs) lädt zur winterlichen Trendschau. 

 

 

 

Blumen im Blick

Lasst Blumen blühen. Der Winter wird floral, der neuen Musterliebe der Designer sei Dank. Muster setzen Konturen, betonen Details wie den tiefen V-Ausschnitt des Kleides (Sistes). Rüschige Aussichten liefern einen mustergültigen Stilbruch zur klaren, figurbetonten Linienführung. Klassische Eleganz bringt die neue italienische Länge knapp unters Knie.

 


Blaue Welle

 

 

 

Das neue Schwarz heißt Dunkelblau. Der optimale Spielpartner für sportliche Looks mit einem Hauch Raffinesse. Das Glanzstück des Outfits ist die Hose im aktuellen Joggingstyle. Beschichtet bringt sie schimmernde Momente (Please, die Hose mit dem Herz). Stilbruch in Farbe und Kontrast durch den satt-orangen Grobstrickpulli (Lieblingsstück) in leichter Trapezform. Kuschelmomente für kalte Wintertage. Ein Muss für den sportlichen Touch des Outfits ist der blaue Parker (Betty Barclay). Seakers (Post Xchange) liefern eine Gratwanderung zwischen sportlich und stylisch durch changierendes Blau. 

Musterreiches Material

 

 

 

Edle Wärme. Die Persianer Optik bringt Muster ins Material. Edles Grau im Kuschelstyle zaubert aus dem Webpelz-Kurzmantel (Betty Barclay) ein Stylinghighlight. Material- und Stilkontrast bringt die leicht transparente Bluse in A-Form (Rinascimento). Sportive Anleihen liefert die Boyfriend Hose, während die grauen Stiefeletten die edle Optik des Mantels aufgreifen. (Please, die Hose mit dem Herz, Schuhe Ovye, Bologna). 




 

 

 

Schwarze Magie

Black all over - Overall. Die wohl femininste Art Hosen zu tragen. Der Overall-Trend des Sommers erobert die Nächte des Winters. Abendstyling de luxe. Der weich fließende Lurexmaterial des Oberteils bekommt durch die transparenten Ärmel einen Hauch von Erotik. Das satte Schwarz bringt ein klares Statement zur femininen Coolness. (Ana Alcazar).


 

 

 

Tierisch schmeichelhaft

Leo trifft Webpelz. Die Musterleidenschaft bringt den Leoprint zurück. Auffälliges Design mit verspielten Trompetenärmeln (Ana Alcazar). Schmeichelhafte Hingucker liefern Schmücker. Webpelzkrägen als Blickpunkt. Edel die Hose im neuen Flared Stil, ein zarter Ansatz von Schlaghose (Cambio). Tiptoes (Ovye, Bologna) eröffnen neue Höhen auf bequeme Art durch eine leichte Erhöhung im Innenbereich.

 

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Mode von: Mode Kink - Kufstein und  Ebbs

Model: Lisa Swoboda

Make up: Nadine Pungg 

Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

Die Mode von Mode Kink ist in Ebbs bis Größe 48 erhältlich.


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Uuuuuuuunnnnnd Bitte!

 

Sabine Plachel im Statisten-Einsatz

 

Die Waffe liegt neben ihr am Tisch. Sie schiebt die blonde Strähne unter das Barett. Ein gekonnter Griff zur Pistole. Langsam steckt sie sie in den Halfter. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel. Von außen ist lautes Geschrei zu hören. Die Verfolgungsjagd hat begonnen. Plötzlich reißt jemand die Türe auf. Streckt den Kopf herein. „Komparsen bitte zum Set“, ruft der Regieassistent. Sabine Plachel streift die Dienstuniform glatt, ihr Einsatz.

 

Mit dem Kochbuch zum Film

Wieso ihr damals dieses Buch ins Auge gestochen ist, weiß Sabine heute nicht mehr. „Vermutlich hat mich der Teufel geritten“, lacht sie. Auf jeden Fall hat sie das Kochbuch gekauft. Das war vor elf Jahren. Noch heute hat sie das Kochbuch bei sich zu Hause stehen. Dass sie noch nie ein Rezept daraus gekocht hat, ist eine eigene Geschichte. „Immerhin ist das Buch eine schöne Deko“, kommt es mit einem Schmunzeln. Und ohne dieses Buch, wäre Sabine jetzt nicht eine begehrte Komparsin bei Soko Kitzbühel und dem Bergdoktor.

 

 

Die Kirche des Frierens

Mit dem Regieassistenten geht es vom Aufenthaltsraum zum Einsatzort. Eine kurze Einführung. Seit 2005 ist sie mit zwei Jahren Unterbrechung als Statistin im Einsatz. Eine ereignisreiche Zeit mit einigen Widrigkeiten. Wie etwa beim Dreh für das Weihnachtsspezial des Bergdoktors in der Goinger Kirche. Ihre Rolle, eine Besucherin der Weihnachtsmette. Keine große Anforderung. Einfach nur in der Kirche sitzen. Doch wenn aus dem „einfach nur in der Kirche sitzen“ knapp drei Stunden ausharren in der eisigen Kälte des Gotteshauses werden, ist Durchhaltevermögen gefragt. „Damals habe ich mir wirklich gedacht, ich überlebe das nicht.“ Außendrehs im Winter und bei Nacht sind prinzipiell meist recht kalt. „Wenn du als Statist für eine Abendveranstaltung ein dünnes Abendkleid trägst, kannst du bei den Proben nicht einfach mit einem dicken Wintermantel rumstehen.“ Erkältet hat sie sich bei derartigen Drehs öfters, ans Aufhören hat sie jedoch nie gedacht. Das Komparsendasein ist ihre Welt, auch wenn sie damals als sie das Kochbuch kaufte, nicht einmal ansatzweise wußte, was ein Komparse zu tun hat.  

 

 

 

 

 

 

Für die zwei charmanten Herren mit den traurigen Gesichtern"

Der Satz meiner bisher einzigen Sprechrolle 

 

 

Einmal bis zehn zählen

„Uuuuuunnnnnnd bitte“, schreit der Regieassistent langgezogen wie üblich. Augenblicklich wird es still. Sabine ist konzentriert. Sie liest in den Akten. Wenn der Postenkommandant Kroisleitner den Raum betritt, muss sie zum Telefon greifen. Wählen. Bis zehn zählen. Auflegen. Wieder die Akten studieren. So einfach ist es nicht immer. Wenn sie an eine Szene im Krankenhaus denkt, wird ihr heute noch schummrig. „Der Drehort war die Aufenthaltshalle. Ich war eine Ärztin. Der Regieassistent hat mir gesagt wie ich gehen muss. Erst hier hin, dann dorthin, bis fünf zählen, dann wieder zurück, dann wieder nach rechts. Dann wieder dahin. Als er fertig war, war mein Kopf leer.“ Panik steigt in ihr auf. „Ich habe dann einfach gespielt wie mir vorkam. Bin zu der Frau, die dort gesessen ist, habe an ihrer Infusionsflasche gedreht, einem Mädchen die Hand geschüttelt und fertig war die Geschichte. Gemerkt hat keiner etwas, zum Glück.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Oft bist du als Komparse

im fertigen Film gar

nicht zu sehen,

nur ein Wischer im Hintergrund,

aber das ist mir egal.

Es ist die Atmosphäre am Dreh, die mich begeistert.“

Lehrerin auf Mörderjagd

Ihren Dienst als Polizistin bei Soko Kitzbühel hat Sabine im Sommer des Vorjahres angetreten. Es war ein simpler Telefonanruf. Ob sie Interesse hätte, in Zukunft die Statistenrolle einer Polizistin zu übernehmen. Inzwischen bekommt sie von der Castingagentur einen Plan mit Einsatzmöglichkeiten, gibt darauf die Tage an, an denen sie Zeit hat. Tagelang freut sie sich auf ihren Dreh. „Wenn ich in meiner Uniform bin, fühle ich mich schon irgendwie wie eine Polizistin.“ Dass sich während der Drehs zu Soko Kitzbühel so mancher über das Polizeiaufgebot wundert, bringt Sabine immer wieder zum Schmunzeln. „Einmal haben zwei ältere Damen besorgt gefragt, was denn passiert ist. Ein Kollege hat ernst erwidert, wir klären einen Mord auf. Die Gesichter der Damen waren sehenswert.“ Meist hat die Lehrerin ihre Einsätze beim Film während den Sommerferien oder an den Wochenenden. Denn als Komparse braucht man vor allem eines: Zeit. Auch morgen, da steht Sabine wieder vor der Kamera.  


Alles nur keine Leiche

Nach der Kostümprobe in der Früh, wird sie morgen wie sonst auch vor allem eines tun. Warten - die Hauptbeschäftigung der Komparsen. Ihre Spitze: neun Stunden. Der Dreh selbst, dauert dagegen oft nicht einmal eine Stunde. Dass sie im fertigen Film ab und an gar nicht oder nur als Wischer im Hintergrund zu sehen ist, für Sabine Nebensache. Es ist die Zeit am Set, die sie fasziniert. Offen ist Sabine für alle möglichen Rollen, nur eine Leiche, das kommt nicht in Frage. „Wenn du eine Leiche spielt, kannst du danach in der Serie nicht mehr mitspielen, du kannst ja nicht einfach wieder auferstehen für den Fall, dass dich ein Zuseher wiedererkennt. Dazukommt, dass Leichen selten im warmen Zimmer liegen. Mit etwas Pech, bist du eine Wasserleiche oder eine Winterleiche in der Schneelandschaft, das wird kalt.“ Auf ihre Traumrolle wartet sie noch, Komparsin bei den Vorstadtweibern. „Dafür würde ich extra nach Wien fahren, das Hotel und die Anfahrt selbst zahlen“, gesteht sie mit glänzenden Augen. „Wir Komparsen sind teilweise schon etwas freakig, das ist eine eigene Welt.“ Ihre zweite Lebenswelt und alles nur wegen diesem einen Kochbuch.

 

 

Buch mit Folgen

Franz Grössing prangte groß am Buchumschlag. Der Name stach Sabine sofort ins Auge. Es ist der Name eines Lehrerkollegen, Kochlehrer an der Tourismusfachschule St. Johann. „Ich habe das Buch sofort gekauft, obwohl ich gar nicht kochen kann. Aber es hat mich so gefreut, dass der Franz ein Kochbuch herausgebracht hat.“ Es ist nicht irgendein Kochbuch, eine Rezeptsammlung, der in der Serie Soko Kitzbühel zubereiteten Speisen. „Zu der Zeit wurden im Internat der Tourismusfachschule St. Johann die Kochszenen für Soko Kitzbühel gedreht. Franz kannte daher das gesamte Filmteam.“ Dann kommt eines zum anderen. Sabine spricht Franz auf das Buch an, sagt in einem Nebensatz, dass es interessant sein muss, hinter die Kulissen der Serie blicken zu können. Der Kollege macht Nägel mit Köpfen, gibt ihr die Nummer der Castingagentur. Sabine meldet sich an. „Und das, wo ich nicht einmal wusste, was genau ein Komparse macht.“ Zwei Tage später klingelt das Telefon, ob sie Zeit hätte. Ihr erster Einsatz.

 

    Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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Das Gefühl Farbe

 

 

 

 

 

 

 

Eine Leidenschaft rund um Pinsel und Leinwand

 

 

Rot. Gelb. Orange. Ein Hauch von Pink. Das Bild gegenüber der Bar könnte bunter nicht sein. Gabi Kaltenböck lacht, nippt an ihrem Cappuccino. Sie hat das Bild extra für diese Wand gemalt. Groß und ausladend wie alle ihre Bilder. Und bunt. „Farben sind mein Leben. Es ist nicht eine einzige Farbe, die mich glücklich macht. Es ist die Summe. Und diese Suche nach Glück treibt mich an. Ich kann das nicht ändern. Selbst, wenn ich ein beiges Bild malen möchte, es wird bunt. Außer in diesen drei, vier Wochen.“ Drei, vier unberechenbare Wochen. Jedes Jahr wieder. 

 

 

 

 

 

Hausfrauenmalerei

Die vielen großen Wände waren der Auslöser. Als die Kufsteinerin Gabi Kaltenböck vor 35 Jahren in ihre heutige Wohnung zieht, starren sie die weißen Wände an. Doch sie ist wählerisch. Einen Druck an die Wand hängen, kommt nicht in Frage. Ein richtiges Bild, kann sie sich aber mit drei kleinen Kindern nicht leisten, geschweige denn mehrere. „Irgendwann habe ich mir gedacht, dann male ich mir eben selbst ein paar Bilder.“ Sie meldet sich in einer Kunstakademie an. Beginnt zu malen und trifft eine folgenschwere Entscheidung. Alles nur keine Hausfrauenmalerei. „Ich habe mich immer mehr für´s Malen interessiert, immer mehr vor mich hingemalt, aber ich wollte nicht mit einer Ausstellung in einem Kaffeehaus enden. Wenn dann richtig.“ Sie lernt bei zahlreichen Künstlern, absolviert Kurse, beliefert in kürzester Zeit drei Galerien. Kufstein. Nürnberg. Innsbruck. Ihre Malerei kommt an. Zu gut.

 

 

 

 

 

 

 

„Über die Jahre hat sich meine Malerei verändert.

Einmal gröber, einmal abstrakter.

In jeder Phase habe ich ein

Kufsteinbild gemalt.“

 

Entscheidung gegen den Traum

Gabi malt. Tag und Nacht. Sie kommt mit dem Liefern der gewünschten Motive kaum nach. „Das war genial. Zu merken, wie deine Kunst gefällt. Ich war geschmeichelt. Bis zu diesem einen Moment.“ Mitten im Malen bemerkt sie, dass sie anfängt, sich selbst zu kopieren, um die Menge zu bewältigen. „Doch das war es nicht, was ich wollte. Mein Traum war, mich in die Malerei zu vertiefen, mich weiterzuentwickeln.“ Als sie merkt, dass das so nicht möglich ist, legt sie den Rückwärtsgang ein. Hört auf, die Galerie in Nürnberg zu beliefern, etwas später auch die in Innsbruck. „Es war nicht einfach, sich gegen etwas zu entscheiden, das dich stolz macht, Geld einbringt.“ Gabi kehrt zurück zu den Kursen, gliedert die Malerei rund um ihren Alltag. Sie steht um fünf Uhr früh auf. Malt. Geht um zehn Uhr in ihr Geschäft. Kümmert sich am Abend um die Familie, malt bis tief in die Nacht hinein. Gabi Kaltenböck ist eine Vielmalerin wie sie es nennt. In ihrem Atelier stehen derzeit an die 200 Bilder. Einfach so gemalt. „An die 50 sind sicher schlecht, da werde ich darüber malen und die anderen, die sind fertig oder auch nicht. Das ist so eine Sache, mit diesen Bildern muss ich zum Teil noch sprechen.“

 

 

 

 

„Im Moment des Malens

gibt es keine 100 Prozent,

wie auch bei anderen Dingen im Leben.“

 

 

 

 

Besprochene Bilder

„Im Moment des Malens gibt es keine 100 Prozent, wie auch bei anderen Dingen im Leben. Da musst du aufhören, darfst dich nicht weiter darin versteifen. Mehr als 80 Prozent schaffst du nur mit Abstand, wenn überhaupt.“ Ist ein Bild zu 80 Prozent fertig, legt sie es daher weg. Wenn sie nicht weiß, was einem Bild fehlt, hängt sie es auf. „Irgendwann sehe ich, was ich noch ändern muss. Oder ich bespreche das Bild. So wie bei der Festung dort.“ Mit einem Ruck steht sie auf, geht hinaus in den Vorraum. Ein großer Platz. Offen. Nach oben führt die Treppe zu ihrem Atelier. Überall lehnen Bilder. An die 30 Stück. Bis auf ein, zwei Ausnahmen allesamt Festungsbilder. Bunt. Farbenfroh. Gabi klappt eines nach dem anderen um. Sucht. Bis sie mit einem „das hier“, eines der Bilder nach vorne stellt. Ein mit Erfolg besprochenes Bild. „Ich rede mit mir und mit dem Bild. Frage mich, was passiert, wenn ich hier oder dort noch einen Strich male. Du überlegst, hinterfragst und triffst Entscheidungen, bis du sagst ich bin fertigt.“ Gerade als sie das Bild zurückstellt, fällt eines auf. Es ist Beige. Weiß. Grau. Keine Farben. „Ja das war in den drei, vier Wochen.“

 

 

 

Dreimal Kufstein 

Die Kufsteinbilder stehen bereit zum Abtransport. Ihre zweite Ausstellung über ihre Heimatstadt. Arbeiten, die im Zeitraum von rund zehn Jahren entstanden sind. „Ich habe nach der ersten Ausstellung über Kufstein im Jahr 2009 einfach immer weitergemacht. Das Thema war für mich nicht abgeschlossen. Ich bin eine Kufsteinerin. Ich liebe die Festung. Hier bin ich geerdet. Kufstein ist Heimat.“ Immer im Winter ist sie losgezogen. Hat verschiedene Ansichten fotografiert. „Im Sommer siehst du vor lauter Blätter nicht viel.“ Die Festung. Der Untere Stadtplatz. Das Sparkassengebäude. Sonst ist nichts von der Festungsstadt verewigt. „So schlimm es ist, das sagen zu müssen, aber maltechnisch sind nur diese drei Bereiche interessant.“ Sie blättert weiter durch ihre Bilder. „Über die Jahre hat sich meine Malerei verändert. Einmal gröber, einmal abstrakter. In jeder Phase habe ich ein Kufsteinbild gemalt. In jeder Phase wollte ich Spuren in Kufstein hinterlassen.“ Auch beige Spuren. 

 

Das Gefühl Beige

„Da war ich beige drauf“, erklärt sie und schiebt ein zweites helles Bild nach vorne. Die Festung ganz in Weiß, Beige. Schwarze Bleistiftlinien. Gabi wirkt nachdenklich. „Das ist nicht planbar. Kommt ganz plötzlich. Jedes Jahr wieder.“ Es war bei einem Whities Kurs. Er hat ihr die Augen geöffnet. „In dem Kurs ging es darum weiße Bilder zu malen. Weiß überlagert mit Beistiftlinien.“ Eine Woche mit grandiosen Ergebnissen. Zu Hause will sie weiter malen. Stürzt sich im Atelier auf die Leinwand. Nichts. „Ich war wie vor dem Kopf gestoßen. Das, was vor einem Tag noch mit Leichtigkeit ging, war unmöglich. Ich konnte nicht in Weiß malen. Damals habe ich bemerkt, dass ich diese Phase habe.“ Einmal im Jahr. Ohne Vorankündigung. Drei, vier Wochen lang. „In der Zeit, kann ich nicht bunt malen, nur mit hellen Tönen. Die Bilder sind ganz anders. Mit Beige oder Weiß malst du anders. Feiner. Da bist du weicher, verletzlicher beim Malen. Es ist vermutlich wie im Leben, du kannst nicht ständig stark sein. Trotzdem ist diese Zeit befremdlich für mich. Ich dachte immer, ich bin der Herr über mich. Das sind Momente, wo du lernst demütig zu werden, wo du bemerkst, dass nicht der Wille bestimmt.“ In diesen Phasen nützt sie jede Sekunde aus. Lebt ihr Gefühl Beige, denn nach spätestens vier Wochen ist da wieder ein erster roter Strich im Bild.  

    Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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Irschitz - Querdenker - Vordenker

 

 Der Architekt, der zum Mediakünstler wurde

 

 

Seine Abschlussarbeit ist es, die dem Kufsteiner Oliver Irschitz eine Parallelwelt entdeckt lässt. Angezogen von den unendlichen Möglichkeiten der virtuellen Welt wird er zum Quer- und Vordenker, der die Schnittstelle zwischen realer und virtueller Welt als seine neue Heimat auswählt. Lange vor Apple benutzt er das „i“; für seinen iTube, die iWall oder auch den iTable. Er taucht in die virtuelle Welt ab, als noch kaum jemand dort ist, lässt sich auch von einem Konkurs nicht aufhalten. Ein Leben in der Zukunft.

 

 

Die Kanten der rechteckigen Röhre sind abgerundet. Drei ineinander verschachtelte Teile, die wie ein Fernrohr auseinandergezogen werden können. Von außen lässt die Röhre nicht im entferntesten erahnen, was einem im Inneren erwartet. Ein Schritt in eine andere Welt, in die interaktive Multimediaröhre. Der iTube. Das Herzstück des iTubes ist der iFrame. Ein Lichtvorhang, der Handbewegungen in der Luft erkennt. Heute Standard. Damals als der Kufsteiner Oliver Irschitz 1999 den iFrame entwickelt eine Neuheit. „Die Idee war, den iTube für Roadshows und mobile Präsentationen einzusetzen“, erklärt Irschitz. Die Euphorie ist groß, vorerst.

 

Utopia

Begonnen hat alles 1997. Oliver Irschitz ist am Ende seines Architekturstudiums, plant seine Diplomarbeit. „Ich wollte einen Katamaran entwerfen oder eine virtuelle Welt, das hat es damals nur rudimentär gegeben.“ Sein Professor rät ihm zur virtuellen Welt. Irschitzs Eintritt in ein Paralleluniversum. Das Reich der Virtualität. Er ist fasziniert, so sehr, dass er die klassische Architektur ad acta legt. In seiner Diplomarbeit entwirft er Utopia, eine virtuelle Stadt, eine spielerische Infoplattform. Er nimmt Dinge vorweg, die heute Standard sind. Eine Tatsache die sich fortsetzt. Irschitz ist der Zeit immer ein paar Schritte voraus.

 

 

„Du darfst nichts Anderes im Kopf haben,

dann wirst du dein Ziel

 

auch eines Tages erreichen

 

 

 

Sechs Tonnen Virtualität

„Es hat mich fasziniert“, beschreibt Irschitz den Augenblick, als er in den USA kurz nach seinem Studienabschluss einen Laser sieht, der die Bewegung von Händen in der Luft erkennt. Ein Prototyp vom renommierten MIT. „Ich wollte ihn unbedingt haben, konnte ihn mir aber unmöglich leisten. Also habe ich beschlossen, etwas ähnliches selbst zu entwickeln.“ Er hat die Idee, das Konzept, kümmert sich um die Finanzierung. Die Entwicklung der Hardware übernehmen Spezialunternehmen. Die Multimediaröhre, der iTube, entsteht. Sechs Tonnen schwer. „Es war beeindruckend“, erzählt Irschitz, um lachend hinzuzufügen „Auch für mich.“ Befreundete Medienkünstler bauen virtuelle Welten, die sie im iTube zeigen. „Wir haben Aufmerksamkeit erregt. Jeder sagte, dass der iTube genial ist, jeder wollte ihn haben, aber er war zu groß, zu unflexibel. Ich habe bemerkt, dass damit kein Geld zu verdienen ist.“ Seine Reaktion: er kreiert mehr.  

 

 

 

Die "i" vermehren sich

Irschitz entwickelt den iTable, einen interaktiven Tisch. „Der Lichtvorhang hat uns ermöglicht, Flächen von bis zu 8x2 Metern in einen Touchscreen umzuwandeln oder in einem Abstand zum Bildschirm frei mit den Händen in der Luft zu navigieren. Bei uns war Realität, was in dem Film Minority Report zu der Zeit als Fiktion gezeigt wurde.“ Zeitgleich präsentiert Apple iTunes. „Es hat mich amüsiert, dass ich die gleiche Namensidee mit dem ´i´ hatte wie ein so großes Unternehmen, nur Jahre früher.“ Ein Problem hat der Vordenker nicht damit – weder damals noch heute. Oliver ist in dieser Zeit zudem mit etwas ganz anderem beschäftigt. Geld auftreiben.

 

Die Türme fallen, die Blase platzt

Oliver Irschitz organisiert Förderungen für neue Projekte, setzt auf Venture Capital, kann zwei Fonds begeistern. Es ist das Jahr 2001. Das Jahr, in dem Irschitz den Durchbruch schaffen will. Er arbeitet mit dem erhaltenen Geld bis es aufgebraucht ist. Die New Economy Blase ist geplatzt. Die Türme in Amerika fallen. „Zu den äußeren widrigen Umständen kam, dass mein Unternehmen inzwischen 13 Gesellschafter hatte. Viele wollten verdienen, wenige etwas dafür tun. Und dann war ich pleite.“

 

 

Harte Landung als Startbasis

„Mir wurde klar, dass mein Unternehmen ein aufgeblasenes Vehikel war, das konnte nicht funktionieren. Es war eine harte Zeit.“ Irschitz kehrt nach Kufstein zurück, startet mit Hilfe seiner Eltern wieder durch. Allein. „Ich bin zwar wirtschaftlich gescheitert, aber nie inhaltlich, das hat mich bestätigt.“ Er entwickelt seine Produkte neu. Vermietet und verkauft die Prototypen. Das Time Magazin nominiert den iTube im Jahr seines Konkurses als Innovation des Jahres vor. Weitere Auszeichnungen folgen. Es geht nach oben. „Ich war damals weltweit der einzige, der eine solche Hardware hatte.“  

 

 

 

 

„Aus den Möglichkeiten,

die diese zusätzliche Ebene zur Realität bringen könnte,

sind Informationssauger geworden,

um im Hintergrund

Informationen abzusaugen.

 

 

 

Die Sache mit den Prototypen

2005 wird mit seinem iFrame die Zukunft am Ground Zero in NYC sichtbar. 2010 ist er es, der die interaktive Ausstellung des Österreichpavillions auf der Expo in Shanghai gestaltet. Er wird dafür mit dem Staatspreis für Multimedia ausgezeichnet. Unzählige Entwicklungen folgen, doch in die Serienproduktion kommt Irschitz nicht. „Mir ist das nächste Projekt immer wichtiger, als aus dem aktuellen Profit zu schlagen. Ich will Prototypen entwickeln, Lösungen schaffen. Wenn etwas funktioniert, ist es für mich nicht mehr so spannend.“ Dass die Industrie das, was er sich ausdenkt, Jahre später auf den Markt bringt, sieht er als Bestätigung seines Vordenkertums. „Der einzige Wermutstropfen ist, dass andere damit das große Geld verdienen“, fügt er lachend hinzu. Der Drang des Tuns treibt ihn an. „Du darfst nichts anderes im Kopf habe, dann wirst du dein Ziel auch eines Tages erreichen.“

 

Strom aus

Oliver Irschitz wirkt nachdenklich bei der Frage nach seinen aktuellen Projekten. „Der Trend rund um interaktive Ausstellungen ebbt ab. Das aha-Erlebnis ist nicht mehr so groß.“ Doch das ist es nicht, was ihn nachdenklich stimmt. In der Art wie die Virtualität zum Alltag geworden ist, fühlt er sich dort nicht mehr so ganz zu Hause. Dass es im virtuellen Raum immer mehr um Macht und Geld geht, lässt Irschitz umdenken. „Meine einstige Vision der Virtualtität ging in eine andere Richtung. Aus den Möglichkeiten, die diese zusätzliche Ebene zur Realität bringen könnte, sind Informationssauger geworden. Die Anwender werden geködert, um im Hintergrund Informationen abzusaugen.“ Irschitz ist in seiner Philosophie kritischer und selektiver geworden, versucht die Dinge anders anzugehen. „Ich verdiene nach wie vor den Großteil meines Geldes durch virtuelle Projekte, möchte aber den Fokus mehr in Richtung der realen, physischen Projekte lenken bzw. auf die Verbindung von realen und virtuellen Disziplinen.“ Für die saudische Botschaft hat er etwa einen Messestand für die Buchmesse in Wien entwickelt und umgesetzt. Er arbeitet wieder mehr mit der Materie, experimentiert mit Naturprojektionen, der Sonne, dem Wind. Interaktive Systeme ganz ohne Elektronik, „weil es mich etwas frustriert, dass meine Arbeit nicht mehr funktioniert, sobald der Strom weg ist. Ich ergänze mein Portfolio um die analogen Entwicklungen basierend auf den Hightech-Ideen von früher. Mir ist bewusst geworden, dass die Virtualität nicht die alleinige Lösung ist.“

 

    Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

 

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
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Ein Ball & zwei Becher

 

 

 

 

Spieleerfinder Markus Vogel und sein ganz und gar nicht spielerischer Erfolgsweg

 

Markus Vogel stapelt die beiden Becher ineinander, schnippt den orangen Ball hinein und stellt sie auf das Fensterbrett. Zwei längliche Becher mit dem Schriftzug „Bassalo“, seine „Babys“. Aus der Kaffeetasse vor ihm steigt Dampf auf. „Der Kaffee hat vieles an meiner Unternehmerlaufbahn verändert“, beginnt Markus Vogel mit einem Blick auf die Tasse zu erzählen. „Aber die Sache mit dem Kaffeesatz war erst später, ich fange besser von vorne an.“

 

Die Chipsdosen und der Vortrag

Alles begann 2010. Markus arbeitet in einer Spedition. Er verdient gut. Ein geregeltes Leben. Nebenbei macht er eine Ausbildung zum diplomierten Freizeit- und Outdoortrainer. Und dort passiert es. Ein Spieleerfinder hält einen Vortrag über sein Produkt von der Entwicklung bis zum Verkauf. „Es klang alles einfach und geradlinig und da ist mir dieses Ballspiel von der Unizeit wieder eingefallen.“ Ein Freund hatte es aufgebracht. Zwei leere Chipsdosen und ein Ball, der mit den Dosen hin und her geworfen wird. Innerhalb von Minuten wird aus dem Gedanken eine Idee. Markus geht nach dem Vortrag zu dem Unternehmer. Erzählt ihm von dem Spiel.

 

Eine Philosophie am Limit

„Drei Großhändler haben vor kurzem zugesagt, dass sie das Spiel 2017 in ihr Sortiment aufnehmen.“ Markus ist sichtlich stolz. Vor allem, als er erzählt, dass er inzwischen von dem Spieleverkauf leben kann. „Zugegeben ich lebe am absoluten Limit, aber es geht.“ In den vergangen Jahren war daran nicht zu denken. Zum Teil ist er drei Monate im Mietrückstand, lebt von Reis und Nudeln. „Vielleicht würde ich das Ganze rückblickend durchdachter angehen“, meint er lachend. „Aber man muss sich etwas trauen, dem Leben vertrauen und vor allem loslassen, das habe ich damals an meinem absoluten Tiefpunkt gelernt.“

 

 

 

 

 

„Meine Mutter sagt immer,

mach was dein Herz sagt

und sie hat recht.“  

 

Einstieg in die Achterbahn

Der Vortragende bestärkt Markus in seiner Idee das Spiel professionell umzusetzen, nimmt ihn mit zu seinen Events. Mit beklebten Chipsdosen, lässt Markus die Menschen das Spiel testen und es kommt an. Gleichzeitig beginnt sich sein geregeltes Leben auf den Kopf zu stellen. Er kündigt in der Spedition, weil er dort keine Zukunft mehr sieht. Doch auch der neue Job ist nicht seine Welt. Nach nur zwei Wochen kündigt er auch dort, steht plötzlich vor dem Nichts. „Ich bin fast verrückt geworden, weil ich ständig Arbeit gesucht habe, aber immer dieses Spiel in meinem Kopf war.“ Bis zu diesem Moment nach acht Monaten. Ein ganzes Fußballfeld ist voll mit Menschen, die begeistert Bassalo spielen. In dem Augenblick wird ihm klar, dass er sich entscheiden muss. Für das Spiel. Gegen jeden anderen Job. Doch damit taucht das nächste Problem auf. „Ich brauchte Becher aus Kunststoff, bis jetzt hatte ich nur Chipsdosen verwendet, um zu testen, ob das Spiel überhaupt ankommt.“ Die Suche nach Bechern verläuft im Sand. „Ich konnte nirgends passende finden, musste selbst welche produzieren lassen.“ Und dafür braucht er Geld. Zum einen für ein Werkzeugteil, mit dem die Becher produziert werden können zum anderen für einen Hersteller, der die Becher fertigt. Er erstellt einen Businessplan und bekommt von sechs Banken eine Abfuhr.

 

 

 

Walt Disney und die siebte Bank

„Walt Disney hat erst von der 101 Bank einen Kredit für Disney World erhalten. Diese Geschichte hat mich angetrieben. Jedes Mal, wenn ich eine Abfuhr bekam, habe ich daran gedacht und mit der nächsten Bank einen Termin vereinbart.“ Die siebte Bank gewährt ihm einen Kredit, sofern er einen fixen Job vorweisen kann. Markus kehrt für sein Spiel, zur Spedition zurück. „Endlich hatte ich den Kredit, doch plötzlich schien es unmöglich, einen geeigneten Hersteller in Europa zu finden, der mir auch das Werkzeugteil produzieren kann. In der Mittagspause, nach der Arbeit recherchiert er. Jede Sekunde seiner Freizeit gilt dem Spiel. Plötzlich stoppt Markus im Erzählen, trinkt gedankenverloren einen Schluck Kaffee. „Ja, letztlich war es der Kaffee, das heißt genau genommen der Kaffeesatz, der dafür sorgte, dass es aufwärts ging.“ 

 

 

Die Lösung im Kaffeesatz

Er arbeitet rund um die Uhr. Schlittert Richtung Burn out. Seine Mutter, schickt ihn zu einer Frau, die Kaffee für ihn kocht und für ihn liest. Ihm sein Erfolgsgeheimnis vorliest. Aus dem Kaffeesatz. Sie verordnet ihm eine einmonatige Bassalopause. „Nur wenn ich losließe, würde sich ein Erfolg einstellen. Und sie hat mir gesagt, dass mir in dieser Zeit zwei Männer helfen werden, einer mit amerikanischem Aussehen und ein anderer stark gebauter mit Locken. Eigentlich konnte ich mir keine Bassalopause leisten. Ich wollte nur mein Spiel auf den Markt bringen, um endlich Geld zu verdienen. Doch aus irgendeinem Grund habe ich ihr vertraut.“ Er legt die Bassalopause ein und sein Unternehmertun nimmt Fahrt auf. Eine Firma, zu der er früher schon Kontakt hatte, meldet sich unerwartet. Sie könnten das Werkzeug herstellen und die Dosen günstig produzieren. Es kommt zu einem ersten Treffen. „Als ich die beiden Geschäftsführer der Produktionsfirma zum ersten Mal sah, wusste ich, dass alles gut wird.“ Ein amerikanischer Typ und sein gut gebauter Bruder mit Lockenkopf.

 

 

 

 

„Laut meinem ersten Businessplan

wäre ich seit drei Jahren

Millionär.“

 

 

 

Der reichste Mann der Welt

Markus strahlt noch heute, wenn er von dem ersten Becher erzählt, den er in der Hand hielt. Doch die Freude währt nur kurz. Der Verkauf läuft nicht an wie gedacht. Der Kredit geht zur neige. Er kann keine Rechnungen mehr bezahlen, denn den Job in der Spedition hat er drei Monate nach dem Verkaufsstart gekündigt. Der Handybetreiber stellt sein Handy ab. „Teilweise hatte ich über Tage hinweg nur fünf Euro manchmal sogar gar nichts in der Tasche. Wenn ich ein Spiel verkauft habe, bin ich in ein Geschäft gefahren und habe mit dem Taschenrechner eingekauft.“ Gerettet haben ihn in der Zeit immer wieder seine Familie und auch seine besten Freunde, die ihm finanziell unter die Arme greifen oder schon einmal mit Essen aushelfen. „Es war eine schwierige Zeit. Ich habe versucht, dem Leben zu vertrauen.“ Und das Leben honoriert das. „Als ich einmal kein Geld mehr hatte, sagte der Postbote zu mir, ich soll ihm mein Spiel zeigen. Als er mir die große Version abkauft, habe ich mich mit den 30 Euro wie der reichste Mann der Welt gefühlt.“ 

 

 

 

Auf Motivationssuche im Keller

Jedes Mal, wenn eine neue Bestellung eingeht, freut er sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten. Der Gang in den Keller, um ein Spiel zum Versenden zusammenzustellen, ist die ersten zwei Jahre Aufregung pur. „Ich hatte immer nur den Gedanken im Kopf ´ich habe etwas erfunden, ich habe ein eigenes Produkt´. Das hat mich angetrieben.“ Markus fährt von Messe zu Messe. Lebt von verkauftem Spiel zu verkauftem Spiel, jobbt nebenbei, um sich über Wasser zu halten. Bis vor einem Jahr. Er entscheidet sich, seinem Spiel zu vertrauen, alle Nebenjobs aufzugeben. Und genau seit diesem Zeitpunkt kann er von dem Spieleverkauf leben. „Es war wieder dieses Loslassen, das mich vorangebracht hat. Mit den drei Großhändlern im kommenden Jahr will ich richtig durchstarten. Weitere Länder sind im Fokus. Sogar eine Firma aus Japan interessiert sich für Bassalo, will das Spiel groß rausbringen. Wenn du lange an etwas naiv festhältst und denkst das wird etwas, dann wird es das auch“, meint er mit einem Blick auf seine Bassalo-Becher. 

 

    Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

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Der Tote am Stripsenjoch

 

 

 

Waltraud Brunner verwandelt das Stripsenjochhaus zum Krimischauplatz

 

Der Tote liegt in der Gondel, das ist schon einmal fix. Sie geht allein. Rechts und links die Bergwände. Immer wieder kommt ihr in den Sinn, dass es eigentlich eine Schnapsidee ist. Außer Vogelgezwitscher ist nichts zu hören. Idyllische Ruhe. Nur nicht in ihrem Kopf. Nie hätte sie sich das gedacht, als sie heute im Stripsenjochhaus zugekehrt ist. Ihre Gedanken fahren Achterbahn. Noch heute schüttelt Waltraud Brunner belustigt den Kopf, wenn sie an diesen Tag denkt. „Ich bin den Weg vom Stripsenjochhaus ins Tal gegangen, 600 Höhenmeter. Als ich unten ankam, war das Konstrukt zu meinem Krimi fertig und Schuld an allem ist eigentlich der Bruder das damaligen Wirtes.“

 

 

 

 

Barraquito für den Anfangsmenschen

Am Tisch steht ein Barraquito. Kondensmilch, ein Schuss Likör, Espresso, Limettenschale, aufgeschäumte Milch und eine Prise Zimt. Ihre Hommage an La Palma, wo sie gerne wandernd unterwegs ist. Die Berge sind ihr Leben. „Ich brauche die Gebirge, das liegt vermutlich an den ersten Jahren meines Lebens.“ Waltraud wächst in Bad Hofgastein auf. Am Berg. Auf 900 Metern. Erst als sie sieben Jahre alt ist, zieht ihre Familie ins Tal. Sie verliert das Leben in der Höhe, aber gewinnt eine andere Leidenschaft. Sie beginnt zu schreiben. „Auf einer richtig alten Schreibmaschine“, lacht Waltraud. Erst sind es nur kurze Texte. Seit sie achtzehn ist, sind aus den kurzen Geschichten aber ganze Bücher geworden, die in ihrem Kopf herumspuken. „Meistens zwei auf einmal.“ Nur eines schafft sie nie. Ein Buch fertig zu stellen. „Vielleicht, weil ich ein Märzkind bin. Widderanfang, Frühlingsanfang. Ich bin ein Anfangsmensch.“ Aber gerade eines ihrer unfertigen Bücher, bringt sie letztlich dort oben auf der Stripsenjochhütte zu ihrem Krimi.

 

 

 

 

 

 

„Man sollte mutiger sein, einfach etwas machen, nicht lange darüber nachdenken oder sagen, das kann ich nicht 

 

Der Satz

„Ich kann mich noch genau erinnern als ich zum ersten Mal dort oben stand. Du stehst im Joch zwischen Zahmen und Wilden Kaiser. Vor und hinter dir ist der Blick frei, neben dir die Felswände. Du bist nicht ganz oben und nicht ganz unten. Du stehst beim Stripsenjochhaus irgendwie zwischen den Welten.“ Durch ihren Mann, der ehrenamtlich bei der Bergrettung tätig ist, kommt sie oft in die Bergrettungshütte nahe dem Stripsenjoch. Das Stripsenjochhaus wir zu ihrer Stammkneipe. Auch damals im Frühling ist sie dort auf einen Ratscher. Im Gepäck ihren halbfertigen Liebesroman. „Ich wusste nicht, wie weiter schreiben und habe einen Probeleser gesucht.“ Die Wahl fällt auf die Freundin des Hüttenwirtes. Doch gerade als sie ihr den Text geben will, kommt der Bruder des damaligen Wirtes um die Ecke, bietet sich als Probeleser an, bis er erfährt, dass es um einen Liebesroman geht. Ganz trocken habe er ihr erklärt, dass er keine Liebesgeschichten lese. „Ich mag Krimis.“ Als ihm Waltraud antwortet, dass sie keinen Krimi hat, schaut er sie nur an und sagt einen einzigen Satz, der alles verändern sollte. „Dann schreib halt einen.“

 

 

 

Der Tod des Liebesromans

Der Satz geht auf wie ein Samenkorn. Auf dem Weg ins Tal entsteht der Krimi in ihrem Kopf, lässt ihr keine Ruhe mehr. Ein Krimi mit dem Stripsenjochhaus als Schauplatz. Ein Toter, der am frühen Morgen in der Gondel der Materialseilbahn liegt und das Leben von Franz, dem Hüttenwirt und der gesamten Hüttencrew ordentlich durcheinander wirbelt. Am 7. Juli 2013 gibt sie dem Krimi, der in ihrem Kopf herumgeistert nach, legt ihren unvollendeten Liebesroman auf die Seite, setzt sich an ihren kleinen, grünen Laptop, beginnt zu schreiben. „Ich habe mir gedacht, wenn mir diese Geschichte keine Ruhe lässt und einfach so beim Runtergehen von der Stripsenjochhütte entstanden ist, dann ist das wohl ein Zeichen.“ Sie schreibt, meist in der Bergrettungshütte oder am liebsten direkt im Stripsenjochhaus. Als sie zu ihren Eltern auf Urlaub fährt, sind die ersten Seiten im Gepäck. Ihr Bruder liest sie. „Und dann hat er plötzlich gesagt: ´wo ist der Rest, die anderen warten schon´.“ Die anderen waren seine Freunde. Er hatte die Seiten weitergegeben. Waltraud hatte Leser, bevor sie das Buch zu Ende geschrieben hatte. „In dem Moment wusste ich, dass ich dieses Buch beende.“ Vor allem weil noch ganz andere auf weitere Buchseiten hofften. 

 

 

Nachschub

„Wenn ich zur Hütte hinauf bin, haben die Hüttenleute schon immer alle gewartet.“ Weniger auf sie als vielmehr auf ihr Gepäck, die nächsten Seiten des Krimis. Denn nicht nur der Schauplatz ist real, auch die Figuren vom Hüttenwirt bis zum Kellner haben einen zum Teil sehr realen Hintergrund. „Der Kellner hat schon einmal etwas entrüstet zu mir gesagt ´ich bin aber kein Frühaufsteher´. Ich habe dann nur lachend geantwortet, dass ich das weiß. Natürlich erfindet man einiges dazu bei den einzelnen Figuren.“ Gewohnheiten des Hüttenlebens wie das nächtliche Treffen im Lifthäusl, um wie im Kino zu sitzen und auf die große Leinwand der Nacht zu schauen, sind aber sehr wohl real, wie Waltraud betont. Den Sommer über schreibt sie, denn sie hat ein Ziel. Sie will das Buch bis zum Herbst fertig stellen, bevor die Saison vorüber ist. „Die Hüttencrew verlangte ein Ende“, erklärt Waltraud mit einem Augenzwinkern. Sie vollendet ihren Krimi und dann passiert, was sie sich nie erhofft hatte. Ein Verlag will ihr Buch drucken. Waltraud schwebt auf einer Wolke, bis zum Telefonat mit ihrer Lektorin. 

 

Zwischentief mit Rotwein

„Es hat eineinhalb Stunden gedauert, danach war ich gefühlsmäßig nur noch zehn Zentimeter groß“, meint sie heute lachend über das erste Gespräch mit der Lektorin. „Hunderte Dinge, die ich anders schreiben sollte. Ich habe mir ein Glas Rotwein eingeschenkt und vor mich hingestarrt.“ Die Wolke auf der sie schwebte, war auf Tiefflug. Sie geht das Telefonat noch einmal durch, bleibt an einem Satz der Lektorin hängen. „Was wollen sie denn, das sind Anfängerfehler. Schreiben können sie ja.“ Sie versteift sich auf diesen einen Satz, stellt sich selbst eine Frage: „Was wolltest du: gebauchpinselt werden oder eine ehrliche Kritik?“ Waltraud ist die Antwort auf die Frage augenblicklich klar, sie beginnt, den Krimi zu überarbeiten. Im Herbst 2015 erscheint ihr „Verrat am Wilden Kaiser“ im Buchhandel. Manche der „Vorlagen“ für die Romanfiguren arbeiten heute noch im Stripsenjochhaus. Und auch Waltraud wird in nächster Zeit wieder öfters oben sein. Mit ihrem kleinen, grünen Laptop. Denn der zweite und dritte Teil des Krimis schwirren bereits durch ihren Kopf. Der Liebesroman muss wohl weiter warten.

 

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Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

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Der Tanz

 

 

Eine Leidenschaft die aus dem Takt kam und zur großen Liebe wurde.

 

 Wie zum Beweis streckt sie ihre Arme auf die Seite. „Du gehst immer bis ans Ende der Bewegung siehst du.“ Ihre Haare hat sie nach hinten gebunden. Jogginghose. Shirt. Freizeitlook. Vor ihr am Küchentisch steht ein Cappuccino. Ihre Hände scheinen immer noch weiter auf die Seite zu wachsen. Ihre Finger sind gestreckt, bis in die Spitzen. Mit einem Lachen lässt Selina Lettenbichler die Hände wieder sinken. Am Nachmittag steht ein Tanzworkshop an. Die Vorfreude ist unverkennbar. Heute. Vor drei Jahren war das anders. Die Tänzerin hatte alles hingeschmissen. Den perfekten Ausbildungsplatz aufgegeben für den sie so gekämpft hatte. Ein Entschluss mitten in einer Yogastunde.

 

Erkenntnis im Vorbeigehen

Als Jugendliche lebt Selina mit ihren Eltern in Tirol. Ihr Leben gehört dem Wettkampf. Sportaerobic. Fünf- bis sechsmal die Woche Training. „Ich war schon immer dieser Krafttyp, wollte mich austesten, Wettkämpfe machen, auch wenn ich vor Nervosität fast gestorben bin.“ Mit 16 zieht ihre Familie nach Oberaudorf. Für Selina nach sechs Jahren der Ausstieg aus der Sportaerobicwelt. „Ich war nicht richtig traurig darüber. Es war eine wunderschöne Zeit, aber du siehst auch nichts anderes, du bist in dieser Leistungssportsucht.“ Dass ihr Leben der Sport ist, ist ihr allerdings klar. Sie geht nach München in die Bode Schule, beginnt die Gymnastiklehrerausbildung. Und dort passiert es. „Wir hatten viele Tanzbereiche in der Ausbildung und plötzlich wurde mir klar, das ist es. Diese weichen Bewegungen, dieser Ausdruck. Ich wusste, das will ich machen.“

 

 

Das Ende auf dem Weg zum Gipfel

Von da an scheint ihr Weg nur noch eine Richtung zu kennen. Neben ihrer Gymnastiklehrerausbildung trainiert sie ein Jahr lang mit einer Freundin in verschiedenen Tanzkursen. Sie bewirbt sich bei drei Schulen für zeitgenössischen Bühnentanz. „Eine davon war die Sead, die Salzburg Experimental Academy of Dance. Die Tanzschule schlechthin. Auf der ganzen Welt finden Castings für diese Schule statt. Hunderte bewerben sich jedes Jahr.“ Selinas größter Wunsch erfüllt sich, sie wird aufgenommen. „Ich bin komplett ausgeflippt vor Freude.“ Sie schreibt ihr Staatsexamen für die Gymnastiklehrerausbildung fertig, beginnt gleichzeitig in der Sead. Eine äußerst strikte Schule. Permanentes Training. „Ich war dort, wo ich hinwollte und doch ging es mir immer schlechter. Mein Körper war müde. Ein Staatsexamen schreibst du nicht im Vorbeigehen. Mir hat eine Auszeit gefehlt.“ Selina beginnt zu zweifeln, ob das wirklich ihr Leben ist. Und dann kommt diese Yogastunde. „Ich habe darüber bis jetzt noch nie nachgedacht. Aber eigentlich ist es ein schöner Zeitpunkt, beim Yoga so einen Entschluss zu fassen.“ Es ist der Entschluss, alles hinzuschmeißen. Die Tanzschule zu verlassen. Nach dem Ende der Yogastunde geht sie zur Schulleitung.

 

 

 

 

In Neuseeland habe ich das Tanzen für mich wieder gefunden.

Da wurde mir klar, das ist es.

Auf die andere Seite der Welt

 

Innerhalb nur einer Woche gibt die damals 20jährige ihre Wohnung auf, verlässt Salzburg. „Ich war mir nicht mehr sicher was ich will. Was ich brauche. Für mich.“ Als ihr bester Freund ihr erzählt, dass er nach Neuseeland fliegt, sagt sie aus einem Impuls heraus. „Ich komme mit.“ Ein Monat später sitzt sie im Flugzeug. „Wir sind zusammen durch das Land gereist. Ich war mir nicht sicher wie es weitergehen soll. Und vor allem war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch tanzen will.“ Bis sie in das einsame Hostel kommt.

 

 

Der Tanz in Neuseeland

Selina rückt den Cappuccino zurück und reckt ihre Hände auf die Seite als wollte sie die ganze Welt umarmen. „Es hat erst schleichend angefangen. Ich habe dort in Neuseeland plötzlich gespürt und gesehen, dass alles tanzt. Die ganze Welt. Die Blätter im Wind. Jeder Schritt ist ein Tanz. Und dann waren wir in diesem Hostel. Wir waren die einzigen Gäste.“ Sie macht eine Pause, als wollte sie den Moment noch einmal auskosten. „Ich war allein. Und ich habe das gemacht, was ich seit Salzburg nicht mehr gemacht habe.“ Sie tanzt. Nur für sich. „Als ich zu tanzen begann, war ich plötzlich so voller Energie. Ich habe die Schwingungen in mir gespürt. Meinen Körper gefühlt. In dem Augenblick war ich mir sicher, dass Salzburg kein Abbruch war, sondern nur der Beginn einer Pause. Es war wie in einer Beziehung. Der Tanz und ich wir haben einfach eine Auszeit gebraucht. Aber als ich dort nur für mich getanzt habe, wurde mir klar, dass wir uns lieben, der Tanz und ich.“ Zurück von Neuseeland meldet sie sich bei einer anderen Tanzschule, die sie ein halbes Jahr zuvor bereits aufnehmen wollte. „Diese Schule war kleiner, familiärer, das war es, was ich brauchte.“

 

 

 

 

 

Natürlich ist es wichtig, dass du von deinem Beruf leben kannst.

Aber man muss dem Leben auch einmal vertrauen.“ 

 

  

Leidenschaft mit bitterem Beigeschmack

Seit einem Jahr hat sie ihre Ausbildung zur zeitgenössischen Bühnentänzerin abgeschlossen, wurde inzwischen unter anderem für Produktionen in London, Paris, Wien, Deutschland und Slowenien zum Vortanzen eingeladen. Anfang August endete ihr Engagement für die Tiroler Festspiele Erl. Ein Monat Proben. Zwei Aufführungen. Ihr bisher tollster Auftrag wie sie sagt. „Es war alles perfekt. Sehr professionell.“ In München tanzt sie derzeit in einem Bollywood Musical. Was danach kommt, ist offen. „Ich lebe momentan ein echtes Künstlerleben. Ein traumhaftes Leben allerdings immer mit leichten Sorgen im Hintergrund.“ Jedes Ende eines Engagements hat einen traurigen Beigeschmack. „Du hast keine Absicherung. Musst dir immer neue Jobs suchen. Das zehrt manchmal schon an den Nerven, diese Ungewissheit.“ Ein letzter Schluck Cappuccino. Und wieder dieses strahlende Lachen. „Wenn ich Fremden sage, was ich mache, sagen sie immer das ist toll, spannend. Und dann kommt meist die Frage `kann man davon leben.´ Natürlich ist es wichtig, dass man davon leben kann. Mein Ziel ist sicher eine fixe Anstellung bei einem Theater. Aber mir geht es nicht um ein tolles Auto oder ein großes Haus, es gibt Wichtigeres. Ich mache lieber das, was mir Spaß macht und verdiene nicht so viel. Auch eine kleine Wohnung kann schön sein.“ Mit einem Glitzern in den Augen wirft sie ihren Kopf in den Nacken. „Ja, ich war schon mutig, mich für diesen Weg zu entscheiden. Vor allem damals, als ich aufgegeben habe. Diese Verantwortung für mich übernommen habe. Das war notwendig, um mich zu finden. Um richtig zum Tanz zu finden. Es ist entscheidend, dem Leben zu vertrauen.“

 

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Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

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Alm Geflüster

 

Die Sennerin vom Thierseetal

 

 

Bedächtig krault Marlies Hirschi über den Kopf. Hirschi gefällt es sichtlich, vorsichtig lehnt sie sich gegen die Sennerin. Marlies lacht und gibt ihr einen Schubs. „Ja ich verwöhne sie schon etwas, aber sie ist einfach meine Lieblingskuh.“ Hirschi ist sozusagen ihre Verbündete. Gemeinsam haben die zwei ihr Almleben vor drei Jahren hier auf der Alm im Thierseetal begonnen.

 

Dienstag und drei Äpfel

Ein Marmeladenglas mit einem kleinen Strauß Wiesenblumen ziert den Tisch in dem Küchen-Wohnraum der Alm. Auf der blau-weiß getupften Bank dahinter ist ihr Lieblingsplatz. Dort hält Marlies gegen zehn Uhr nach der morgendlichen Stallarbeit ihr Vormittagsschläfchen. „Wenn du um vier, halb fünf aufstehst, dann brauchst du auch einmal eine Pause“, sagt Marlies bevor sie hinter einer Holztür verschwindet. „Mein Vorratsraum.“ Steinwände sorgen in dem kleinen Raum den ganzen Sommer über für angenehme Kühle. „Der Kühlschrank hier herinnen ist eigentlich fast überflüssig“, meint Marlies lachend während sie den Inhalt des Obstkorbes durchschaut. Ein Zwiebel, drei Äpfel, vier Bananen. Heute ist Dienstag. Nachschub kommt erst am Wochenende, wenn ihr Mann zu ihr auf die Alm fährt. Vor allem die morgendliche Banane ist wichtig, die braucht sie schon wegen Brunelli.

 

Tausche Bürostuhl gegen Kuhmist

Als Gastgewerbekind aufgewachsen, arbeitet Marlies jahrelang in einem Büro. Als sie merkt, dass ihr körperliche Arbeit fehlt, kehrt sie zurück ins Gastgewerbe, beginnt zu kellnern. „Das war zwar toll, aber auch nicht richtig meines.“ Ihr Mann bringt schließlich die Alm ins Spiel, weil er weiß, dass sie das immer schon wollte. „Aber mit Mitte dreißig? Ich habe mich gefragt, ob ich mir das noch antun soll.“ Bis das Schicksal ihr einen Schubs gibt. Eine befreundete Bäuerin erzählt ihr, dass sie für den Sommer keinen Senner hat. Marlies sagt lapidar: „Das mache ich.“ Und die Bäuerin antwortet nur: „Passt“. „Ich hatte ja keine Ahnung, was auf mich zukommt.“

 

 

 

 

„Wenn du mit dem Traktor in

den Sonnenaufgang fährst,

dann weißt du,

dass du alles richtig machst.“

Blauäugige Bergidylle

Das Tischset mit der Grauviehkuh ist der stylische Blickfang auf der zum Terrassentisch umfunktionierten Holzpalette. Nebenan steht ein Liegestuhl. In diesem Jahr liegt sie immer wieder einmal dort, gesteht Marlies mit einem Augenzwinkern. Heuer, in ihrem dritten Jahr, ist vieles relaxter. Sie hat sich eingelebt. „Ich bin schon sehr blauäugig in die Sache reingelaufen, aber letztlich geht es da glaube ich jedem gleich. Von außen wirkt alles immer so harmonisch, schon allein diese Bergidylle. Aber in dieses Leben musst du dich erst hineinfinden.“ Sie will alles richtig machen, ist übergenau. Schaut ständig nach den Kühen. Nach sechs Wochen hat sie zwölf Kilo abgenommen. „Mir war nur noch wichtig, dass ich morgens richtig frühstücke, denn ich habe nicht gewusst, was untertags auf mich zukommt.“

 

 

Minderwertig

„Das war heute früh.“ Glühend rot färbt die aufgehende Sonne das Kaisergebirge auf dem Handyfoto. „Wenn du mit dem Traktor in den Sonnenaufgang fährst, dann weißt du, dass du alles richtig machst.“ Zum Zeitpunkt des Sonnenaufgangs hat Marlies bereits die Kühe des oberen Stalls gemolken. Bis um sieben Uhr früh muss sie fertig, die Milch in der Käserei etwas unterhalb ihrer Alm abgeliefert sein. „Es ist harte, körperliche Arbeit, aber das ist es, was ich brauche. Und diese Stille.“ Allein fühlt sie sich nie. Vielmehr genießt sie die ganz eigene Lebensqualität. „Du spürst dich selbst viel mehr.“ Missen möchte sie ihre vier Almmonate nicht mehr, obwohl so mancher verständnislos auf ihren Beruf reagiert. „Manche sagen schon, dass das keine richtige Arbeit ist. Der Beruf des Senners hat einen minderwertigen Touch. Ich glaube, die Leute wissen gar nicht, was ein Bauer oder Senner leistet. Von der Milch bis hin zur Landschaftspflege. Wandern gehen alle gerne oder machen Werbung mit unserer Kultur und der Landschaft. Doch den Beruf, der all das ermöglicht, finden sie minderwertig, aber das muss jeder selbst wissen.“

 

Und dann war da die Banane

Mit einer Banane in der Hand steigt Marlies über den Zaun. Während alle anderen Kühe genüsslich weiter im Gras liegen, steht die Hellste auf, dreht ihren Kopf. „Ja, die ist für dich“, lacht Marlies. Gierig streckt Brunelli ihre Zunge heraus. „Ich weiß nicht, ob es andere Kühe gibt, die so verrückt nach Bananen sind.“ Begonnen hat alles mit einem eher scherzhaft gemeinten Satz. „Ich wollte damals nur schnell zum zweiten Stall hinunter und bin mit der Banane in der Hand an Brunelli vorbei. Da hat sie probiert, mit der Zunge danach zu greifen.“ Scherzhalber sagte Marlies zu der Kuh, „da nimm halt“. Und weg war die Banane. Seither teilen sich die zwei jeden Morgen eine Banane. Echte Kuhliebe. Almleben.

 

 

 

„Hier heroben hast du eine ganz andere Lebensqualität.

Du spürst dich selbst viel mehr.“ 

 

 

Hallo Badewanne 

Es ist vier Uhr Nachmittags. Stallarbeit die zweite. Marlies bindet sich die Haare zurück. Ein Pfiff. Durch die offene Stalltür fallen die Sonnenstrahlen, werfen einen Lichtkegel in den dämmrigen Raum. Bis es plötzlich dunkel wird. Zwei Hörner gefolgt von einem massigen Körper. Eine nach der anderen kommen die Kühe herein, stellen sich auf ihren Platz. Ins Tal zieht es Marlies in ihren vier Almmonaten nur, wenn es sehr kalt ist. „Dann fahre ich kurz hinunter und lege mich in die Badewanne“, kommt es schelmisch. Erst Ende September wird sie wieder fix nach Thiersee kommen. „Ich sage niemanden, wenn ich wieder da bin. Die ersten Tage gehören nur mir. Schlafen, kochen, nichts tun.“

 

 

Blöde Kuh

Marlies ist zwischen den massigen Körpern der zwölf Kühe nicht auszumachen. Nur ein Blick auf den Boden und ihre schwarzen Gummistiefel verraten, wo sie gerade steht. „Jede Kuh hat ihren eigenen Charakter. Du kannst im Stall nicht jede neben die andere stellen. Das ist ein großer Weiberhaufen, wie in einem Großraumbüro mit lauter Frauen. Aber sie sind intelligent.“ Als hätten sie eine Uhr eingebaut kommen sie immer rechtzeitig zum Stall. Wissen, welche Wege sie gehen müssen. „Wenn jemand sagt, ´du blöde Kuh´ ist das eigentlich eine Beleidigung für die Kühe.“ Marlies Kopf taucht neben Hirschi auf. Ein Klaps auf den Hintern gefolgt von einem leisen „Muh“. Marlies wird noch einige Zeit im Stall sein. Dann geht es in ihre Hütte. Etwas lesen oder auf einen Ratscher noch irgendwo vorbeischauen. Morgen soll es schön sein. Der nächste Sonnenaufgang über dem Kaiser. Und natürlich wartet auch Brunelli, noch sind drei Bananen da.

    Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 


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Neue Länge - weite Aussichten

 

 

 

Der sanfte Herbst streckt seine Ausläufer in den coolen Sommer

 

Kleider in der neuen Midi-Länge liefern sich einen gekonnten Schlagabtausch mit extravaganten Shorts, die den Miniröcken den Rang ablaufen. Eine unkonventionelle Coolness trifft auf den heimeligen Touch der Folklore, während der Herbst sanfte Töne vorausschickt. 

 

 

 

Das Hemd sieht Midi

 

Die Modewelt leiht sich diesen Sommer den coolen Business-Hemdenlook für luftige Kleider aus. Das Hemdenkleid ist zurück und zwar Midi - die neue Länge für sommerliche Leichtigkeit. Die betonte Mitte sorgt für eine feminine Note. Mode French Connection


Kontrastfolklore

 

 

Folklore wird zum Dauerbrenner und zeigt sich doch veränderungswillig. Weite, luftige Blusen (Dixie) mit zarten Bordüren und Ethnomuster flirten mit klassischen Kurzblazern. Die ruhige Farbkombination mit dunklem Blau bringt Ruhe in das Styling, während die Jeans (PLEASE) mit dem schrägen Knopfverschluss gekonnt mit der Coolness des Blazers bricht und den Hippiestyle fortsetzt. Bunte schmale Gürtel liefern hippe Hingucker. 

Kurze Sommerliebe

 

 

Sie sind mehr als einfach nur kurz. Die Shorts sind zurück und haben sich einen Feinschliff geholt. Extravagante Muster setzen auffällige Akzente. Lange Jacken mit fließenden Stoffen und soften Farben verleihen dem Outfit einen edlen Touch. Mode: PLEASE – die Jeans mit dem Herz. 




 

 

 

Ganz schön weit

 

Der Herbst 2016 präsentiert sich weit – der Boxy-Style ist zurück. Kurze, kastenförmige, weite Jacken. Für den eleganten Touch greifen die Designer zu edlen Materialien, wie bei der Rauhlederjacke von Milestone. Auf den im Herbst angesagten XXL-Kragen verzichtet Milestone und setzt stattdessen auf glatte Kragenakzente, was der Jacke eine feminine Note verleiht. Idealer Kombipartner eine klassische weiße Hemdbluse, die den klaren Look unterstreicht. Perfekt wird der Streetstyle mit der colored Denim von Closed.


 

 

 

Sanfte Wolle

 

Der Herbst 2016 wird sanft, auch wenn es draußen stürmisch ist. Nach den satten Farben der Vorjahre, drängen helle Blau- und Grautöne in den Vordergrund und schlagen einen ruhigen Ton in der Modewelt an. Harte Farbkontraste haben ausgedient. Und auch die Materialien zeigen sich soft. Wollmäntel werden die neuen Lieblinge. Unterstrichen wird der zurückhaltende Look durch cleane Hemdblusen und schmal geschnittene Jeans. Mode Closed.

 

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Mode von: Mode Kink - Kufstein und  Ebbs

Model: Christina Ploner

Make up: Nadine Pungg 

Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

Die Mode von Mode Kink ist in Ebbs bis Größe 48 erhältlich.


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Ganz in Weiß die Festung im Blick

Die luftig leichte Treppe fällt beim Betreten des Hauses als erstes auf. Offene Lärchenholzstufen. Gelaugt, gebürstet und weiß geölt. Gegenüber dem Eingang gelegen gibt die Treppe durch ihre offene Gestaltung, den Blick frei auf den Essbereich am anderen Ende des Hauses. Die Glaswand zur Abtrennung des Treppenaufganges versprüht zusätzliche Transparenz. Eine Leichtigkeit, die das ganze Haus nahe des Zentrums von Kufstein auszeichnet.

 

Ganz in Weiß

Eine einzige Farbe dominiert das Innere des Hauses und zieht sich wie ein roter Faden durch das Einrichtungskonzept. Weiß. „Unser Bestreben war es, einen Stil im gesamten Haus zu verwirklichen und so die einzelnen Bereiche harmonisch miteinander zu verbinden. Eine schnörkellose Einrichtung und eine geradliniger Optik war unser Ziel. Und diese Schlichtheit wollten wir auch durch die Farbgestaltung der Räume ausdrücken“, erklärt der Hausherr das Konzept hinter der Innengestaltung. Vor allem wollte das Paar aber auch die Geradlinigkeit, die das Haus nach außen hin ausmacht im Inneren fortsetzen.  

Vintage trifft Moderne

Der weiße Fliesenboden führt vom Eingang vorbei am Büro, dem Schlafzimmer und dem Bad direkt in den offenen Essbereich. Landhaus-Feeling prägt den Raum rund um den Esstisch. Die Küchenkredenz, der Geschirrkasten mit Glaseinsatz und die Sessel rund um den Tisch verströmen mit ihrer rustikalen, bäuerlichen Vintage-Optik in Kombination mit der weißen Patina ein ganz eigenes Flair und geben dem Raum eine gemütliche Note. Den nüchternen Kontrast dazu liefert der direkt gegenüber liegende ganz in Hochglanz gehaltene weiße Kochbereich. „Dieser Gegensatz in der Küche wurde von uns sehr bewusst gewählt, damit der Platz nicht kalt aber auch nicht zu kitschig wirkt.“

 

Ein Nische für die Sonne

Die raumhohen Fenster der Küche öffnen nahezu die gesamte Südseite des Raumes in Richtung Garten und lösen dadurch ein Gefühl der Weite aus. „Wir haben uns diese Öffnung nach außen gewünscht, da uns der Garten und die Umgebung sehr wichtig sind. Gleichzeitig wollten wir aber ein gewisses Maß an Intimität bewahren, um trotzt der großen Fensterfronten nicht das Gefühl zu haben, in einer Auslage zu wohnen.“ Eine Mischung, die vor allem bei dem Lieblingsplatz des Hausherrn zum Ausdruck kommt.

 

 

(Her)vorragend

Direkt gegenüber des Esstisches ragt an der nach Westen gerichteten Wand ein Kubus nach außen. Die Längsseite der Nische ist eine einzige große Glasscheibe und gibt den Blick auf die Festung frei. Das dunkle Leder der Liegefläche bildet einen harmonischen, ruhigen Kontrast zu den Vintagemöbeln. „Hier zu sein ist auch nach sechs Jahren immer noch ein Highlight für mich. Wenn du in dem Kubus liegst, hast die absolute Transparenz nach außen mit einem sagenhaften Blick auf das Wahrzeichen von Kufstein und gleichzeitig vermittelt die Nische ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit, eine echte Höhlenatmosphäre.“ Für den Kufsteiner der perfekte Rückzugsort, ein Ort zum Aufladen. „Unser Haus wäre für mich um vieles weniger wert, wenn es diesen Platz nicht geben würde.“ Rein optisch fallen vor allem die beiden pinken Polster in der Nische auf, die die weiße Stille des Raumes durchbrechen. „Auch die bessere Möglichkeit mit Accessoires spielen zu können, war ein Grund für uns Weiß als Grundton zu wählen“, erklärt die Kufsteinerin ihr Einrichtungskonzept. Ein Konzept, das auch im oberen Stock Highlights setzt.

 

 

 

„Wir haben auf wenig verschiedene Materialien gesetzt,

um im Haus Ruhe zu erzeugen.

Auch die weiße Farbe haben wir

aus diesem Grund für die Einrichtung gewählt.“

 

 

Holz

Der helle Lärchenholzboden der Treppe setzt sich im oberen Stock fort. „Ein richtiger Naturholzboden, der komplett unbehandelt ist. Er hat sich in den sechs Jahren sehr gut entwickelt, ist sogar noch heller geworden.“ Auch hier im oberen Stock empfängt die Bewohner ein vorrangig weißer Wohngenuss. „Uns war es wichtig, möglichst wenig verschiedene Materialien und Farben zu verwenden. Durch die Wiederholung der gleichen Materialien wollten wir eine Verbindung der einzelnen Bereiche schaffen und eine zusätzliche Ruhe in das Haus bringen. Zu viele Materialien wirken für mich schnell unharmonisch“, so der Bauherr. Daneben Stand das Thema ökologisches und umweltbewusstes Bauen und Wohnen ganz groß im Vordergrund. So wurde recht früh klar, dass für die beiden nur ein Massivholzbau in Frage kommt. „Dass diese Entscheidung richtig war, bemerkten wir von Anfang an. Die Atmosphäre ist durch den Holzbau besonders wohnlich. Es gibt keine kalten Ecken im Haus und die Akustik ist einfach perfekt.“ Wobei die Familie bereits bei der Wahl des Grundstückes für eine zukünftig angenehme Wohnatmosphäre sorgte.

  

 

Grün

„Wir haben unser Grundstück vor dem Kauf auf Erdstrahlen und dergleichen untersuchen lassen. Es war uns wichtig, dass die Ausgangssituation für unser Haus optimal ist. Auf ein anderes Grundstück haben wir wegen der zu starken Erdstrahlen sogar verzichtet und lieber weiter gesucht.“ Möglichst im Einklang mit der Natur zu wohnen war letztlich auch bei der Wahl der Wärmeversorgung ausschlaggebend. Umweltbewusst, ökologisch und kostensparend sollte sie sein. „Unsere Entscheidung fiel dabei auf eine Luft-Wärmepumpe samt zentraler Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Das System hat sich bis heute bewährt.“

 

 

 

Festung im Blick

Von der Galerie im oberen Stock gehen die Zimmer der beiden Kinder weg. Im hinteren nach Nordosten gerichteten Bereich befindet sich ein offener Arbeitsbereich. Die übers Eck reichende Verglasung holt die Umgebung ins Haus und bietet einmal mehr den Ausblick auf die Kufstein umgebende Bergwelt. „Die Natur einzufangen war ein großer Wunsch von uns. Die Ausblicke aus unseren Glasfronten waren bei der Gestaltung des Hauses mit entscheidend, weshalb wir zu Planungsbeginn gemeinsam mit dem Architekten auf dem Grundstück standen und die Umgebung genau analysierten.“ Die Ausblicke reichen von der Festung über den Thierberg bis hin ins Kaisergebirge und wirken wie inszenierte Bilder. „Wir haben versucht alles, was die Umgebung bietet, perfekt einzufangen. Die Umgebung in unser Wohnen zu integrieren.“ Und genau das war mit ein Grund dafür, dass der Wohnbereich nach oben wanderte.

Wohnen in der Höhe

Die weiße Wand der Galerie vor dem Eingang in den Wohnbereich ziert ein großer Spiegel mit verschnörkeltem Goldrahmen. Ein letzter Vintage-Touch vor dem Eintritt in das nüchtern, klar gehaltene Wohnzimmer. Wenige Einrichtungsgegenstände lassen die Großzügigkeit des Raumes noch mehr zur Geltung kommen. Das dunkelbraune Bücherregal bietet einen Kontrast zur weißen Dominanz. Über allem steht im Wohnbereich allerdings die raumhohe Glasfront, die sich über die gesamte Südseite erstreckt und einen grandiosen Blick auf die Festung ermöglicht. „Es ist sicherlich ungewöhnlich, den Wohnraum in den oberen Stock zu verlegen und dafür das Schlafzimmer in das Erdgeschoss, aber wir wollten uns diesen Ausblick auf jeden Fall sichern.“ Aber auch der Ansatz, die Offenheit eines modernen Hauses zu ermöglichen ohne dabei im Schaufenster zu wohnen, hat das Paar dazu veranlasst den Wohnraum im den oberen Stock zu platzieren. „Mit der Lage im ersten Stock ist das Gefühl eines Rückzugsortes entstanden, wobei wir durch die Glasfront die maximale Verbindung nach außen haben. Vor allem wenn es am Abend dunkel wird und die Stadt zu leuchten beginnt, ist die Aussicht von hier einmalig. All das macht unser Haus für uns auch nach sechs Jahren noch immer zu einem absoluten Traumhaus.“  

   Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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Abstecher

 

 

 

 

Frischer Wind für klassische Trends

 

Harmonische Erdtöne, blau-weiße Welten, bunte Farbreigen für markante Highlights, die aktuelle Mode zeigt sich vielfältig mit einer edlen Prise Weiblichkeit. Coole männliche Looks verführen mit weiblicher Note. Der klassische Biker- und Armystyle überraschen mit edlem Chic. Hosen orientieren sich an der beschwingten Weite von Röcken und setzen mit Culottes auf einen gänzlich neuen Stil.

 

Happy Hippie

Der Boho Style des Sommers 2016 präsentiert sich erdverbunden. „Gebrannte Erde“ empfängt als Farbthema den Sommer ganz natürlich. Wallende Ethonkleider der 70ziger bekommen Konkurrenz durch Shorts. Hingucker: Ärmellose lange Häkeljacken, die mit der Kürze der Shorts brechen. Alle Teile von Please: „be happy in Please“.

 

 


Feminine Army

Camouflage zeigt auf eleganten Kleidern Flagge. Klassische Schnitte in verführerischer Kürze würzen ihre Schlichtheit mit Anleihen aus der Army. Tarnmuster sorgen für Aufmerksamkeit. Straight die Kombi mit Lederjacke, die den aktuellen Bikerstil aufgreift und dem Look eine coole Note verleiht. Schuhe und Tasche von Ovye, Bologna; Mode ViCOLO, Bologna.

Hellgraue Biker

 

Bikerstyle in coolem Hellgrau. Lederjacken verlieren im Sommer 2016 an Länge und gewinnen an Klasse. Die Marke Milestone setzt auf Taille und verleiht damit der sportlichen Jacke eine verführerische Note. Edel die Farbkombination mit Petrolgrün (Shirt von Closed). Die perfekte Ergänzung dazu: eine feminine Army Hose (Cambio).

 

 



Edle Weite

Wenn Hosen mit Röcken flirten – Culottes. Hosen setzen in den kommenden Monaten auf Weite. PIU PIU bringt dazu mit einem ärmellosen Longblazer, der Farbe Azurblau und High Heels edle Akzente ins Styling. Wer es sportlicher liebt, kombiniert mit kurzen Pullis im kastenförmigen Boxy Style und Sneakers.

 

 

Spitzfindig

Der Marinelook ist zurück und hat sich an der Côte d’Azur niedergelassen. Das klassische blau-weiß Thema verliert seine Sportlichkeit und lehnt sich an den französischen Chic der noblen Strände von Monaco und Nizza an. Der weiße Sommermantel verleiht High Society Feeling. Spitzfindig die Schuhwahl dazu. Spitze voraus heißt es in diesem Sommer bei den Ballerinas. Die flachen Sommerlieblinge verlieren ihre Rundung und bestechen mit spitzer Spitze. Butterweiche Lederballerinas von Ovye aus Bologna. Mode Betty Barclay.




Regenbogen

 

Gezackter Farbreigen. Das klassische Missonimuster verfeinert PIU PIU mit der gesamten Farbpalette und nimmt dem edlen Schnitt des Kleides damit die Strenge. Die grafischen Linien bringen eine klare Präsenz. Perfekt dazu: schnörkellose Accessoires für einen klassischen Touch. Tasche von Ovye, Bologna

 

 


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Mode von: Mode Kink - Kufstein und  Ebbs

Make up: Nadine Pungg 

Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

Die Mode von Mode Kink ist in Ebbs bis Größe 48 erhältlich.


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Ick bin ne Diva

Der Hut hat ein sattes Rot. Sie hat ihn leicht in die Stirn gezogen. Als sie das Café betritt, ist das mehr ein Erscheinen als ein simples Hereinkommen. Das Cape schwingt im Rhythmus ihrer Schritte. Der Hauch einer Diva umweht Varina Weinert. Sie lacht auf die Frage, ob sie sich denn als Diva sehe. „Optisch falle ich schon gerne auf. Wer mich nur flüchtig kennt oder auf der Bühne sieht, der könnte schon den Eindruck erlangen, dass ich eine Diva bin, dabei bin ich ganz umgänglich. Wobei ich ehrlich gesagt ein Fan von Diven wie Marlene Dietrich bin, weil sie Kraft ausstrahlen.“ Starke Frauen in intensiven Geschichten sind es auch, die sie am liebsten auf der Bühne verkörpert. Auch, wenn sie daran schon fast zerbrochen ist.

 

Entdeckt

Varina sitzt neben ihren Eltern im Publikum. Sie ist gerade einmal sechs Jahre alt. Eigentlich sollten alle Augen auf ihre Schwester und deren Auftritt im Rahmen der Musikschule gerichtet sein, doch ein Musiklehrer hat nur Augen für Varina. Das kleine Mädchen singt mit, gibt sich, als stünde sie auf der Bühne. Der Musiklehrer spricht die Eltern an, überzeugt sie, Varina zum Gesangsunterricht zu schicken. Der Beginn ihres Bühnenlebens. Varina bekommt klassischen Gesangsunterricht. Und da sie keine Bühnenangst hat, singt sie schon ein Jahr später vor Publikum. Singen wird ihre große Leidenschaft, bis zu diesem einen wunderschönen Tag.

 

Schicksalhafter Urlaub

Zehn Jahre später. Varina ist siebzehn und urlaubt mit ihrem Freund in der Nähe von Erwald. Und es passiert, was die beiden nie vermutet hätten, ihr Urlaub wird zu ihrem Schicksal. Sie verlieben sich in die Gegend. Ihr jugendlicher Leichtsinn, wie sie es nennt, verführt sie noch im Urlaub zu einem folgenschweren Entschluss. Zurück in Berlin stellt Varina ihre Eltern vor vollendete Tatsachen und übersiedelt mit ihrem Freund nach Tirol. Aurach, Westendorf, Kirchdorf sind ihre Stationen, um dann, vor fünfzehn Jahren, in Kufstein zu stranden. Ihr Weg von Berlin nach Tirol ist dabei genauso unerwartet und von ihrer impulsiven, frechen Art bestimmt wie Jahre später ihr Weg zum Theater.

 

Jungfräulich bis zur Festung

Die Sonne scheint. Strahlend blauer Himmel. Varina ist etwas angespannt. Sie weiß nicht, was sie erwartet. Immerhin ist es ihr erstes Mal. Und das mit dreißig. Kurz zuvor hatte sie ihre Arbeitskollegin angerufen. Sie hätte eine Theaterkarte übrig. Varina ist eigentlich ganz und gar nicht begeistert. Sie und ins Theater gehen. Das ist ihr noch nie in den Sinn gekommen. Wieso sie mitgeht, weiß sie bis heute noch nicht. Lumpaziavagabundus steht am Programm. Ohne irgendwelche Erwartungen sitzt Varina auf ihrem Platz und dann ist es wie damals als sie als sechsjähriges Mädchen im Publikum saß und ihrer Schwester zuhörte. Die Berlinerin ist fasziniert. Weiß von einer Sekunde auf die andere, dass das ihr Leben ist. Wieder zu Hause schreibt sie eine E-Mail. „Ich habe der Obfrau geschrieben, dass mir das Stück sehr gut gefallen hat, mit einer einzigen Ausnahme: dass ich nicht auf der Bühne war.“ Ihre freche Art stößt auf Resonanz und einen Anruf später ist Varina Mitglied des Stadttheater Kufstein. Ihr großer Wunsch erfüllt sich und wird zum Prüfstein für ihre Ehe.

 

Lösung Dreigroschenoper

„Wir hatten bühnentechnische Schwierigkeiten, das war für mich die Rettung.“ So fasst Varina kurz die Lösung ihrer familiären Probleme zusammen. Bald nach ihrem Beitritt zum Stadttheater sollte sie eine größere Rolle spielen. Zu ihrer Freude und zum Leidwesen ihrer Familie. „Das Proben nimmt viel Zeit in Anspruch. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem sich mein Mann und unsere drei Kinder beschwerten.“ Es kommt zum Streit. Für Varina eine harte Zeit, da es bei ihnen bis dahin noch nie lautstarke Diskussionen gab. Varina hat ein schlechtes Gewissen, wenn sie zu den Proben geht, obwohl sie nichts lieber tut. Und dann kam dieses Problem mit der Bühne. „Ich habe zuerst überlegt, ob ich ihn wirklich fragen soll, da mein Mann ja gar nicht gut auf das Theater zu sprechen war.“ Doch die Not überwiegt und Varina bittet ihren Mann, der ein geschickter Handwerker ist, um Hilfe. Und er kam, reparierte und blieb. Varina grinst beim Erzählen über das ganze Gesicht. „Das war mein bester Schachzug. Auch wenn er ungewollt passierte.“ Seither ist ihr Mann beim Bühnenbau eine fixe Größe und hat dazu die Liebe zur Bühne entdeckt. Für Varina wird genau das kurz darauf zu ihrer Rettung.  

 

Little Italy

„Nee“ kommt es als Antwort auf die Frage, ob es denn schwierig war, sich als Berlinerin in Tirol einzuleben. Auch, wenn Varina inzwischen seit dreiundzwanzig Jahren in Tirol lebt, ihre Berliner Wurzeln kann sie sprachlich nicht verleugnen. „Aber ditt will ick ooch jarnich“. Ansonsten hat die Wahlkufsteinerin so einiges von ihrer neuen Heimat angenommen. Wie etwa die Leidenschaft Feste zu feiern und dann ist da natürlich ihre Liebe zur Festungsstadt. „Im Sommer ist Kufstein für mich little Italy. Das Flanieren entlang der Innpromenade erinnert mich immer an Italien.“ Auch, dass sie immer wieder bekannte Menschen trifft bei Veranstaltungen oder auf der Strasse, macht für sie den Reiz an Kufstein aus. „Das beschert mir ein ´Zuhause-Gefühl´ und das brauche ich.“ Wie Kufstein gibt ihr auch die Bühne ein Gefühl des Zuhause-Seins, bis zu dem Moment, in dem der letzte Vorhang fällt. Ein Moment, der ihr vor fünf Jahren zum Verhängnis wird.

 

 

Lieblingsrolle als Untergang

Es ist eindeutig ihre bisherige Lieblingsrolle, auch, wenn sie fast daran zerbrochen ist. Die Roxane in „Cyrano de Bergerac“. Ihre erste richtig große Rolle. Roxane ist ein junges Mädchen, unbeschwert und wild. Im zweiten Akt wird aus dem jungen Mädchen eine ältere, traurige Frau, die die Liebe ihres Lebens verloren hat. Varina schaut nachdenklich. „Ich konnte das Ende nicht finden.“ Während sie davon erzählt, ist offensichtlich, dass sie diese Rolle und ihre Reaktion darauf auch heute noch beschäftigen. Als damals vor fünf Jahren ihr letzter Auftritt als Roxane vorbei ist, schafft sie es nicht, in die Normalität überzugehen. Monatelang fließen bei ihr die Tränen. Zu sehr hat sie sich in die Rolle eingelebt. „Wenn ich auf der Bühne stehe, gehe voll in meiner Rolle auf. Ich bin diese Person.“ Doch damals als Roxane geht es weiter. Sie kann die Figur nicht abstreifen. Eine bislang nicht gekannte Traurigkeit bestimmt ihren Alltag. Die Gefühlswelt der Roxane hat sie gefangen genommen. Endlose Gespräche mit ihrem Mann helfen ihr. Als ihr dann noch eine neue Rolle angeboten wird, hat sie die Gegenwart wieder. Und sie bemerkt, dass es auch diese Leere nach der letzten Vorstellung war, die sie so traurig machte. In ihre Figuren lebt sich Varina immer noch ein. „Doch so schlimm wie damals war es nie wieder. Aber wer weiß, vielleicht muss erst wieder die richtige Rolle kommen.“ Ihre Augen strahlen und ihre Wangen färben sich aufgeregt rot, als sie gesteht, dass es da schon eine Figur gibt, die sie unbedingt spielen möchte und in die sie sich sicher so richtig einleben könnte.

 

Captain Jack Sparrow

„Ich weiß gar nicht, wieso es unbedingt diese Rolle sein muss. Aber seit drei Monaten lässt mich dieser Gedanke nicht los.“ Und zugegeben, so wie Varina hier im Café sitzt, mit ihren braunen Schnürstiefeln, der engen beigen Hose und der Bluse mit den Rüschen am Kragen; Varina würde schon rein optisch eine erstklassige Piratenbraut abgeben. „Ja das wäre meine Wunschrolle. Ich sehe mich schon als Piratenbraut auf der Bühne umgeben von starken Männern. ´Fluch der Karibik´ als Theaterstück. Die Rolle der Keira Knightley, das wäre mein Traum“, meint sie lachend. Und mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu, dass eine Piratenbraut zwar derb ist, aber doch auch ein klein wenig eine Diva sein kann.

  Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

 

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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Fashionista

 

Die Schuhe stehen vor dem Schrank. Liebevoll drapiert auf einer Schachtel. Schwarz mit goldenen Nieten. Rund um die Schuhe auf Höhe des Fußbettes reiht sich eine Niete an die andere. Wie glänzende Stacheln. Das Licht der Kellerlampe spiegelt sich in ihnen. Auf der hinteren Seite der Schuhe prangt in goldenen Lettern: Marc Jacobs. Michaela strahlt, als sie einen der Schuhe aufhebt. Ein Aushängeschild ihrer Leidenschaft. Und doch wird sie die Schuhe wie so manches andere Teil ihrer Sammlung nicht tragen.

 

Marken, Marken, Marken 

Michaela Jovanovic sieht aus als wäre sie gerade einem Modemagazin entsprungen. Die blonden Haare zu leichten Wellen geföhnt, die Augen perfekt geschminkt. Um ihren Hals baumelt eine goldfarben Kette, an der die vielsagenden Buchstaben D&G prangen. Doch der Blick wandert unwillkürlich weg von der Wahlkufsteinerin hin zum raumhohen Schrank hinter ihr. Die weißen Türen stehen offen. Die einzelnen Regale im Inneren wirken wie kleine Schaufenster. Ein Laufsteg der Marken: Liebeskind, Marc Jacobs, Liu Jo, DKNY, Miu miu, Joop!. „Wenn dann muss es schon eine Markentasche sein“, kommt es von Michaela lachend. Allerdings ist es nicht eine Markentasche. Es sind über 70.

 

Gut bebrillt

Zwei Stockwerke höher. Tatort Schlafzimmer. Neben dem Bett steht eine weiße Kommode. Michaela zieht die oberste Schublade heraus. „Das ist meine absolute Lieblingsbrille“, sagt Michaela mit einem gezielten Griff. „Die Gläser sind schon zerkratzt, aber die würde ich nie hergeben.“ Dass in der Schublade noch 35 Sonnenbrillen namhafter Marken auf ihren Einsatz warten und in verschiedenen Schachteln weitere 45, überrascht nach der Taschensammlung im Keller fast nicht mehr. Auf die doch etwas hohe Anzahl angesprochen, kommt mit einem kecken Augenaufschlag die schlagfertige Antwort: „Männer sind Jäger und Frauen eben Sammler.“ Lachend fügt sie hinzu, dass ihr Mann sie ihr Hobby ausleben lässt. Eine Leidenschaft, die bei Taschen und Sonnenbrillen nicht aufhört. Gürtel und natürlich Schuhe zählen auch zu den begehrten Teilen. Und diese Leidenschaft verfolgt sie jede Nacht ins Bett.

 

Briefmarken gegen Handtasche

Michaela sitzt auf der gemütlichen weißen Couch im großzügigen Wohnraum. Die Beine elegant übereinander geschlagen. In dem Zeitungsständer gleich neben der Türe stecken zwei Ausgaben der „Vogue“. „Damit hat alles angefangen“, ist Michaela versucht, eine Erklärung zu finden. „Früher habe ich alle möglichen Modezeitschriften gelesen und gesammelt.“ Vor dreizehn Jahre, noch bevor ihre Tochter geboren wird, geht diese Zeitschriftenliebe in ihr Faible für Handtaschen & Co über. „Ich stöbere auf Pinterest und in den Geschäften nach den neuesten Trends. Andere sammeln Briefmarken, ich eben Taschen, Sonnenbrillen und Schuhe. Ich weiß schon, dass das in den Augen so mancher nicht normal ist. Kein Mensch braucht über 70 Taschen, aber für mich ist das normal.“ Genauso normal ist es für sie, dass sie manche der Schuhe oder Handtaschen noch nie getragen hat. Einer der Gründe ist Kufstein.

 

Kufsteiner Einheitsbrei

„Du bist schon ein seltenes Exemplar, wenn du auf High Heels mit Designerhandtasche durch Kufstein stöckelst“, erklärt Michaela während das Lachen aus ihrem Gesicht verschwindet. Das Ergebnis sind die einen oder anderen Blicke von Männern und auch Frauen. Recht ist ihr das nicht immer. „Es stört mich schon, wenn alle schauen, nur weil eine Frau High Heels trägt. Irgendwie fühlst du dich wie Freiwild und das will ich nicht. Ich trage diese Schuhe und die Taschen, weil sie schön sind. Wenn ich in einer fremden Stadt bin, sind mir die Blicke egal hier in Kufstein nicht, wo jeder jeden kennt.“ Wobei sie wo anders mit ihrem Look auch nicht so die Aufmerksamkeit erregt, wie sie hinzufügt. „In Kufstein siehst du auf den Straßen modemäßig einen Einheitsbrei. In München oder Salzburg ist das anders. Die Kufsteinerinnen wollen vermutlich nicht auffallen.“ Michaelas strahlende Augen blicken nachdenklich. Außer der Musik, die im Hintergrund läuft, ist nichts zu hören. Auch, wenn Michaela schöne Stücke liebt, sich gerne stylt, derart auffallen will sie nicht und so kommt es, dass so manches auffällige Stück noch nie das Licht der Öffentlichkeit gesehen hat. Und ein Teil, das sie sich schon lange wünscht, würde wohl ebenso nur im Kasten ihr Herz erfreuen.

 

 

 

„Du bist schon ein seltenes Exemplar,

wenn du auf High Heels mit Designerhandtasche

durch Kufstein stöckelst“

 

 

Abends im Bett

Es ist schon schade, dass man von vielen derart nach seiner Kleidung beurteilt wird. Manche wollen halt immer gleich aussehen. Ich will dagegen immer etwas Anderes und vor allem etwas Besonderes. Das gibt mir Sicherheit und Power.“ Durch ihr Outfit drückt Michaela ihre Gefühle aus. So kann es schon passieren, dass sie am Vormittag im Hippie-Stil und am Nachmittag ganz elegant unterwegs ist. „Ich ziehe mich schon zwei-, dreimal am Tag um, aber das dauert nicht lange.“ Kein Wundern, denn geplant wird in der Nacht. Michaela weiß genau welche Stücke sie besitzt. „Vor dem Einschlafen überlege ich mir immer, was ich am nächsten Tag alles mache und was ich am Besten dabei anziehe.“ Alles muss zusammen passen, das ist ihr wichtig.

 

London Look

Die schwarzen Schuhen mit den extravaganten Nieten hat sie bisher nur einmal getragen und dabei wird es vermutlich auch bleiben. „Sie fallen schon extrem auf und dann habe ich, als ich sie das erste Mal getragen habe, auch noch eine der Nieten verloren. Ich mag diese Schuhe einfach irrsinnig gerne. Da ziehe ich sie lieber nicht mehr an, damit sie nicht kaputt gehen.“ Besondere Teile zu besitzen, das allein macht Michaela schon glücklich.

 

Mode und Menschen, die durch ihren Look auffallen, haben Michaela schon immer fasziniert. Zum ersten Mal so richtig bewusst wird ihr das aber erst in London. In Englands Hauptstadt zieht es sie für eine Weiterbildung nach ihrer Friseurlehre. Nur zwei Wochen ist sie dort, doch diese Zeit prägt sie. Die Menschen, ihr ganz eigener, offener Look, die Vielfalt auf den Strassen - Eindrücke, die sich Michaela tief einprägen. „Vielleicht liegt dort in London der Ursprung für meine Leidenschaft. Na ja oder“, setzt Michaela zum nächsten Satz an, um wieder abzubrechen. Nachdenklich fügt sie an, dass der Grund auch in ihrer Schulzeit zu finden sein könnte. Denn damals hat die dreifache Mutter nur Blau gesehen.

 

Blau als Lösung

Michaela wird 1976 im heutigen Kroatien geboren. Mit sechs Jahren kommt sie in die Schule und alles um sie herum wird Blau. „Wir hatten in der Schule Schuluniformen. Blaue Blusen bzw. Hemden. Alle die gleichen, jeden Tag. Vielleicht kommt daher meine Liebe zu einem besonderen Look, den nicht jeder hat“, sinniert Michaela, um hinzuzufügen, dass sie mit ihren Teilen aber keinesfalls angibt. „Die meisten in meinem Umfeld wissen gar nicht, dass ich so viele Handtaschen und Sonnenbrillen habe, weil mir das auch nicht wichtig ist.“ Lachend und amüsiert fügt sie noch hinzu, dass das aber keine Sucht ist. „Das ist eine Leidenschaft. Sucht ist für mich etwas anderes. Und ich vernachlässige meine Familie ja nicht, ich koche und putze wie jede andere Frau.“ Mit einem Blick auf ihre Schätze erzählt sie, dass es schon noch etwas gäbe, das sie gerne hätte. Eine zeitlose Chaneltasche. „Das wäre es. Aber da habe ich schon wieder Bedenken, dass ich damit in Kufstein auffalle und manche neidisch sind.“

   Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

 

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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Burgfräulein

 

 

Irgendwie erinnert die Geschichte von Sandra Holzer an Aschenputtel. Nur, dass es nicht ein gläserner Pantoffel ist, den sie verliert und der verlorene Schuh nicht einen Traumprinzen, dafür aber eine ungeahnte Leidenschaft in ihr Leben bringt.

 

 

 

In der Ferne sind Dudelsäcke zu hören. Der Regen prasselt seit Stunden rhythmisch auf die Zeltplane. Es riecht nach Feuer. Zwei Ritter stapfen an ihr vorbei. Schemenhaft hebt sich hinter der Wiese die Burg ab. Der Duft von gegrillten Maiskolben lockt sie an. Das kostbare Kleid des Burgfräuleins vor ihr ist bis zu den Knien mit Schlamm bespritzt. Mit jedem Schritt bahnt sich mehr Wasser den Weg in ihre Schuhe. Doch der Klang der Dudelsäcke treibt sie weiter. Hinein in die braune Brühe.

 

Virus Mittelalterrock

„Ich hätte mir nie gedacht, dass mich das so fasziniert. Noch dazu, weil ich den Fasching überhaupt nicht mag.“ Sandras Augen glänzen. Strahlend erzählt sie von ihren Anfängen vor fünf Jahren. „Ich habe von dem Mittelalterfest in Telfs gelesen und da stand etwas von einer Band, die Mittelalterrock spielt.“ Die Langkampfnerin, die immer schon auf deutschsprachigen Rock geschworen hat, sucht im Internet nach der Band und hört ihr erstes Mittelalterrocklied. „Ebenbild“. „Ich war sofort begeistert.“ Infiziert vom Mittelalterrockvirus besucht sie in den kommenden Monaten Konzerte der Gruppe, um dann von ihrem Auftritt bei MPS in Bad Eibling zu erfahren. MPS steht für Mittelalterliches Phantasie Spektakel. Ein reisendes Mittelalterfestival. Von April bis Oktober gastiert das Festival jedes Wochenende an einem anderen Ort in Deutschland. „Ich bin nur wegen der Gruppe hin, ohne die geringste Ahnung was mich dort erwartet. Wobei, ich hätte es sowieso niemanden geglaubt.“

 

Aschenputtel im Schlamm

Der Wind hebt den Schottenrock gefährlich weit nach oben. Der Klang der Dudelsäcke wird lauter. Drachenblut steht in großen Lettern auf dem Schild neben ihr. Ihre Augen wandern über die bunte Schar an Gauklern. Der nasse Jeansstoff klebt an ihren Beinen. Sie macht den nächsten Schritt. Bleibt stecken. Der Schlamm quillt über ihren Knöchel. Die Ritter rund um sie drängen weiter. Immer weiter sinkt sie ein. Mit einem Ruck versucht sie sich zu befreien. Die zähe Masse spritz nach oben. Gibt ihren Fuß frei. Nur ihren Fuß. Irgendwo in der braunen, kalten Brühe aus Regenwasser und Erde steckt ihr Schuh. Und in dem Moment weiß sie, das ist ihr Leben.

 

 

„Sobald ich mich mittelalterlich

gewande, fühle ich mich

in diese Zeit zurückversetzt.“

 

Jeans aus, Mieder an

Bei ihrem ersten Event im September 2012 ist Sandra noch mit Jeans, Turnschuhen und Shirt unterwegs. Sie ist der Exot unter Rittern, Burgfräulein, Prinzessinnen, Elfen, Orks und Piraten. Auf den Festivals sind mehr als 80 Prozent gewandet, wie es Sandra ausdrückt. „Jeder kann hier seinen Spleen ausleben. Der normale Alltag ist für viele sicher mehr Schauspiel als ein Mittelalterfestival.“ Auch für Sandra, die sonst nur Hosen trägt und sich im Fasching nie verkleiden würde, gehört ihr mittelalterlicher Look inzwischen dazu. Sie liebt ihre Mieder, trotz der Begleiterscheinungen. Und vor allem weil jedes Mal das Gleiche passiert, wenn sie eines ihrer Mieder anlegt.

 

Verrückte Vögel

Fackeln leuchten den Weg von einer Bühne zur nächsten. Feuerschalen werfen mit ihrem flackernden Licht Schatten in die Nacht. Wer müde ist, legt sich in einen der Heuhaufen und genießt das bunte Treiben. Worin die Faszination für das Mittelalter und diese Feste besteht, ist für Sandra kaum zu beschreiben. „Es ist einfach alles. Diese kitschige, romantische Atmosphäre. Dieses ganz eigene Gefühl des Zusammengenhörens.“ Es ist jedes Mal ein kleiner Ausstieg aus dem Alltag für Sandra. Dass Bekannte und Freunde sie für leicht verrückt halten, stört sie nicht. „Ich habe damit kein Problem und ganz ehrlich, die Leute, die ich auf den Festivals kennenlerne, haben schon einen kleinen, liebenswerten Vogel, aber gerade das mag ich.“ Genauso wie sie das Drachenblut liebt.

 

Nonnentröster oder Furzbrot

Der Geruch nach kulinarischen Köstlichkeiten mit ihren besonderen Namen gehört bei den mittelalterlichen Spektakeln dazu wie die Schwertkämpfe. Gegrillte Maiskolben werden zu Nonnentröstern, das Furzbrot macht seinem Namen alle Ehre. Getrunken wird bevorzugt Met in allen möglichen Geschmacksrichtungen und so wie es sich für das Mittelalter gehört aus Hörnern. Sandras Lieblingsgetränk, Drachenblut, ein Kirschmet.

 

 

„Die Wintermonate sind für mich

richtig schlimm, weil in dieser Zeit

keine Festivals stattfinden. Da bin ich direkt auf Entzug.“

 

Mieder und Gugle

Der lange Rock schwingt bei jedem Schritt. Die Schnürung der schwarzen Stiefel wird sichtbar. Die trompetenförmigen Ärmel der weißen Bluse schützen kaum vor Kälte. Sie streift die Gugle über den Schultern glatt, legt den Stoff über ihren Kopf. Unsanft drücken die Stäbe des Mieders. Sandra ist im Mittelalter angekommen. „Mit dem Atmen ist das so eine Sache, aber das Mieder muss eng sitzen, es sollen ja auch bestimmte Stellen damit betont werden.“ Da ist es wieder dieses begeisterte Glitzern in Sandras Augen. Mit Mieder selbst Autofahren ist nicht das wahre. „Aber das nehme ich gerne in kauf. Diese Wochenende sind nicht so häufig und wenn du dabei bist, willst du dich richtig hinein fühlen in dieses Leben.“ Und eines passiert spätestens beim Anlegen des Mieders. „Und du fühlst dich anders. Allein durch die aufrechte Haltung, die du durch das Mieder automatisch bekommst, bist du präsenter. Mit einem sehnsüchtigen Blick holt Sandra ihr Handy aus der Tasche. In bunten Farben scheinen Countdowns auf. Die Zeiten bis zu den kommenden Mittelalterspektakeln. Ganz oben steht die Festung Kufstein. Das Eröffnungsfest ihrer heurigen Mittelaltersaison. Und dort bekommt sie endlich wieder ihren Barbarenspieß, den es nur auf der Festung gibt, dann, wenn die weiten Röcke schwingen und Dudelsäcke dem Mittelalterrock seine eigene Note geben. 

 Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

 

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

 

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
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Der geheime Kufsteiner Olympiasieger

 

 

 

Josef Feistmantl, der Optiker der einst Gold nach Österreich brachte

 

Josef Feistmantl ist gerade einmal 24 Jahre alt, als er 1964 in Innsbruck Olympiasieger im Doppelsitzer-Rodeln wird. Es war ein Rennen unter äußerst kuriosen Bedingungen. Doch nicht nur diese Fahrt, sondern auch der eigentliche Höhepunkt seiner Sportlerkarriere verlief alles andere als geplant. Ein Blick in eine gefährliche Vergangenheit.

 

 

Die Kaffeekanne

 

Der alte Bauernkasten spiegelt sich in der silbernen Kaffeekanne. Samt dem restlichen Service steht die Kanne mitten auf dem großen Tisch gegenüber der Eingangstüre. Schön anzusehen für den unwissenden Besucher, für Josef Feistmantl ein bittersüßer Blick in seine gefährliche Vergangenheit.  

 

Zwei Kufen und vier Brüder

Josef Feistmantl sitzt entspannt im Wohnzimmer. Vor ihm ein Blatt Papier, dicht beschrieben. Jede Zeile ein Erfolg. Seine sportliche Vergangenheit aufgelistet in Form seiner Titel und Platzierungen. Mit einem leicht verlegenen Lachen fängt er an zu erzählen. Wild waren sie, er und seine drei Brüder. Und sobald der erste Schnee fiel, war keiner von ihnen zu halten. Jeden Tag ging es zu der Straße, die direkt an ihrem Haus in Absam vorbeiführte. Die Straße zog sich aus dem Halltal heraus und war kaum von Autos befahren. Dafür nahmen sie die Jungs der Familie Feistmantl mit ihren Rodeln in beschlag. Was damals niemand ahnte, waren die Folgen, die diese Rodelnachmittage mit sich bringen sollten.

 

Tod fuhr mit“

Josef Feistmantl beginnt in seinem Album zu blättern. Gedankenverloren liest er die Überschriften der Zeitungsausschnitte. „Todessturz bei Rodel-WM“ „Tod fuhr mit“ „Tödlicher Unfall“. Ja, es war ein gefährliches Abenteuer, auf das er sich mit gerade einmal 14 Jahren einließ. Nur so zum Spaß geht er mit seinen Brüdern zum Rodelverein, doch er hat Talent und fährt schon bald von Erfolg zu Erfolg. „Wäre ich nicht sofort erfolgreich gewesen, hätte ich sicher nicht weiter gemacht, denn das Rodeln war immer nur ein Hobby von mir. Verdient habe ich damit nichts.“ Nicht einmal damals als er 1964 in Innsbruck Olympiasieger im Doppelsitzer Rodeln wird. Die glänzende Kaffeekanne ist der leicht sarkastische Beweis.

 

Gold in der Einsamkeit

Es ist ruhig. Nur dieses ganz eigene Geräusch, das die Kufen der Rennrodeln erzeugen, durchbricht die Stille den frühen Morgen. Sieben Uhr früh. Und während Innsbruck langsam erwacht, rast bei den Rodlern das Adrenalin durch den Körper und sie selbst die Olympiaabfahrt hinunter. „Es war vom Gefühl her wohl das ungewöhnlichste Rennen meiner Karriere.“ Eine Olympiade ohne Zuseher. Schuld an allem war der fehlende Schnee. 1964 zeigte sich der Winter von seiner milden Seite, vor allem für die Rodler eine Tragödie. Während bei den Einzelbewerben die Bahn noch befahrbar ist, schmilzt das Eis der Bahn bei dem geplanten Doppelsitzerrennen. Die Stimmung ist angespannt, keiner der Rodler glaubt mehr daran, dass das Rennen noch stattfindet. Bis sie geweckt werden. Es ist drei Uhr früh. Die Verantwortlichen haben sich für eine ungewöhnliche Lösung entschieden, um der Wärme des Tages zu entkommen. „Wenn du um drei Uhr früh geweckt wirst mit den Worten, ´das Rennen findest statt und zwar jetzt´. Bist du sofort von Null auf Hundert. Uns war alles egal, wir wollten nur fahren.“ Noch im Dunkeln findet ein Trainingslauf statt. Nur die Presse, die Trainer und ein paar Angehörige sind informiert. Um acht Uhr sind die zwei Renndurchläufe bereits vorbei und Manfred Stengl und Josef Feistmantl sind Olympiasieger im Doppelsitzer. Ohne den Jubel der Menge, ohne Zuseher. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass Josef Feistmantl wie er selbst sagt, es gar nicht richtig bemerkt, dass sie Gold errodelt haben. „Erst als ich bei der Siegerehrung am Abend auf dem Podest stand hatte ich das Gefühl ´jetzt hast du etwas Besonderes gewonnen.´“ Josef Feistmantl wird auf alle möglichen Festlichkeiten eingeladen. „Mehr war da nicht“, fügt er auch heute noch sichtlich enttäuscht hinzu. Der Sieg bei der Olympiade war sein größer sportlicher Erfolg, doch der Höhepunkt seiner sportlichen Karriere sollte erst nach dem Ende seiner aktiven Zeit kommen. Ein Höhepunkt umrahmt von weißen Mäusen.  

 

Tausche Grundstück gegen Kaffeekanne

In der Ecke des Wohnzimmers hängen in goldfarbenen Rahmen einige Bilder. In dem kleinsten der Rahmen ist eine Briefmarke zu sehen. „Mein Sohn hat die Marke in Frankreich entdeckt. Er hat in einem Markenalbum geblättert und dann auf einmal gesagt, das ist ja mein Papa.“ Eine Briefmarke von der Olympiade 1964. Auf blauem Hintergrund ist ein Rennrodler zu sehen. „Das war schon ein interessantes Gefühl, zu erfahren, dass ich auf einer Briefmarke bin.“ Eine wie er sagt seltene Ehre, denn „ansonsten sind wir Rodler immer übergangen worden.“ So wie damals, nach der Olympiade als eine Schallplatte mit Interviews der Sportler erschien. „Ganz groß stand darauf ein Interview mit den Olympiasiegern Manfred Stengl und Josef Feistmantl. Ich habe die Schallplatte rauf und runter gehört, aber kein Interview gefunden. Da war nichts. Vor lauter Zorn habe ich die Platte schließlich zertrümmert.“ Josef Feistmantl lacht, doch in seinem Blick liegt Wehmut, so wie beim Blick auf das silberne Service. „Es sollte eigentlich ein Grundstück sein“, kommt es ganz unvermittelt. „Nach der Olympiade hat der damalige Bürgermeister mir zur Ehrung für meinen Sieg ein Grundstück in meiner Heimatgemeinde versprochen. Geworden sind daraus die silberne Kaffee- und Teekanne samt Zuckerdose und Milchkännchen. Das war damals schon enttäuschend für mich.“ Und während er diesen Satz sagt, ist unverkennbar, dass es ihn auch heute noch berührt. „Haben Sie schon jemals etwas von einem Olympiasieger, der in Kufstein lebt gehört? Wir Rodler sind irgendwie untergegangen. Und leben konntest du damals vom Rodeln auch nicht. Das Geld für das Rodeln habe ich im Sommer beim Fußballspielen verdient. Ich war Spieler beim SV Hall und FC Wattens.“ Dass er durch das Rodeln nichts verdient, ist letztlich auch der Grund dafür, dass er mit der Olympiade in Sapporo 1972 seine Rennkarriere beendet. Der Wahlkufsteiner begleitet in den nächsten Jahren die Rodler als Berater und widmet er sich seiner beruflichen Karriere. Er eröffnet zwei Optikergeschäfte in Wien und Kufstein und dann kam dieser Anruf.

 

Tausche Grundstück gegen Kaffeekanne

In der Ecke des Wohnzimmers hängen in goldfarbenen Rahmen einige Bilder. In dem kleinsten der Rahmen ist eine Briefmarke zu sehen. „Mein Sohn hat die Marke in Frankreich entdeckt. Er hat in einem Markenalbum geblättert und dann auf einmal gesagt, das ist ja mein Papa.“ Eine Briefmarke von der Olympiade 1964. Auf blauem Hintergrund ist ein Rennrodler zu sehen. „Das war schon ein interessantes Gefühl, zu erfahren, dass ich auf einer Briefmarke bin.“ Eine wie er sagt seltene Ehre, denn „ansonsten sind wir Rodler immer übergangen worden.“ So wie damals, nach der Olympiade als eine Schallplatte mit Interviews der Sportler erschien. „Ganz groß stand darauf ein Interview mit den Olympiasiegern Manfred Stengl und Josef Feistmantl. Ich habe die Schallplatte rauf und runter gehört, aber kein Interview gefunden. Da war nichts. Vor lauter Zorn habe ich die Platte schließlich zertrümmert.“ Josef Feistmantl lacht, doch in seinem Blick liegt Wehmut, so wie beim Blick auf das silberne Service. „Es sollte eigentlich ein Grundstück sein“, kommt es ganz unvermittelt. „Nach der Olympiade hat der damalige Bürgermeister mir zur Ehrung für meinen Sieg ein Grundstück in meiner Heimatgemeinde versprochen. Geworden sind daraus die silberne Kaffee- und Teekanne samt Zuckerdose und Milchkännchen. Das war damals schon enttäuschend für mich.“ Und während er diesen Satz sagt, ist unverkennbar, dass es ihn auch heute noch berührt. „Haben Sie schon jemals etwas von einem Olympiasieger, der in Kufstein lebt gehört? Wir Rodler sind irgendwie untergegangen. Und leben konntest du damals vom Rodeln auch nicht. Das Geld für das Rodeln habe ich im Sommer beim Fußballspielen verdient. Ich war Spieler beim SV Hall und FC Wattens.“ Dass er durch das Rodeln nichts verdient, ist letztlich auch der Grund dafür, dass er mit der Olympiade in Sapporo 1972 seine Rennkarriere beendet. Der Wahlkufsteiner begleitet in den nächsten Jahren die Rodler als Berater und widmet er sich seiner beruflichen Karriere. Er eröffnet zwei Optikergeschäfte in Wien und Kufstein und dann kam dieser Anruf.

 

Weiße Mäuse und 175 Stufen

„Die Entzündung des Feuers wurde nie geprobt. Sie haben mir nur gesagt, ich werde mit dem Auto hingebracht und muss dann nur noch mit der Fackel die Stufen nach oben gehen und das Feuer entzünden.“ Aber die silberfarbene olympische Fackel, die er verwenden soll, will einfach nicht brennen. Josef Feistmantl nimmt darauf hin die Pechfackel mit der das Feuer 1964 entzündet wurde. Doch der Regie rennt die Zeit davon. Er bekommt die Anweisung zu rennen. 175 Stufen. „Ich bin viel zu schnell gestartet und so ist mir bald die Luft ausgegangen. Das einzige, was ich noch gedacht habe war, ich muss da rauf. Als ich oben war, habe ich weiße Mäuse gesehen. Viel mitbekommen habe ich von der ganzen Atmosphäre nicht.“ Josef Feistmantl lacht über das ganze Gesicht. Behutsam legt er die Fackel, die nicht brennen wollte, zurück in die Wiege. Langsam steigt er die Stufen vom Keller wieder nach oben. Die Sonne scheint durch die Fenster und bringt die Kaffeekanne auf dem Tisch noch mehr zum Glänzen.

 

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Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

 

 

 

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Die Fitness-Friedl

 

 

Die Frau, die mit 91 Jahren das Fitnessstudio rockt

 

Der Schnee knirscht unter Friedls Füßen. Ihre lilafarbene Winterjacke ist der einzige farbige Lichtpunkt im Morgengrauen. Die Straßenlaternen bekommen langsam Konkurrenz von den Lichtern der Häuser. Kufstein beginnt zu erwachen. Frühstückszeit. Nur nicht für Friedl. Sie hat nur ein Ziel. Ein eisiger Wind bläst, doch das bemerkt sie nicht, viel zu groß ist die Vorfreude auf die nächsten zwei Stunden. Sie schwingt sich auf ihr Fahrrad und radelt trotz Winterwetter los. Das Rad ist ihre heimliche Liebe. Ohne ihr Fahrrad geht gar nichts Sommer wie Winter. Es gehört zu ihrem Leben dazu wie das Fitnessstudio; viermal die Woche. Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag. Nur an ihrem Geburtstag war sie nicht. An ihrem 91. Geburtstag vor zwei Monaten.

 

Sehnsucht Berg

Friedl sitzt auf der kleinen Couch im Fitnessstudio. Auf ihrem schwarzen T-Shirt prangt in dezentem Beige „Life is outside“. Wer die 91jährige Kufsteinerin kennt, weiß, dass es keine passendere Aussage für sie und ihr Leben geben könnte. Ihr Leben fand schon immer draußen statt. In der Nähe von Magdeburg geboren, trägt sie seit sie zurückdenken kann, diese unbändige Sehnsucht nach den Bergen in sich. Und genau diese Sehnsucht wird zu ihrem Lebensinhalt und zu ihrem Schicksal.

 

Die Preußin und der Kufsteiner

Als der Krieg ausbricht, landet Friedls Vater in Innsbruck. Für Friedl, die schon immer die Berge sehen wollte ein eindeutiges Zeichen. Sie macht sich auf den Weg zu ihrem Vater. Es sollte nur ein Besuch werden, doch es wird Liebe auf den ersten Blick. Aber es ist nicht nur die Bergwelt, die ihr Herz erobert, es ist vor allem ein Kufsteiner. „Die Preußin und der Kufsteiner“, Friedl lacht amüsiert. „Die Eltern meines Mannes hatten eigentlich vor ihn mit einer Bauerstochter zu verheiraten, aber da haben wir ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

 

Mit den Gämsen

Sie haben nicht viel, aber eine große gemeinsame Leidenschaft, ihre Berge, allen voran den Kaiser. „Ich kenne den Kaiser in- und auswendig. Mein Mann war ein richtiger Bergfex.“ Wanderwege sieht die rüstige Lady allerdings selten. Ihr Mann geht nicht auf den üblichen Wegen. „Wir waren immer abseits der Wanderrouten unterwegs, immer querfeldein.“ Friedl ist überzeugt, dass diese ständige Bewegung das Geheimnis ihrer Gesundheit ist, „neben meinem ganz speziellen Frühstück“, kommt es mit einem Augenzwinkern.  

 

Alles auf Neu mit 70

Von der Couch aus sind die Laufbänder zu sehen. Auf die schwingt sich Friedl immer als erstes. Ganze 30 Minuten. „Ich laufe nicht gerade, aber ich gehe mein Tempo und das bewusst.“ Bewusst ist vielleicht auch das Zauberwort in ihrem Leben. Das Zauberwort für ihre Fitness. „Was ich mache, mache ich mit Konsequenz und ich bin voll dabei.“ So geht sie bis sie 70 wird zum Aerobiktraining. Und dann kam der 1. Dezember 1995 und Friedl trifft zum 2. Mal die Liebe auf den ersten Blick.

 

Altes Ehepaar

„Ich bin schon 70.“ Mit diesem Satz hat damals vor über 20 Jahren alles begonnen. „Ich kann mich noch genau daran erinnern. Und ganz ehrlich ich habe mich schon etwas geschämt, als ich da vor dem Werner gestanden bin.“ Doch für „ihren“ Werner, wie sie ihn liebevoll nennt, ist ihr Alter nicht im entferntesten ein Hinderungsgrund für ein Training und schon bald gehört Friedl zur eingeschworenen Morgentruppe. Das Trainieren im Fitnessstudio wird zu ihrer neuen großen Leidenschaft. Wobei sie damals eigentlich nur mit einem Bekannten mitgekommen ist, der eine Gratisstunde hatte und nicht alleine gehen wollte. Friedl lacht immer noch wie ein kleines Mädchen über ihre Anfänge und vor allem darüber wie sie sich damals geschämt hat. „Ich habe mir gedacht mit 70 kann man nicht mehr in ein Fitnessstudio gehen und jetzt bin ich 91 und gehe immer noch.“ Als ihr Werner einen Kaffee serviert, meint sie zu ihm nur: „Inzwischen sind wir wie ein altes Ehepaar.“ Werner lacht amüsiert, er kennt seine Friedl. Sie ist das Vorbild für viele Junge hier herinnen. „Ich selbst sehe mich nicht als Vorbild, aber es tut gut, wenn das jemand von mir sagt.“

 

Der Krautinger

Mit einem „probier einmal, die sind so etwas von lecker.“ Stellt Werner einen Obstteller neben den Kaffee und deutet auf die aufgeschnittene Birne. Friedl verdreht nur die Augen und lässt ein gespielt verächtliches Schnaufen hören. „Du immer mit deinem gesunden Kram.“ „Ja, ja und du mit deinem Krautinger“, kommt es gespielt entrüstet zurück. Werner kennt Friedls Schwäche für den speziellen Schnaps und hat immer eine Flasche im Studio. „Friedl ist wirklich die einzige, die den ab und zu trinkt.“ Und da ist es wieder zu hören, dieses junge Lachen, das die 91jährige um so viel jünger erscheinen lässt. „Der Krautinger ist kein Schnaps, sondern vielmehr eine Medizin“, setzt sie nach. „Dieses extrem gesundheitsbewusste Leben ist nicht das wahre. Ich habe mein eigenes Geheimrezept für meine Fitness.“

 

Einmal Harley

Mit einem „ich muss dir etwas zeigen“ springt Friedl plötzlich auf und verschwindet in Richtung Umkleideraum. Kurz darauf kommt sie mit einem kleinen weißen Umschlag retour. Vorsichtig öffnet sie ihn und holt mit einem Strahlen im Gesicht den Inhalt heraus. Ein Foto. Ihr Traum, der Wirklichkeit geworden ist. Es war im vergangen Sommer als sie der neue Nachbar ihrer Tochter zur Tour auf seiner Harley einlädt. „Das war so etwas von toll. Er hat die Musik aufgedreht und wir sind losgefahren. Wie zwei 18jährige. Das hat mir so gut getan und ich bin mächtig stolz auf mich.“ Und dann kommt der verschmitzte Nachsatz. „Nur meine Beine sind etwas zu kurz zum Harley fahren.“ Dieses Ausprobieren von Neuem hält sie Jung, lässt sie ihr Alter vergessen. Auch hier im Studio. Wird ein neues Gerät aufgestellt, ist sie meist eine der ersten, die es ausprobieren möchte.

 

 

"Viele sind neidisch, wenn sie sehen wie fit

ich mit 91 Jahren bin, aber man muss etwas tun, um so fit zu sein.

Zu Hause sitzen und zum Arzt laufen, bringt nichts."

 

 

Das geheime Frühstück

Auf die Frage, was denn jetzt ihr ganz spezielles Frühstück ist, das sie so fit hält, wandert ihr Blick in Richtung Werner, der nur lachend den Kopf schüttelt. „Ich verrate dir mein Geheimnis“, meint sie im Flüsterton, während ihr der Schalk aus den Augen blitzt. „Wenn ich in der Früh aufstehe, dann nehme ich jeden Tag einen Schluck Schwedenbitter. Direkt aus der Flasche. Und dann geht’s zum Training. Das ist meine Medizin.“ Ansonsten isst die Wahlkufsteinerin wenig. Ihr Magen ist, wie sie sagt, so eingestellt, dass er erst um halb zehn nach dem Training Hunger bekommt. Radieschen, Tomaten, Marmelade alles querdurch kommt dann auf ihren Teller; Hauptsache süß und sauer und irgendein Gemüse. „Da will ich dann meine Ruhe haben und nicht gestört werden.“ Das Mittagessen fällt dafür aus. „Aber was ich mir nicht nehmen lasse sind mein Schnaps und mein Likör.“ Letzteren macht sie selbst und nimmt immer wieder einmal eine Kostprobe mit ins Studio. Sehr zur Freude mancher Studiobesucher.

 

Ein echter Steinbock

„Ansonsten gibt es bei mir keinen Schnick Schnack. Nur in die Sauna gehe ich einmal in der Woche, das gönne ich mir.“ Auf jeden Fall ist sie sich sicher, dass man etwas tun muss, um fit zu bleiben. „Die anderen sind immer neidisch, weil es mir so gut geht, aber sie sitzen einfach nur bequem zu Hause rum.“ Aber genau das ist es, was Friedl gar nicht kann. Einen Kinofilm lang stillsitzen, ist für sie eine Qual. Da schwingt sie sich lieber auf ihr Rad. „Ich brauche niemanden. Ich bin eben ein echter Steinbock.“ Sobald der Schnee weg ist, fährt sie nach Niederndorf oder auch nach Kiefersfelden zum Baggersee. Und ab einer Wassertemperatur von 14 Grad hat, geht sie auch immer wieder einmal schwimmen.

 

Bloß nicht nach Hause

Es ist zehn Uhr. „Eigentlich wollte ich ja jetzt noch etwas trainieren, aber das Studio hat ja heute erst ab Mittag offen.“ Zügig steigt sie die Treppen des Fitnesstudios hinunter. Mit einem „bis bald“ verabschiedet sie sich mädchenhaft und geht in Richtung Innenstadt. Ein wenig flanieren ist angesagt, nach Hause geht sie so schnell nicht. Nach ein paar Metern dreht sie sich noch einmal um und winkt. „Die werden alle schauen, wenn ich in der Kufsteinerin bin“, ruft sie fröhlich lachend und verschwindet um die Ecke.  

 

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Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

 

 

 

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Ein Skistock als Ratgeber

 

 

 

25 Jahre nach ihrem einzigen WM-Erfolg blickt Ex-Skirennläuferin Ingrid Salvenmoser zurück

 

 

Als der Skistecken fliegt, spürt sie, dass es vorbei ist. Es ist der 20. Jänner 2001. Ein perfekter Tag. Europacuprennen in Elbigen Alp. Slalomspezialistin Ingrid Salvenmoser hat sich allein auf die Saison vorbereitet, zum 2. Mal in ihrer Karriere. Doch dieses Mal ist alles anders.

 

 

 

Geradeaus

Ingrid Salvenmoser wird geboren, als der Lift in Scheffau errichtet wird. Gerade einmal drei Minuten braucht sie zu Fuß zum Skigebiet. In jeder freien Minute ist sie am Berg mit ihren Skiern unterwegs. Ihr Onkel ist Trainer beim Skiklub. Dass sie Mitglied beim Skiklub wird, ist damit „irgendwie selbstverständlich“. Mit gerade einmal elf Jahren kommt sie in den Tiroler Landesverband, fährt im Tiroler Landeskader. Fünf Jahre später wechselt sie zum ÖSV. Doch so geradlinig wie ihr Weg zum ÖSV war, so uneben werden ihre kommenden siebzehn Jahre.

 

Einmal Bronze und nie wieder

Auf der Homepage ihrer Skischule steht zu ihren Qualifikationen: mehrfache Weltmeisterschafts- und Olympiateilnehmerin. Teilnehmerin. Ein Wort, das ihre 17jährige ÖSV-Karriere prägt. Sie wird Österreichische Staatsmeisterin im Riesenslalom, beginnt Slalom zu fahren und etabliert sich als Slalomspezialistin. Erste Erfolge zeichnen sich ab. Dann kommt die WM in Saalbach- Hinterglemm. „Diese WM war ein großes Ziel von mir. Der Hang war perfekt, das Wetter grandios und irgendwie war mir vorher schon klar, dass ich es auf das Podest schaffe.“ Ingrid Salvenmoser fährt auf den 3. Platz; ihre erste und einzige WM-Medaille. „Damals habe ich gedacht jetzt geht es nach ganz oben.“ Doch mit Beginn der nächsten Saison steht ihre Welt plötzlich Kopf.

 

" Ich habe viel mitgenommen aus meiner Zeit als Rennläuferin. Die 17 Jahre haben mein Leben geprägt."

 

 

17 Jahre Motivation

Durch das Fenster fällt das Sonnenlicht. Auf der Piste neben der Schischule liegt frischer Schnee. Perfekte Bedingungen zum Skifahren. Doch einfach so raus auf die Piste und ein wenig Genussskifahren, das lässt Ingrids Kopf kaum zu, wie sie schmunzelnd erzählt. „Diese Entspannung habe ich nicht, dass ich sage ich gehe Ski fahren, weil der Schnee und das Wetter perfekt sind. Da fehlt mir das Ziel.“ Ziele sind ihr Antrieb, der Treibstoff für ihre Motivation. Auch dafür, dass sie 17 Jahre ohne Sieg im Alpinen Weltcup durchhält. „Wenn du nicht ganz vorne bist, hast du immer noch ein Ziel vor Augen. Der 1. Platz war ja immer in Reichweite.“ Ingrid ist vorne mit dabei, nur nie ganz vorne. Sie trainiert viel. Denkt, dass jetzt die Resultate stabiler im vorderen Feld sein werden. Doch im Dezember, kurz vor Beginn der folgenden Saison, kommt Ingrid Salvenmosers Trainer bei einem Autounfall ums Leben. 

 

Tief, tiefer, aus

„Plötzlich waren einige Mosaiksteinchen durcheinandergewirbelt, die passen sollten, um zu gewinnen.“ Drei Jahre nach ihrer Bronzemedaille ist sie draußen. 1994 wird zu ihrem Tiefpunkt. „Das Material war neu und ungewohnt. Meine Vorbereitung war nicht sehr gut. Ich war nach der Saison plötzlich aus den besten dreißig gerutscht. Der Rausschmiss aus dem Team hätte bei vielen vermutlich zu Selbstzweifeln geführt, für Ingrid ist es einfach nur ein momentaner Zustand. „Ich habe mir immer gedacht, warum soll ich es nicht wieder zurück ins Team schaffen.“ Sie fährt im Sommer nach Neuseeland, um sich auf eigene Faust vorzubereiten. „Ich hatte ein klares Ziel, das hat mich motiviert.“ Und sie kommt zurück. Im Herbst wird sie wieder in das Team aufgenommen. Fährt wieder vorne mit, bis sich am 20. Jänner 2001 von einer Sekunde auf die andere ihr Leben komplett ändert.

 

 

 

Wenn ein Skistecken über dein Leben entscheidet

Ingrids Stimme ist plötzlich leiser. „Ich habe nicht gewusst, dass es an diesem Tag so weit ist.“ Sie macht eine Pause. „In dieser Saison wurde ich nicht mehr so oft für ein Rennen aufgestellt. Die psychologische Unterstützung der Trainer war irgendwie weg. Vielleicht waren sie einfach skeptisch, weil ich mich wieder selbst vorbereitet hatte.“ Sie startet beim Europacuprennen in Elbigen Alp. Beim 3. Tor passiert es, Ingrid Salvenmoser verliert ihren Skistecken. Mit einem großen Rückstand beendet sie den ersten Durchgang. Sie kämpft. Fährt Laufbestzeit im zweiten Durchgang. Und dann kommt dieser eine Satz von ihrem Trainer. „Das ist zu wenig.“ „Als der Trainer trotz meiner Bestzeit das zu mir sagte, wusste ich, dass ich nicht mehr dazu gehöre und der verlorene Skistecken das Zeichen war, das Ende nach 17 Jahren endgültig zu akzeptieren. Mir wurde klar, dass ich bei der WM in St. Anton nicht mehr mitfahren werde. Mein Ziel löste sich in Luft auf und damit meine Motivation.“ Von einer Sekunde auf die andere beendet sie ihre

Karriere. „Nachdem ich mich entschieden hatte, habe ich nicht mehr darüber nachgedacht.“ Und dafür war auch keine Zeit und kein Raum mehr, denn der Zufall und ein anderes Leben klopften an.

 

Hallo Bäuerin

Zwei Tage, nachdem Ingrid ihre Karriere beendet, unterschreibt sie gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten den Vorvertrag für den Kauf eines Bauernhauses. „Genau vier Tage vor meinem letzten Rennen haben wir zufällig diesen alten Hof oberhalb von Söll gesehen, der zum Verkauf stand. Mein Lebensgefährte hatte immer schon diesen Traum irgendwo oben zu wohnen. Und plötzlich war alles klar.“ Ingrid hat ein neues Ziel. In den kommenden elf Monaten renovieren sie den Hof. Anstelle im Fitnessstudio zu trainieren, schleppt sie Holz aus dem Wald. Dieser extreme Naturbezug erfüllt sie mit neuem Leben. Sie drückt die Schulbank, um die notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen, um den Hof kaufen zu können. Sie betreiben gemeinsam die Landwirtschaft, bis einmal mehr ein einziger Satz Ingrids Leben in neue Bahnen lenkt.

 

 

"Meine aktive Zeit ist lange her.

Ich denke nicht mehr daran. Das ist eingeordnet, aber jederzeit abrufbar, denn es war eine wundervolle Zeit."

 

Ski heil die zweite

Es ist im Frühjahr 2002 als Ingrids Vater ihr erzählt, dass die Gondelbahn in Scheffau und das Gebäude daneben neu gebaut werden. „Und plötzlich war da diese Idee von der Skischule. Ich ging einfach hin und fragte, ob denn Platz für eine Schischule wäre.“ Und es war Platz. „Wie es sich entwickelt, weiß vorher sowieso niemand. Für mich war klar, ich probiere es.“ Und wieder sind es ihre Ziele, die sie vorantreiben. 2003 eröffnet sie ihre Skischule neben der Talstation der Scheffauer Bergbahnen beim Waldhof. Im gleichen Jahr wird ihr Sohn geboren und dann ist da auch noch ihr Hof.

 

Der Sieg im Nachhinein

Dass alles funktioniert, hat Ingrid ihrer Rennfahrerzeit zu verdanken. Ihr Erfolgszutaten sind heute noch die gleichen wie damals: „Täglich sorgfältig die Hausaufgaben machen, auf das Ziel fokussiert bleiben und dann loslassen und Vertrauen haben. Viele Mosaiksteine müssen geduldig und richtig zusammen gefügt werden. Das ist es, was ich in meiner Zeit im Rennzirkus gelernt habe. Ohne Fleiß kein Preis.“ Ihren Hof hat Ingrid inzwischen vermietet, allerdings kümmert sie sich immer noch mit großer Leidenschaft persönlich darum. Bis zum vergangen Sommer standen noch unzählige Arbeiten an, heuer soll es endlich etwas ruhiger werden. Wobei sie lachend meint: „Ich habe schon wieder ein neues Ziel, abwarten was daraus wird.“

 

erschienen in: Kufsteinerin - das Magazin

Foto: VANMEY Photography

Text: Adriane Gamper

 

 

 

 

 

 

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Der sich durch´s Leben schnitzt

Stefan Käser, der Schnitzer vom Niederndorferberg

 

Wenn Stefan Käser in seine Werkstatt geht, vergisst er alles um sich herum. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Auch, wenn seine Eltern dagegen waren. Doch schon als kleiner Junge gab es für ihn nur eines: Schnitzen. Und um seine Werke möglichst echt zu gestalten, musste auch seine Schwester Opfer bringen.

 

 

Es riecht nach Holz. Als er aufsteht, fallen die Holzspäne von seinem blauen Schurz. Sie fallen auf den Boden, der schon längst von Spänen übersät ist. Über den halbhohen Kasten rechts von ihm ziehen Kühe gefolgt von einem Wildschwein. Die Wände sind über und über voll mit modernen und klassischen Christuskreuzen, Madonnenfiguren und Engeln. Gleich neben dem Eingang seilt sich ein Bergsteiger mit Tirolerhut von der Decke ab. Es ist wie ein Schritt in eine andere Welt, wenn man das Reich von Stefan Käser betritt. Vom hektischen Alltag in ein Land der Ruhe ganz aus Holz.

 

 

Der Bub und das Messer

Über 40 Schnitzeisen liegen fein säuberlich aufgereiht auf dem kleinen Tisch neben seinem Arbeitsplatz in der Mitte des Raumes. Stefan Käser legt das Schnitzeisen, mit dem er gerade einer Kuh den letzten Schliff verpasst hat, zu den anderen. Seine Werkstatt, seine Schnitzeisen, seine Kostbarkeiten um ihn herum, das alles ist sein wahr gewordener Traum. Der gelernte Holzbildhauer schnitzt seit er denken kann. „Schon als kleiner Bub war ich immer mit einem Messer unterwegs. Ich wollte einfach nur schnitzen.“ Und er war damals schon reich an Ideen, wenn es um seine Schnitzereien ging. Um seinen Werken das gewisse Etwas zu verleihen, hatte Stefan als Kind mitunter auch außergewöhnliche Einfälle. Für deren Umsetzung ging er wenn auch nicht über Leichen aber doch sehr weit.  

 

„Holz ist einfach etwas Warmes, etwas Heimeliges,

etwas Angenehmes, ein reines Naturprodukt. Damit zu

arbeiten erfüllt mich auch noch nach 45 Jahren.“

 

 

Ab in den Ofen

Etwas Anderes zu machen als zu schnitzen, wäre für Stefan in all den Jahren nie in Frage gekommen. „Als Kind habe ich einfach so vor mich hingeschnitzt. Das Handwerk habe ich dann mit 15 gelernt und jetzt werde ich 60 Jahre alt und schnitze immer noch. Ohne das Schnitzen könnte ich gar nicht leben.“ Er empfindet es als großes Glück, dass ihm damals sein Onkel einen Platz in der Schnitzschule in Elbigenalp besorgt hat, obwohl seine Eltern anfangs dagegen waren. Seinen Eltern wäre lieber gewesen, er hätte etwas „Richtiges“ gelernt. Doch es ist das Holz, das ihn schon von klein auf begeistert. „Dieses Gefühl ist wirklich einzigartig, wenn du aus einem Stück Holz, das sonst Brennholz wäre, einen Fuchs oder so schnitzen und davon auch noch leben kannst.“ Aber auch diese Zufriedenheit über ein fertiges Stück treibt ihn sein Leben lang an. Und mit einem Blick Richtung Kachelofen und einem Grinsen im Gesicht kommt spitzbübisch: „Im Zweifelsfall kannst du das Teil ja immer noch einheizen.“ Doch so weit kommt es selten, denn Stefan hat seine Methoden für das perfekte Ergebnis. Damit etwa seine Kühe auch wirklich nach Kuh ausschauen, besucht Stefan schon einmal seinen Nachbarn.

 

Der Bart der Schwester

Er lacht herzhaft auf die Frage hin, was er denn so geschnitzt hat als Kind. „Warte ich hole etwas. Ein Stück ist noch übrig geblieben, das muss irgendwo da sein.“ Mit den Worten verschwindet er im hinteren Teil seiner Werkstatt, um lachend zurückzukommen. Sichtlich stolz stellt er eine kleine Figur auf seinen Arbeitsplatz. Der kleine Kerl ist ganz schwarz. Seinen Schwanz streckt er elegant nach oben. Es sind die Barthaare, die auffallen. Stefans Gesicht überzieht ein Grinsen. Es ist offensichtlich, dass ihn seine Tat von damals heute noch amüsiert. „Ich war zwölf Jahre alt, als ich den geschnitzt habe, das weiß ich noch genau. Ich war schon stolz darauf und hatte meine genaue Vorstellung. Und für deren Umsetzung brauchte ich Barthaare, immerhin sollte er recht echt aussehen mein Seehund. Die Barthaare habe ich dann von meiner Schwester bekommen.“ Stefan hat ihr dafür einfach ein Büschel Haare abgeschnitten. „Obwohl sie sich wie wild gewehrt hat, aber mein Seehund brauchte einfach Barthaare.“

 

 

Ein Dreibein und Knetmasse

Auch heute achtet Stefan noch darauf, dass seine Schnitzwerke wie eine Miniatur des Originals aussehen. „Wenn du deinen Figuren Leben einhauchen willst, musst du genau hinschauen, nur dann werden sie wie das Original.“ Und deshalb begibt sich der Schnitzer mit Knetmasse und einem Dreibein bewaffnet immer wieder zum Nachbarn, der Bauer ist. „Da sitze ich dann direkt neben der Kuh und modelliere so vor mich hin, bis aus dem Klumpen Knete eine Kuh geworden ist. Wenn du das nicht machst, fehlt das gewisse Etwas.“ Wie zum Beweis greift Stefan unter seinen Tisch und holt ein Kalb aus Knetmasse hervor. Die Vorlage für das Holzkalb, das er gerade schnitzt und das bald zusammen mit anderen Kühen oben auf einem Kasten stehen wird. „Almfahrten nennt man das. Das ist bei uns in der Gegend Tradition sich Kühe auf den Kasten zu stellen. Eine Tradition, die immer noch sehr beliebt ist.“

Doch sein Plastelinmodell allein genügt noch lange nicht als Zutat für die perfekte Figur. Es ist die Liebe zum Holz und zu dem, was man daraus macht. Auch das ist entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg. „Wenn du dir denkst, diese blöden Kühe, die machen nur Dreck, dann kannst du sie auch nicht richtig schnitzen. Es ist eine Mischung aus Leidenschaft, Talent und Liebe, nur dann stimmt das Ergebnis.“

 

 

 

„Wenn ich schnitze bin ich wie in einer anderen Welt.

Vor allem am Anfang ist höchste Konzentration gefragt, da kann ich meine Gedanken nicht schweifen lassen.“

 

 

Ihr Krippen, oh kommet

Der Blick von Stefan wandert durch seine Werkstatt, um an dem Kalb vor ihm hängen zu bleiben. „Ja doch, am liebsten schnitze ich Tiere; Adler, Füchse, Hasen und Kühe. Und jetzt zur Weihnachtszeit natürlich Krippen. Wenn die Zeit da ist, ist es wirklich das wunderbarste Krippen zu schnitzen. Dann komme ich richtig in Weihnachtsstimmung.“ Das sind die Momente, in denen es besonders heimelig wird in der Werkstatt. Zwei, drei Krippen muss er heuer noch machen. Stefan wird dann wie immer den Kachelofen im hinteren Bereich der Werkstatt einheizen, sich an seinen Tisch setzen und zu seinen Schnitzeisen greifen. Die Späne werden wieder fliegen und dieser ganz eigene Geruch nach Holz wird einmal mehr den Raum erfüllen.

 

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Text: Adriane Gamper

 

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Mit Bauchgefühl Heilmethoden auf der Spur

Eine Lebensreise zu Engeln, Heilern und alternativen Heilmethoden

 

Renate Ingruber ist Journalistin und Regisseurin. Vor inzwischen neun Jahren führt sie eine zufällige Begegnung in die Welt des Heilens abseits der klassischen Medizin. Eine Begegnung, die ihr Leben ändert und zu interessanten Erkenntnissen führt. Die Welt des Heilens von außen betrachtet.

 

 

Sie strahlen über das ganze Gesicht. In den Händen halten sie Blumen. Als sie die Strasse überqueren, kommen sie direkt auf Renate Ingruber zu. An die 20 Frauen. Sie sieht das Leuchten in ihren Augen, wie bei Kindern unter dem Christbaum. „Surreal“, kommt ihr in den Sinn. Es zieht sie wie magisch an. Irgendwie kann sie nicht anders und geht zu den Frauen hin.

 

Buddha trifft Engel

Renate Ingruber hat zum Interview in ihr Haus in Breitenbach geladen. Ein offener Wohnraum mit viel Holz. Eine äußerst gemütliche Atmosphäre. Durch die großen Fenster fällt der Blick nach draußen. Natur pur. Auf der Arbeitsplatte ihrer Küche stehen zwei Engelfiguren, wer Renate Ingrubers Arbeit kennt, ahnt, dass sie nicht ohne Grund da stehen. Oben auf dem Kasten thront ein Zeichen ihrer Weltffenheit: eine kleine Buddhafigur. Renate Ingruber erzählt leidenschaftlich von ihren Erlebnissen, nimmt zwischendurch immer wieder einen Schluck Kaffee. Es ist unverkennbar, dass ihre Filme rund um Heilmethoden abseits der Schulmedizin für sie mehr sind als reine Reportagethemen.

 

Leben nach dem Bauchgefühl

Sie ist eine dieser Self-Made Frauen, deren Geschichte man hört und sich leichthin denken könnte Glück gehabt. Doch wer genauer zuhört und tiefer hinter die erfolgreiche Kulisse blickt, bemerkt was die Journalistin vorantreibt. Es ist weniger Glück als viel mehr ein Sehen und Wahrnehmen von Momenten. „Irgendwann als Kind habe ich für mich entschieden, dass ich mich dorthin bewegen will, wo mich mein Interesse hinzieht. Ich höre auf mein Bauchgefühl und dafür werfe ich schon einmal meine Pläne über den Haufen.“ So wie damals als sie in der Schweiz diese Frauen entdeckt. Das war 2006. Renate Ingruber ist als Redakteurin für die Sendung Primavera in Basel bei einem Kongress für Alternativmedizin. Ihre Aufgabe: interessante Themen finden.

 

Der Weg nach Zürich

Wenn man so will, ist das Finden interessanter Themen ihre Spezialität. Sie entdeckt die Geschichte hinter der Geschichte. Genau damit hat damals auch ihr Weg in die Medienwelt begonnen, denn eigentlich ist die Breitenbacherin Lehrerin. Aber bereits während sie die pädagogische Akademie besucht, studiert sie nebenbei Psychologie. „Mich hat immer schon ein breites Feld interessiert.“ Und sie stillt ihren Wissensdurst, indem sie neben dem Unterrichten, als Redakteurin zu einer Zeitung geht. „Das war nett. Aber nach kurzer Zeit fehlte die Spannung.“ Die fand sie bei dem Hobby ihres Mannes, der begeisterter Filmer ist. Sie nehmen an Wettbewerben teil, gewinnen und entschließen sich, eine Filmfirma zu gründen. Weil sie wissen will, „wie hoch die Latte journalistisch gesehen“ für sie hängt, landet sie schließlich zusätzlich beim ORF. Und damit auf dieser Strasse in Zürich bei den strahlenden Frauen.

 

Braco

„Ich war mit einer Kollegin kurz Kaffee trinken. Als wir zu dem Kongress für Alternativmedizin zurück gingen, kamen uns diese Frauen entgegen.“ Es sind ihre journalistische Neugierde und ihr Bauchgefühl, die sie die Frauen ansprechen lassen. „Ich habe sie gefragt, wieso sie so strahlen und ihre Antwort war schlicht: ´Wir waren bei Braco´.“ Auf diese simple Antwort hin lässt Renate Ingruber ihre Terminpläne links liegen und geht zu diesem Braco. „Ich wollte einfach wissen, was dieser Braco, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, mit den Frauen gemacht hat. In diesem Moment waren mir alle anderen Alternativmediziner des Kongresses egal.“ Eine Entscheidung, die ihr Leben komplett über den Haufen werfen sollte.

 

Wenn aus Komisch Ernst wird

Sie steht mit etwa 25 anderen Menschen in dem kleinen Raum. In einer Reihe sind sie aufgestellt worden. Für sie ein Unding. Sie will stehen, wie sie will. Säuselnde Musik. Wären diese Frauen von vorhin nicht gewesen, würde sie auf der Stelle gehen, doch sie will dieses Mysterium lüften. „Als Journalistin finde ich es wichtig, dass man Dinge kritisch betrachtet, aber genau das kann auch eine Falle sein. Viele urteilen Dinge ab und ziehen sie ins Lächerliche, weil sie sie mit ihrem Verstand nicht begreifen können. Aber genau dann gilt es genauer hinzusehen“, erklärt Renate Ingruber wieso sie in dem Raum bleibt.

 

Ein kleiner Mann kommt. Seine langen Haare reichen ihm fast bis zur Schulter. Er ist schmal und klein. Langsam betritt er das Podest in der Mitte des Raumes und schaut. Kein Wort kommt über seine Lippen. Er macht nichts anderes, als in die Menge zu blicken.„Ich habe meine ganze Konzentration gebraucht, um nicht loszubrüllen. Es war eine eigenartige, komische Situation.“ Bis ihr plötzlich heiß wird und einigen Anwesenden Tränen über das Gesicht rinnen. „Das war kein Weinen, das waren Sturzbäche.“ Renate Ingruber ist fasziniert. „Ich habe mir nur gedacht, das wäre etwas für unsere Sendung.“ Ein Gedanke wie ein Stein, der eine Lawine ins Rollen bringt.

Das Unmögliche passiert

Was Renate Ingruber dort in diesem Raum nicht weiß, ist, wer ihr da gegenüber steht. Der aus Zagreb stammende 48Jährige gilt als Wunderheiler, wobei sich Braco selbst nicht als Heiler sieht. Zu seinen Auftritten kommen tausende Menschen. Nur durch seinen Blick sollen unzählige kranke Menschen wieder gesund geworden sein. Braco, der normalerweise nicht mit Journalisten spricht, nimmt ihre Einladung an, zu ihnen in die Sendung zu kommen und er lädt sie ein ihn in Kroatien zu besuchen, bei einigen Watchings dabei zu sein. „Ich bin aus meiner journalistischen Grundhaltung heraus allergisch darauf, wenn jemand sagt, das muss man einfach glauben. Zudem war mir diese Esoterikrichtung bis dorthin zu wider. Dafür gibt es zu viele Scharlatane. Doch die Journalistin lernt Braco näher kennen. Erfährt, dass es eine Kraft ist, die durch ihn wirkt, wie genau weiß er selbst nicht. Sie hört von vielen Menschen wie der Blick von Braco ihnen geholfen hat. „Normalerweise verdrängt jeder Dinge, die sein Weltbild ins Wanken bringen. Aber, wenn du jeden Tag das Gleiche erlebst, immer wieder Menschen triffst, die geheilt wurden, dann ist Verdrängen nicht mehr möglich. Mir wurde bewusst, dass es da etwas geben muss, was mehr bewirkt als wir wissen.“

 

Es geht weiter

Renate Ingruber filmt ihre Begegnungen mit Braco, macht Interviews mit geheilten Menschen. Drei Filme entstehen. Was sie damals nicht ahnt. Dieses Treffen mit Braco ist ihr Einstieg in eine andere Ebene, wie sie es ausdrückt. „Als ich den dritten Film über Braco fertiggestellt hatte, dachte ich mir, jetzt schnaufst du durch und machst Dinge, die weniger schwer zu begreifen sind.“ Dass das Schicksal etwas Anderes mit ihr vorhat, bemerkt sie recht bald.

 

Engelalarm

Es ist Sonntag. Renate Ingruber ist gelinde gesagt ärgerlich. Sie ist in Graz gestrandet. Sitzt am Bahnhof und wartet auf ihren Zug zurück nach Tirol. Eine Veranstalterin, die sie zum Frühstück eingeladen hat, ist nicht aufgetaucht. Auch telefonisch ist sie nicht erreichbar, genauso wie Renates Bruder, mit dem sie sich auch treffen wollte. Aus purer Langeweile geht sie in das einzige Geschäft das geöffnet hat. Ein Bücherladen. „Dabei wollte ich ganz und gar nichts lesen. Ich weiß überhaupt nicht wieso ich da hineingegangen bin.“ Genauso wenig weiß sie rückblickend, wieso sie diese Flasche, die gleich am Eingang steht in die Hand nimmt. „Engelessenz“ steht in großen Buchstaben darauf. Als sie das liest, will sie die Flasche zurückstellen, aber es geht nicht. „Ich konnte diese Flasche einfach nicht mehr loslassen“, meint sie lachend. Und mit der Flasche hält sie das Thema für ihren nächsten Film in der Hand „Den Engeln auf der Spur und Einhörner “.

 

Lehrmeister Zufall

„Es waren die Zufälle, die mich in meinem Leben immer wieder in neue Themen hinein geschubst habe. Es war immer ein hineinfallen und dann ein: so jetzt schwimm. In mir lebt dieser große Wunsch zu verstehen. Allerdings nicht mehr. Ich habe nie etwas Bestimmtes gesucht. Es hat mich eher immer gefunden.“ So auch bei dem Thema Engel, denn eigentlich hatte Renate Ingruber bis dorthin eine Abneigung gegen Engel, wie sie schmunzelnd erzählt. „Für mich waren Engel einfach Kitschfiguren in den Kirchen und nicht mehr.“ Wie zum Trotz scheint es, dass jetzt auf der Arbeitsplatte in ihrer Küche zwei Engelfiguren stehen. Immerhin hat sie im Laufe ihrer Recherchen für den Engelfilm so einiges erlebt, das ihre Meinung über Engel gehörig verändert hat.

 

Drei bis fünf Prozent Realität

„Im Zuge meiner Recherchen habe ich viele Menschen interviewt, die Engel sehen oder mit Hilfe der Engel arbeiten. Darunter war etwa auch ein Zahnarzt, der mir erzählt hat, dass seine Patienten weitaus weniger Entzündungen hätten, seit er bei seiner Arbeit die Hilfe der Engel in Anspruch nimmt.“ Auf die Frage, ob sie denn jetzt an Engel glaube, schaut Renate Ingruber nachdenklich. „Das Thema Engel war für mich sehr anstrengend, weil ich das Konstrukt, das ich mir aufgebaut hatte, verändern musste.“ Die kitschigen Kirchenengel bekamen plötzlich eine andere Gestalt. „Ich durfte erleben, dass es viel mehr gibt, als wir sehen.“ Eine Erkenntnis, die sie mit Prof. Lothar Hollerbach teilt. Im Film erklärt er, dass wir im Prinzip nur drei bis fünf Prozent der Realität sehen. „Wir hängen so sehr daran, dass das, was wir sehen alles ist, aber da ist schon der Ultraschall, das Infrarotlicht. Wir sehen beides nicht, aber es existiert. Aus irgendeinem Grund glauben wir trotzdem, dass das, was wir sehen und hören die ganze Welt ist.“

 

Ihr Weg ins Ungewisse

Renate Ingrubers Haare wippen bei diesen Worten energisch auf ihren Schultern. Es ist unverkennbar, wie sehr sie das Thema fasziniert und berührt. Wohl auch ein Grund, dass sie sich vor vier Jahren dazu entschließt, sich intensiv auf die Spuren der Heilung zu machen. „Bei uns ist es normal, dass man immer zum gleichen Hausarzt geht. Wir akzeptieren, dass sich chronische Krankheiten nicht heilen lassen. Wenn ein Kranker erst einmal mit Tabletten versorgt ist, dann ist es das. Es ist grandios was unsere Ärzte zum Teil leisten, aber bei bestimmten Krankheiten gibt es oft keine Heilung, nur eine Linderung der Symptome. Weiter blickt die klassische Medizin nicht. Nach all dem, was ich bisher kennengelernt hatte, habe ich mir gedacht, da muss es doch auch eine Möglichkeit der Heilung geben.“

 

Arzt auf Abwegen

 

Auf einem Kongress über Heilmethoden lernt sie Uwe Albrecht, den Begründer von Inner Wise kennen. Dahinter steckt ein energetisches Heil-, Diagnose und Entwicklungssystem, in dem der Berliner Arzt das Wissen alter Kulturen und der modernen Medizin vereint. Der erste Interviewpartner für ihren neuen Film. Mit insgesamt neun Heilmethoden beschäftigt sich die Breitenbacherin im Zuge ihrer Recherchen. So erlebt sie etwa eine Operation in der Aura, dem Energiefeld, das jedes Lebewesen umgibt, fährt nach Brasilien, um bei einem chirurgischen Eingriff durch geistige Wesen dabei zu sein. „Es sind alles Dinge, bei denen ich vor Jahren noch den Kopf geschüttelt und vermutlich lauthals losgelacht hätte. Das wäre mir einfach zu abgehoben gewesen. Aber nach dem, was ich schon alles erlebt habe, war irgendwie alles stimmig.“ Letztlich entdeckt sie, dass alle Methoden eine Gemeinsamkeit haben: „Jede Methode aktiviert im Körper etwas, regt den Körper an, sich selbst zu heilen. Ganz egal ob Paracelsusmedizin oder Geistige Aufrichtung, von außen wird nur ein Anstoß gegeben, der Körper heilt sich in seiner Intelligenz letztlich selbst.“ Und die Dokumentarfilmerin lernt, wie wichtig die Innere Einstellung ist. „Wir haben sehr viel in der Hand, allein dadurch wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten. Die meisten Menschen sind sich nicht bewusst, welches Kraftpotential sie in sich tragen. Wo die Aufmerksamkeit hingeht, dort entsteht ein Kraftfeld. Das heißt nicht, dass wir alles Negative ignorieren sollen, vielmehr sollen wir uns nicht nur mit unseren Problemen beschäftigen. Es ist einfach wichtig jenen Dingen Aufmerksamkeit zu schenken, die uns Freude bereiten.“

 

Foto: Renate Ingruber

Text: Adriane Gamper

erschienen in: www.besser-leben.at

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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Modetrends Winter 2016

 

 

HELLO AGAIN

Extravaganz zieht an

Hello again“ - das könnte man den neuesten Trends entgegen rufen. Pailletten, Leo und Military geben sich ein Stelldichein. Wie man Leo und Co im heurigen Winter perfekt kombiniert, erklärt Modeexpertin Romana Szuchowsky vom Simpl Store in Kufstein.

 

 

 

Das hatten wir doch schon“ - ja, dieser Gedanke könnte bei den neuesten Trends wirklich das eine oder andere Mal aufkommen. Doch Vorsicht: alt ist nicht gleich neu. Leoprint verliert seine rockige Seite und wird feminin. Military setzt auf edle Akzente, Pailetten verführen mit Understatement und wer plötzlich Rot sieht, ist auf der richtigen Trendspur.

 

 

Eiszeit

 

Spot an für die hellen Akzente. Zarte Pastellnuancen machen sich winterfein. Der mädchenhafte Charme der rosenholzfarbenen Steppjacke (Guess) wird durch das winterweiße Top mit geradlinigem Schriftzug (Liu Jo) gekonnt ergänzt und lässt den Look erwachsen und ladylike wirken. Perfekt zu Rosenholz wirkt auch der neue Trendton Camel. Akzente verschaffen Accessoires in Bronze.

 

 

 

Glam around the clock

 

Welcome back Pailletten. Gerade rechtzeitig zu Weihnachten und Silvester glitzert es wieder in der Modewelt. Doch keine Sorge, die neuen Paillettenshirts sind keine Eintagsfliegen, dank Understatement werden Pailletten auch alltagstauglich. Transparente Ärmel geben dem Paillettenshirt von Liu Jo etwa eine interessante Note. Die optimale Festtags-Kombi: metallicfarbene Jeans (Liu Jo). Die Fellweste (Maze) aus Fake Fur bringt eine große Portion Rock ins Spiel und liefert Kuschelfeeling. Der spezielle Styling Tipp von Romana Szuchowski: Metallicjeans werden mit einem oversized Grobstrickrolli im Handumdrehen alltagstauglich. 

 

 

 

 

 

Vorsicht Wildkatzen

 

Leo? Logisch! Allen voran auf Jacken und Mänteln sorgen Raubtiermuster für ein auffälliges Styling. Die Wildheit des Musters wird durch feminine Schnitte gezähmt, was dem neuen Trend eine extravagante Note verleiht. Guess interpretiert bei dem Webpelzmantel den Look im Stil von black&white. Der edle Touch wird durch das Chiffontop (Guess) noch mehr betont und die High Waisted Denim bringt eine Prise Sexappeal (Liu Jo). Auf elegante Akzente gilt es bei den Accessoires zu achten: Lederhandschuhe und Ankle Booties.

 

 

 

 

Achtung – Still gestanden

 

 

Der Military-Stil ist Trumpf. Allerdings ist die ehemals strenge Seite des Looks verloren gegangen. Edel und feminin mit einer großen Portion Coolness, das ist das neue Military. Der Mantel von Liu Jo hat dabei alles, was ein typischer Military-Mantel braucht: Stehkragen, Schulterriegel und Goldknöpfe. Understatement mit Stil bringt die schlichte Kombi mit Rollkragenshirt (G-Star) und einer Flared Jean in Raw Denim (Vila). Wer sich traut, verführt mit Stilbruch und Spitzenstoffen für darunter. Richtig stylisch wird der Military-Mantel mit einem Minikleid.

 

 

 

 

 

Understatement in Rot

 

Made with love. Made for you. Made forever.“ Das Motte der Marke Ana Alcazar. Allen voran gilt: nicht Casual sondern Extravaganz. Das Trendlabel zweier Münchnerinnen setzt die feminine Seite der Trägerin gekonnt in Szene. Immer mit dabei eine große Portion Stil. Edel aber nicht unnahbar verführt etwa das Bubikragenkleid in sattem Winterrot – der Retro Look lässt grüßen. Eine Marke de luxe mit der Simpl neue Akzente liefert.

 

 

Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

Model: Romana Exenberger

Mode: Simpl Life Company

Make up: Nadine Pungg

Assistenz: Teresa Decassian

 

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin

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Neun Stimmen für Weihnachten

 

Das Licht der Laternen schimmert nur diffus, kommt nicht an gegen das dichte Schneegestöber. Die Landschaft ist im Dunkel der Nacht verschwunden. Hintereinander gehen sie langsam den schmalen Weg entlang. Die Laterne in der einen Hand, den langen Hirtenstab in der anderen. Bei jedem ihrer Schritte knirscht der frisch gefallene Schnee. Der Weg, den die Kufsteiner Anklöpfler zu gehen haben, ist nicht weit, aber er kommt ihnen vor, wie ein Pfad in die Vergangenheit. Nur langsam werden die Umrisse des alten Bauernhauses vor ihnen sichtbar. Maria Parths Mund umspielt bei dem Gedanken an diesen einen Abend ein verklärtes Lächeln. Es war ein ganz besinnlicher Moment damals auf dem Weg zum Bauernhaus ihrer Tante. Wie in einem Märchen war es. Ein Märchen, das durch ein tragisches Ereignis vor fünf Jahren fast nicht zustande gekommen wäre.

 

Neun Stühle für Montag

 

Maria sitzt zusammen mit ihren Freundinnen Maria Ellinger und Erika Kreidl an dem großen ovalen Tisch, der das Zentrum ihrer Wohnung bildet. Die drei sitzen nebeneinander. Die sechs restlichen Stühle im Biedermeierstil sind leer, kein Wunder, es ist Donnerstag. Erst am Montag werden sie wieder alle besetzt sein, wenn alle Kufsteiner Anklöpfler sich zur Probe einfinden. Jede der vier Frauen und jeder der fünf Männer hat seinen angestammten Sitzplatz. Wenn man so will eine kleine Tradition. Genauso wie sie traditionell Anfang Oktober mit ihren Proben starten, auch, wenn es nicht immer einfach ist.  

 

Weihnachten im Oktober

Während andere noch den Sommer ausklingen lassen und mit den sich färbenden Blättern langsam in Herbststimmung kommen, stehen die Kufsteiner Anklöpfler bei ihren Proben vor der Herausforderung, sich in Weihnachtsstimmung zu versetzten. Denn ohne das richtige Flair geht gar nichts. Ihre Musik lebt von der richtigen Atmosphäre und die richtige Atmosphäre beeinflusst ihre Musik. Mit Kerzen versucht Maria bereits im Oktober, den Adventzauber in ihre Wohnung zu holen. Wobei bei den ersten Treffen sind die Kufsteiner Anklöpfler mehr beim Reden als beim Singen. Immerhin haben sich die neun Sänger in dieser Konstellation das letzte Mal im Jänner gesehen. Alle Neun sind beste Freunde, zum Teil miteinander verwandt, aber alle zusammen treffen sie sich nur, wenn es um das Anklöpfeln geht. Und so versteht es sich von selbst, dass zuerst einmal Neuigkeiten ausgetauscht werden.

 

Neun Stimmen

 

Die Neun verbindet die Liebe zum Singen. Ansonsten sind sie eine recht bunt gemischte Truppe. Ferdinand Ellinger ist mit 32 Jahren der Jüngste. Der Marketingexperte Thomas Oberhuber sorgt mit Ernst Eisenmann für die tiefen Töne. Hans Pradl und Markus Rieder sind die beiden Tenöre, wobei Markus mit seiner Okarina, einer Kugelflöte, zudem Abwechslung in die Lieder der Anklöpfler bringt. Neben Maria Parth gehören ihre Nichte Manuela Pfluger, Maria Ellinger und Erika Kreidl zum weiblichen Teil der Kufsteiner Anklöpfler. Seit 2012 sind sie ein eingeschworenes Team. „Unsere Freundschaft ist jedem von uns wertvoll.“ Ein Schatz, den sie hüten, vor allem, seit sie miterleben mussten, wie schnell alles vorbei sein kann. Denn begonnen hat die Geschichte der Kufsteiner Anklöpfler nicht erst vor vier Jahren.

 

Das Ende vom Anfang

 

„Ich würde zu gerne einmal Anklöpfeln gehen.“ Mit diesem Satz wurde 2006 die eigentliche Geburtsstunde der Kufsteiner Anklöpfler eingeleitet. Es war Gerhard Scherbichler, durch und durch ein Musikant, der irgendwann einmal gegenüber den beiden Marias und Erika diesen Herzenswunsch äußerte. „Und er hat es mit so einer Leidenschaft gesagt, dass er uns augenblicklich angesteckt hat“, erzählt Maria Ellinger mit einem nachdenklichen Blick. Erika nippt gedankenverloren an ihrem Glas. Gemeinsam mit Gerhard suchen sie damals weitere Stimmen und ziehen noch im selben Jahr zu Acht von Haus zu Haus. Die Adventzeit bekommt einen ganz eigenen Stellenwert bei ihnen. Zu spüren, welche Freude sie mit ihrem Gesang verbreiten, lässt sie auch in den kommenden Jahren als Kufsteiner Anklöpfler losziehen. Drei Jahre lang sind sie ein eingeschworenes Team, bis 2009 alles anders wird. Gerhard Scherbichler erkrankt. Für die Freunde eine traurige Zeit. An Anklöpfeln denkt in diesem Jahr niemand, doch es sollte noch schlimmer kommen. Ein Jahr später stirbt der Initiator der Kufsteiner Anklöpfler. Und nach seinem Tod ist für alle klar, dass ein Anklöpfeln ohne ihn einfach nicht möglich ist. Und so sterben mit Gerhard Scherbichler auch die Kufsteiner Anklöpfler.  

 

Der Schatz in der Stille

 

Als sie durch die Türe des Bauernhauses von Marias Tante treten, empfängt sie wohlige Wärme. Durch die Fenster sind die tanzenden Schneeflocken zu sehen. In die Stille des Raumes hinein erklingen ihre Stimmen, während Marias Tante Tränen der Rührung in den Augen hat. Es sind die Erinnerungen an solche Momente, die die Sänger nicht loslassen, nachdem sie mit dem Anklöpfeln aufgehört haben. „Wenn du siehst, wie die Leute unser Singen berührt, das ist niemanden von uns egal. Diese Emotionen sind für uns direkt spürbar. Und wenn du dort im Zimmer stehst, es still wird und wir zu singen anfangen, wenn du dich selbst hörst, in dieser Ruhe, dann wird dir so richtig bewusst, was für ein Schatz das letztlich ist, dass du Singen kannst. Es ist eine Gabe, die uns viele schöne Momente beschert“, versucht Maria Ellinger die Faszination Anklöpfeln zu erklären. Und dass es diesen Schatz zu bewahren gilt, darin sind sich alle einige. Die drei Frauen sind es schließlich, die dem Ruf ihres Herzens nachgeben und die Kufsteiner Anklöpfler wieder ins Leben rufen. Inzwischen zu neunt beginnen sie, wieder zu proben und erneut als Anklöpfler von Haus zu Haus zu ziehen, wobei sie immer für Überraschungen gut sind.

 

Der weiße Bart und die Schuhe

Maria hat inzwischen alte Fotos auf dem Tisch ausgebreitet. Ihr Bart sticht auf den Bildern heraus. Und das nicht nur, weil er der einzig Weiße ist. Sie lacht, als sie erzählt, dass ihr Bart nichts anderes als der Pelzkragen von der alten Jacke ihrer Mutter ist. „Nicht perfekt, aber er gehört für mich einfach dazu.“ So wie all die anderen alten Jacken und Hosen, in die sie schlüpfen, um sich in die Kufsteiner Anklöpfler zu verwandeln. Erika wird auch heuer ihre alten Schuhe tragen, um die sie beneidet, aber für die sie auch bedauert wird. An die achtzig Jahre sind sie inzwischen alt. Erbstücke ihres Großvaters. „Starr und steif sind die Schuhe, aber ohne sie geht es nicht.“ Und so gekleidet ziehen sie dann wieder los, besonders gerne in alte Bauernhäuser.

 

 

Wenn die Zeit stehenbleibt

 

„Vor allem diese alten Bauernhäuser verströmen ein ganz eigenes Flair mit ihren Gewölben in den Küchen. Dort ist es immer besonders heimelig. Wir werden meist in Privathäuser eingeladen. Viele haben einen Adventabend mit Freunden organisiert und wir sorgen dann für zusätzliche Weihnachtsstimmung.“ Immer wieder überraschen sie aber auch Menschen, von denen sie wissen, dass ihnen Musik am Herzen liegt und die allein oder krank sind. „Das sind für uns die berührendsten Auftritte.“ Doch nicht nur in den Häusern, erleben sie ganz intensiv was ihr Gesang bewirkt. Auch als sie damals spontan auf dem Weg von einer Station zur nächsten am Unteren Stadtplatz halt machen und ihre Lieder anstimmen, entsteht wie von Zauberhand dieses ganz eigene Flair. Innerhalb kürzester Zeit bildet sich eine Menschentraube um die Kufsteiner Anklöpfler. Wo bis vor kurzem noch geschäftiges Treiben und die allgegenwärtige Hektik des Einkaufstrubels herrschte, legt sich mit den ersten Tönen eine besinnliche, ruhige Atmosphäre über den Unteren Stadtplatz.  

 

Alle Jahre wieder

 

Nach dem letzten Auftritt kehrt alle Jahre wieder Wehmut ein. Wie jedes Jahr werden sie sich auch heuer wieder zusammen setzen und gemeinsam etwas trinken. „Jeder ist irgendwie traurig, wenn die Anklöpflerzeit wieder vorbei ist“, sind sich die drei Damen einig. Daran will momentan aber noch keiner der Anklöpfler denken. Mit jeder Probe steigt nämlich die Vorfreude. Und spätestens, wenn sie zum ersten Mal in ihre Hirtengewänder schlüpfen, tauchen sie wieder ein in ihre Welt. „Wir sind uns sicher, es ist ganz im Sinne von Gerhard, dass wir wieder mit dem Anklöpfeln begonnen haben.“

 

Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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PARIS – meine Liebe, mein Leben

 

Von Kufstein nach Paris und nicht mehr zurück

 

 

Während andere ihr Leben lang davon träumen, fasst sich die Kufsteinerin Nina Horvath nach ihrem Universitätsabschluss ein Herz und folgt ihrer Sehnsucht. Ein Leben in der Stadt der Liebe ist schon seit ihrer Jugendzeit ihr großer Traum. Ein Traum, der Anfangs auch von Albträumen unterbrochen wird. Ein Leben zwischen Akten, Mode und Cafe Créme.

 

Die nostalgischen, schmiedeeisernen Gitter vor den schmalen raumhohen Fenstern sind liebevoll verschnörkelt. Sie heben sich mit ihrem Schwarz von der cremefarbenen Fassade ab, die durch die Sonne zu leuchten scheint. In den Fenstern des mehrstöckigen alten Eckhauses spiegelt sich der strahlend blaue Himmel. „AU ROI DU CAFE“ prangt in großen Buchstaben auf den weißen Markisen des Cafés im Erdgeschoss. Kleine runde Holztische stehen einer neben dem anderen vor der Fensterfassade des Lokals. Die zwei schwarzen Korbstühle, die zu jeden Tisch gehören, sind mit der Lehne zur Hausmauer platziert, laden ein, sich hinzusetzen und das Treiben auf der Straße zu beobachten. Von den Stühlen über die Tische, hat alles diesen ganz speziellen französischen Charme. Es ist das Lieblingscafé von Nina Horvath, der Kufsteinerin, die nach Paris ging.

 

Verliebt

15 Jahre ist es her, dass sie mit dem Diplom für internationale Wirtschaftswissenschaften und Jura in der Tasche ihren Herzenswunsch wahr werden ließ. Sie hatte einen Praktikumsplatz bei der deutsch-französischen Handelskammer in Paris ergattert. Als sie in Paris ankommt, ist sie überwältigt. „Alles das, was viele als eher unangenehm und anstrengend empfinden, liebte ich von Beginn an. Das ständige Getümmel, diese gewisse Unordnung, Regeln, die niemand besonders ernst nimmt, die Pariser Metro, den bitteren Café.“ Alles ist von der ersten Minute an einfach nur fantastisch, wenn da nur nicht diese Wohnung gewesen wäre.

 

Café Creme und ein Baguette

Jeden Sonntag hat Nina seit Jahren ein ganz besonderes Ritual. Typisch französisch. Mit drei, vier Modezeitschriften und ihrem Sohn Luca setzt sie sich in ihr Lieblingscafé. Genüsslich trinkt sie ihren Café Créme, isst ein warmes Baguette mit Butter und versinkt in ihren Zeitschriften. Sie ist dieser französischen „Art de vivre“, diesem ganz eigenen Lebensstil schon längst verfallen. „Wir hier in Paris sitzen ständig irgendwo und trinken Kaffee. Den ersten trinkst du in der Früh und dann über den Tag verteilt mindestens sieben weitere. Das gehört hier zum Leben dazu.“ Genauso wie dieser typische Pariser Chic.

 

Die Pariserin

Nina lacht, „ja es gibt sie, die typische Pariserin.“ Sehr eigen sind sie, die Pariserinnen, voller Gegensätze und vor allem anders als die Französinnen außerhalb der Hauptstadt. „Ich würde die Pariserin als äußerst charmant beschreiben, auch, wenn sie mit ihrer direkten Art und ihrem sarkastischen Humor immer wieder überrascht.“ Und vor allem legt die typische Pariserin sehr viel Augenmerk auf ihr Aussehen. Allerdings darf das niemand so schnell bemerken. So läuft sie ständig zum Friseur, ohne sich jedoch jemals in der Früh die Haare zu kämmen, ganz nach dem Motto: „I woke up like this.“

 

Odysee des Schreckens

Der Pariser Chic nimmt die Kufsteinerin schon bei ihrer Ankunft in Paris gefangen. Ganz anders sieht es mit ihrer Wohnung aus, die sie von Kufstein aus gemietet hat. Sie lacht, schiebt ihre langen braunen Haare, die so typisch sind für die Pariserinnen, nach hinten. „Das kann man sich hier in Tirol gar nicht vorstellen, was ich damals gesehen habe. Als ich das erste Mal meine Wohnung betreten habe, wusste ich nicht, ob ich vor Verzweiflung lachen oder weinen sollte. Mein einziger Gedanke war, hier wohne ich nicht!“ Das gemietete Studio entpuppt sich als Schuhschachtel. Winzig klein, mit einem einzigen mickrigen Fenster in der Decke. Nina zieht aus, bevor sie eingezogen ist. Sie findet bei einer Arbeitskollegin Unterschlupf. Der Beginn einer Odysee. Über zehn mal zieht sie in den ersten zwei Jahren um. Kein leichtes Unterfangen ohne Auto. „Als ich nach Paris ging, hatte ich keine Ahnung wie schwierig es ist, eine Wohnung zu bekommen, die bewohnbar ist.Vor allem wenn du nicht viel Geld hast. Studios mit 16 Quadratmeter sind normal. Dass die Wohnungen so winzig sind, ist vermutlich auch ein Grund, wieso die Pariser ständig ausgehen. Ich habe Freunde, die essen nie zu Hause.“ Immer wieder packt sie ihre Sachen und ruft sich ein Taxi. „Die Taxifahrer waren alles andere als begeistert, als ich mit meinem ganzen Wohnungsinhalt gekommen bin.“ Trauriger Höhepunkt: ein genervter Taxifahrer setzt sie mit all ihren Sachen einfach auf die Strasse, weil es ihm zu lange dauert, bis sie bezahlt hat. Doch selbst in dem Moment, wo sie verzweifelt zwischen all ihren Habseligkeiten am Straßenrand steht, ist für sie klar, sie bleibt. Zum Glück, denn Paris hat noch einige Überraschung parat.

 

 

 

In Paris gibt es keinen Alltag. Wir sind überhäuft

mit Angeboten, sei es künstlerisch, kulinarisch, modisch oder jegliche andere Kategorie. Ich mag das.“ 

 

 

Leidenschaft Mode

Als sie nach ihrem Praktikum das Angebot einer internationalen Wirtschaftskanzlei bekommt, beginnt sie als Juristin zu arbeiten. Acht Stunden trockener Stoff, während ihr Herz von dem Leben in den Straßen von Paris träumt, vom Flanieren in den Geschäften. Schon als junges Mädchen hatte sie diese besondere Leidenschaft für Mode und Modefotografie. In Paris taucht sie in jeder freien Minute in die Welt der Mode ein, kauft unzählige Modezeitschriften, verschlingt die neuesten Trends und bummelt in jeder freien Minute durch die Boutiquen. „Anfangs war ich überfordert von der großen Auswahl. Ich bin oft nur vor den Auslagen gestanden und habe mich inspirieren lassen. Mode ist hier einfach unendlich wichtig.“ Und Mode ist in Paris vor allem klassisch. Für die Pariserin gibt es nur fünf Farben: schwarz, weiss, grau, camel und marineblau. Jede Pariserin trägt seit kurzer Zeit die Stan Smith und ist stolze Besitzerin einer Chanel Tasche.“ Ninas Herz lebt für die Mode doch ihren großen Traum beruflich etwas mit Mode und Fotografie zu machen, schiebt sie auf die Seite. Bis vor neun Jahren das Schicksal auf der Spielfläche erscheint.

 

Achtung Schicksal

Es war einer dieser Augenblicke, in denen plötzlich alles passt. Als ihr Sohn Luca zur Welt kommt, nimmt sie sich ein Jahr Auszeit von ihrem Job als Juristin, ein Jahr für ihr Kind und ihre Leidenschaft. „Ich habe nur gedacht es reicht, ich will zumindest probieren, in die „Fashionbranche einzusteigen und endlich das zu machen, wovon ich träume.“ Für das Schicksal ein willkommener Moment. Durch Zufall lernt sie eine italienische Designerin kennen, die jemanden sucht, der ihre Kollektion promotet. Nina springt ins kalte Wasser und arbeitet mit ihr zusammen. Erfolgreich. Doch nach einem Jahr fängt sie wieder bei der Wirtschaftskanzlei an. „Es ist finanziell nicht möglich hier einfach so was Neues zu machen. In Paris ist alles teuer, du musst ein gewisses Einkommen haben.“ Die Vernunft siegt über die Liebe aber nicht über das Schicksal, das so schnell nicht aufgibt.

 

Es geht los

Es ist das Jahr 2013 und Nina macht, was alle Pariser lieben, sie geht auf die Partys der Pariser Fashion Week. Durch Zufall kommt sie mit der Chefredakteurin der amerikanischen Modezeitschrift RUNWAY ins Gespräch und diese macht Nina ein unwiderstehliches Angebot. Sie soll beim Aufbau der französischen Ausgabe der Zeitschrift mitarbeiten. 14-Stundenarbeitstage folgen. Untertags arbeitet sie in ihrem Job, um sich in ihrer Freizeit dem RUNWAY Magazine France zu widmen. Die Zeitschrift kommt im Frühling 2013 erstmals in Europa auf den Markt und ist ein Erfolg. Nina kümmert sich um das Marketing und den Verkauf.

 

 

 

Bei einem Shooting warte ich auf diesen Moment, in dem was passieren wird wie das Warten auf ein Gewitter das immer näher kommt und plötzlich ausbricht.“

 

Im Rahmen ihrer Arbeit mit dem RunwayTeam, hat Nina Gelegenheit, mit renommierten Fotografen zusammenzuarbeiten und ihnen bei den Shootings über die Schulter zu schauen. Ein Traum in ihr erwacht wieder, sie will selbst Shootings machen. Dank der Erfahrung bei Runway und der sensiblen „fotografischen Erziehung“ ihres Vaters, kann sie ihren schlafenden Wunsch in die Tat umsetzen und realisiert ihre ersten eigenen Shootings. „Ich erinnere mich noch daran, wie ich meinem Vater assistierte, mühsam dutzende von Lampen installieren half und vor allem den Aufheller richtig halten musste. Das wesentliche Atout für die Fotografie hat mir mein Vater beigebracht: den Kopf hoch heben und die Augen öffnen, um Details und Emotionen aufzuspüren und diesen Moment zu verewigen.“ 

 

Paris - Kufstein – Paris

Inzwischen lebt Nina in einer schmucken Wohnung ganz in der Nähe ihres Lieblingscafés. Modezeitschriften kauft sie immer noch massenweise. Ihr täglicher Arbeitsweg liest sich wie ein Reiseführer. Am Eiffelturm in dessen Nähe sie lebt vorbei, über die Seine, quer durch die Champs Elysées bis zum Arc de Triumpf. Der Weg führt sie zur Wirtschaftskanzlei. Noch. Denn irgendwann will sie von ihrer Leidenschaft leben. Momentan gelten ihre Gedanken aber vor allem dem 24. Dezember. Dann wird sie wie jedes Jahr in den Flieger steigen und Weihnachten dort verbringen, wo immer noch ein Teil ihres Herzens zu Hause ist. „Ich bin längst eine Pariserin geworden, aber wenn mich jemand fragt woher ich komme, sage ich immer ich bin Österreicherin.“

 

Foto: Nina Horvath, Vincent De Marly

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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ONEKOTAN – Die verlorene Insel

 

 

Wenn die Leidenschaft dich ans Ende der Welt und an deine Grenzen bringt


Der professionelle Freeskier Matthias Haunholder liebt das Abenteuer und Skifahren. Immer wieder bricht er zu atemberaubenden Touren auf, um dort Ski zu fahren, wo sonst keiner fährt. Ein Vulkan lockt ihn zusammen mit vier anderen Extremsportlern nach Onekotan, es wird das intensivste Abenteuer ihres Lebens.


Die Zeltwände blähen sich auf, knattern im Wind. Im Zelt herrscht gelöste Stimmung, das erste Mal durchatmen seit sie Österreich verlassen haben. Das russische Schiff wartet bereits vor der Küste. Eine letzte kalte Nacht auf der eisigen, trostlosen russischen Insel abseits von jeglicher Zivilisation. Die fünf Männer lassen die letzten Tage Revue passieren, genießen ihren Triumph. Und vor allem essen sie. Sie essen alles, was noch im Basislager zu finden ist, denn morgen geht es zurück, weg von Onekotan. Alles läuft endlich perfekt und nach Plan, bis sich der Kapitän meldet.

Abenteurer

Wer Matthias Haunholder trifft, dem fällt wohl als erstes das Strahlen in seinen Augen auf, wenn er von seiner Leidenschaft erzählt, dem Schifahren. Kein „normales“ Skifahren. Der professionelle Freeskier fährt dort, wo keiner jemals zuvor gefahren ist. „Je schwieriger das Vorhaben ist, umso mehr reizt es mich. Ich suche das Abenteuer, die Herausforderung. Das Extreme allein zählt allerdings nicht. Die Landschaft muss mich beeindrucken. Das, in Verbindung mit Skifahren, ist mein Leben.“ Was er bei all seinen Abenteuern vor allem gelernt hat: die Natur ist schwer planbar, allen voran auf Onekotan.



Verlassen

Sie beginnen ihre Zelte abzubauen, ihr Equipment zum Strand zu bringen. Der eisige Wind peitscht ihnen wie in den vergangenen Tagen unaufhörlich ins Gesicht. Sie warten auf das Beiboot des russischen Schiffes, doch es läutet nur das Satellitentelefon. Die Aussage des Kapitäns ist ernüchternd, die Wellen sind zu hoch, die Fahrt zur Insel zu gefährlich für das Beiboot. Den ganzen Tag wird die Ankunft des Beibootes verschoben. Sie errichten notdürftig ein Zeltlager für die Nacht. Sie haben nichts mehr zu essen. Und dann das. Eine Schlechtwetterfront für die nächsten zehn Tage mit Stürmen, wie sie sie auf der Inseln noch nicht erlebt haben, wird vorhergesagt. Schließlich der Anruf des Kapitäns: Er muss zurück fahren, ohne sie.


In solchen Extremsituationen gibt es, selbst wenn es ganz schlimm wird, nur kleinere Diskussionen. Du musst miteinander auskommen, das weiß jeder, sonst funktioniert so ein Vorhaben nicht.“


Der Anfang

Neuseeland. Im Jahr 2012. Matthias ist auf einer seiner Touren. Einer seiner Kollegen durchsucht Google Earth, immer auf der Suche nach besonderen Plätzen zum Skifahren. Und dann sehen sie sie. 20 Kilometer breit, 40 Kilometer lang. Nichts als Schnee und unwegsames Gelände. Was ihre Aufmerksamkeit allerdings eigentlich erregt, ist ein schneebedeckter Vulkan, der aus einem Kratersee herausragt. Onekotan ist die größte unbewohnte Insel der zu Russland gehörenden Kurilengruppe und liegt rund 9000 Kilometer von Österreich entfernt im Nirgendwo zwischen Kamchatka und Hokkaido. Einer der stürmischsten und kältesten Meeresbereiche der Welt. Die Insel wird zum Ziel der Sehnsucht, lässt Matthias nicht mehr los. Gemeinsam mit Matthias Mayr, mit dem er schon seit Jahren unterwegs ist, dem Red Bull Athleten Phil Meier, dem Fotografen Jonas Blum und dem Kameramann Simon Thussbas beginnt er, das Abenteuer Onekotan zu planen. Ihr Ziel: von Petropawlowskaus mit dem Boot auf die 30 Schiffsstunden entfernte Insel übersetzen, um dort als Erste den Vulkan mit Skiern hinabzufahren und einen Film darüber zu drehen. Im März 2015 brechen sie nach Russland auf, um ihr Abenteuer und ihre Ziele auf Onekotan zu realisieren. 

Neue Gefahren

Das Meer hat gerade einmal ein Grad. Nur ein einziger Kapitän ist bereit, sie zu der Insel zu bringen. Es ist eine Mindestlänge des Schiffs notwendig, um überhaupt die Erlaubnis zu bekommen aus dem Hafen auszulaufen. "Erst an dem Tag, an dem wir ablegen wollten, ist mir bewusst geworden, dass wir nun auf die Erfahrungen des Kapitäns angewiesen sind“ Es ist der 1. April. Ein Fischerboot mit 150 Mann Besatzung und 80 Tonnen Fisch im Schlepptau wird am offenen Meer in der Nähe Kamchatkas von Treibeis aufgeschlitzt. Innerhalb von 15 Minuten sinkt das Schiff, 60 Menschen ertrinken. „In dem Moment haben wir bemerkt was es bedeutet, dort in See zu stechen“ Trotzdem gibt es für sie kein zurück. Am 2. April laufen sie von Petropawlowskaus. 30 Stunden auf dem Pazifik mit Wellen, die über das Schiff schwappen und Schneestürmen. Ein kleiner Vorgeschmack auf Onekotan.


18 Tage Einsamkeit

Der Wind peitscht den Schnee über die gebirgige Insel. Die Stürme übertönen das Rauschen der Wellen. Ab und an sind streitende Füchse zu hören, die einzigen größeren Säugetiere, die auf dem Eiland vorkommen. Die ganzen 18 Tage, die sie auf der Insel verbringen, ist kein Lebenszeichen von anderen Menschen zu sehen. Kein Schiff, nicht einmal ein Kondensstreifen eines Flugzeuges. Sie sind allein. „Es ist ein eigenes Gefühl. Du machst alles nur, um zu leben und dein Ziel zu erreichen.“ Die Zusammenarbeit zwischen den Männern funktioniert fast telepathisch, sie alle sind Extremsituationen gewohnt. Auf Onekotan notwendig wie sich bereits wenige Stunden nach ihrer Ankunft zeigt.


Blaue Blitze

Der Schneesturm in der ersten Nacht zerbricht die Zeltstangen ihres großen Zeltes, das als Küche, Wohnzimmer und Schlafraum dient. Mehr als 14 Stunden lang bauen sie ihr Basislager ab, suchen eine windgeschützte Stelle. Sie improvisieren und errichten das Zelt wieder mit Treibholz. Die Schneestürme sollten ihre größten Gegner werden. Bei Gegenwind von rund 130 km/h kämpfen sie sich vom Basislager aus in Richtung Vulkan. Die Umgebung präsentiert sich trostlos. Vereinzelte Sträucher, die ihre kahlen Äste aus der Schneedecke recken, Nebel. Einziger Farbpunkt, das rote Fell der Füchse, die immer wieder auftauchen. Die Fünf gehen im Gänsemarsch, einer im Windschatten des anderen, stundenlang. Die Erosionsgräben machen ein Vorwärtskommen schwierig. „Du unterhältst dich nicht mehr, weil es zu laut ist durch den Wind. Du gehst vor dich hin, schaust immer nach unten auf deine Ski. Ich habe blaue Ski. Irgendwann hatte sich das Blau in meine Augen gebrannt, egal wo ich hinschaute, ich habe blaue Blitze gesehen.“ Sie errichten ein zweites Lager in der Nähe des Kratersees. Warten Stürme ab, die Tage vergehen bis es endlich so weit ist und sie am Rand des Kratersees stehen; und verzweifeln.


Ein Schlauchboot

Wenn du zum Vulkan gehst, siehst du den See, der in der Tiefe liegt nicht. Alle haben uns immer gesagt, ´der ist zu 100% zugefroren, ihr braucht kein Booté.“ Doch als sie zu dem 400 Meter tiefer liegenden See nach unten blicken, sehen sie nur Wasser. „Wir waren alle körperlich fertig und verzweifelt. Es schien unmöglich, zum Vulkan in der Mitte des Sees zu kommen.“ Doch die Extremsportler werden getrieben von ihrem Ziel. Sie beginnen, am Kraterrand, der einen Umfang von etwa 24 Kilometer hat, den See zu umrunden und finden an der schmalsten Stelle ein Eisschollenfeld. Ein Schlauchboot, mit einer Tragkraft von 140kg, das Matthias aus einem inneren Impuls heraus vor ihrer Abfahrt in Petropawlowsk gekauft hat, wird ihr Rettungsanker. Angebunden an das Boot, in dem ihr Filmequipment liegt, mit Lawinenairbags ausgestattet, um im Fall des Einsinkens an der Wasseroberfläche zu bleiben, wagen sie auf ihren Skiern den Weg über die verkeilten Eisschollen zum Vulkan.



Die ganze Zeit, die wir unterwegs waren, habe ich unser Unterfangen nicht als besonders gefährlich empfunden. Wenn ich auf meinen Skiern bin, fühle ich mich sicher. Erst zum Schluss, da wurde es bedrohlich.“



Der 13. Tag

Für mich war immer klar, ich mache das, weil ich es gerne tue und es eine Erfüllung ist. Diese Abenteuer sind es, die mich ausmachen und letztlich ist es ein Privileg, dass ich das machen kann.“ Am 13. Tag gipfelt das Privileg in diesen einen magischen Moment. Sie stehen am Gipfel des Vulkans. „Es ist ein besonderes Gefühl, wenn du dein Ziel erreicht hast. Ein irres Glücksgefühl den Vulkan hinunter zu fahren, auch, wenn die Schneebedingungen nicht perfekt waren.“


Der Sturm

Aber es ist wie bei der Besteigung von hohen schwierigen Bergen, erst wenn du wieder im sicheren Hafen bist, hast du den Berg bezwungen.“ Und genau an diese Bergsteigerweisheit denkt Matthias einige Tage später zurück im Basislager, als sie das russische Schiff wegen der Sturmwarnung abdrehen sehen. Sie hatten ihren Triumph am Vulkan genossen, hatten innerlich eigentlich bereits abgeschlossen mit dem Trip und waren plötzlich zurückgelassen auf der Insel. „Wir hatten kein Essen mehr und am nächsten Tag sollte der Sturm kommen, der laut Vorhersage an die zehn Tage dauern sollte.“ Aus dem Ziel den Vulkan als Erste mit Skiern zu befahren, wird das Ziel wieder heil zurück zu kommen. Ihre einzige Hoffnung Matthias Freund Roland, der zufällig in Petropawlowsk ist.


Kampf gegen die Zeit

Roland organisiert einen Hubschrauber. Doch die Tanks haben zu wenig Fassungsvermögen, um zu der Insel und wieder zurück zu fliegen. Ein Kampf gegen die Zeit beginnt. Innerhalb weniger Stunden lässt Roland zusätzliche Tanks in den Hubschrauber "Mi8" einbauen, während auf Onekotan der Wind immer mehr zunimmt. Für die Extremsportler eine ungewohnte Situation, alles was sie tun können ist warten und hoffen. „In dem Moment funktionierst du nur mehr.“ Doch endlich läuft alles nach Plan. Stunden später ist auf der Insel das erlösende Geräusch der Rotorblätter zu hören. Das stundenlange Bangen hat ein Ende. Die Zeit der Ungewissheit ist vorbei. Gerade noch rechtzeitig, die Sturmfront ist zu der Zeit nur noch wenige Stunden entfernt. „Der Hubschrauber hätte nicht viel später kommen dürfen. Wir hatten großes Glück.“ Doch selbst im Hubschrauber ist die Anspannung der letzten Stunden noch zu spüren und in ihren Gesichtern zu lesen. „Anstelle von Freude hat sich erst einmal Erschöpfung breit gemacht. In dem Moment, in dem der Hubschrauber abhob, ist uns langsam bewusst geworden, wie kritisch diese Situation war.“


Und täglich grüßt das Murmeltier

Nach 31 Tagen Abenteuer sitzen sie wieder im Flieger zurück. „Das war der Moment, in dem wir das erste Mal etwas aufgeatmet haben, auch wenn die Anspannung der letzten Tage immer noch überwogen hat.“ Doch trotz der gerade erlebten Gefahr keimt die Sehnsucht nach Abenteuern bereits wieder auf. Als sie Nordsibirien überfliegen, blicken sie aus dem Fenster. Unter ihnen eine wunderschöne Gebirgskette überzogen mit Schnee, ganz in der Nähe des kältesten bewohnten Ortes der Welt. Ein Moment, eine Sehnsucht, ihr nächstes Ziel.


Foto: Jonas Blum

Text: Adriane Gamper

erschienen in: Kufsteinerin - das Magazin

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 



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Wenn die Hände Heilung bringen

Elisabeth Dorfer: Die Gabe, die plötzlich da war


Angefangen hat alles mit ihrem Sohn. Er war gerade erst sechs. Ein Tafelklassler. Ein aufgewecktes Bürschchen, eigentlich. Doch kurz nach der Einschulung geht gar nichts mehr. Der kleine Kerl hat eine Megablockade, sogar die Sonderschule ist von der Lehrerin aus ein Thema. Heute kann Elisabeth Dorfer darüber lachen, damals war sie am Verzweifeln. Doch Elisabeth findet eine unkonventionelle Lösung für die Blockade ihres Sohnes und öffnet damit, ohne es zu wollen, das Tor zu einer anderen Welt für sich selbst.


Am Anfang war das Pendel

An diesem einen Tag vor mehr als fünfzehn Jahren, ist von dieser anderen Welt allerdings noch nichts zu spüren. Elisabeth Dorfer führt ein normales Leben. Sie ist Buchhändlerin und hat nur dieses eine Problem, die Blockade ihres Sohnes zu lösen. „Jemand hat mir den Tipp gegeben, mit meinem Sohn zu einem Pendler zu gehen, und ich habe mir gedacht, das probiere ich einfach aus.“ Elisabeth besucht mit ihrem Sohn den empfohlenen Pendler. „Und er war genau die richtige Person.“ In nur einer Sitzung passiert, was niemand für möglich gehalten hat. Der Pendler öffnet die Energiezentren des Sechsjährigen und der Junge ist von einem Tag auf den anderen wie ausgewechselt. Von Sonderschule ist nicht mehr im entferntesten die Rede. Der Bub wird zum aufgeweckten Schüler. „Der Pendler hat damals zu mir gesagt, dass ich das mit dem Pendeln auch selbst machen kann. Ich habe das auch ausprobiert, aber das Pendeln war irgendwie so lala. Niemand sollte einfach so pendeln, damit kann man sich viele schlechte Energien einfangen, wenn man es nicht richtig kann.“ Vom Pendeln lässt Elisabeth damals lieber ihre Finger, aber trotzdem macht sie diese Geschichte nachdenklich.  

 

Es hat Puff gemacht

Sie beginnt, sich für Energien und die Möglichkeiten damit zu heilen, zu interessieren. „Ich habe mir irgendwie tief im Inneren gedacht, du solltest beruflich etwas anderes machen.“ Sie absolviert eine Kinesiologieausbildung, fängt an, Yoga zu unterrichten, lernt, mit der Dorn Breuss Methode Wirbel einzurenken und schnuppert zwischendurch in Reiki rein. Reiki ist eine Methode des Handauflegens, wobei Energien zur Regeneration von Körper, Geist und Seele übertragen werden. „Und genau dort, beim Reiki, hat es plötzlich Puff gemacht.“ Nach diesem einen Satz stoppt Elisabeth im Erzählen. Von draußen dringen Kinderstimmen in das Vorzimmer ihres Behandlungsraumes. Langsam streicht ihre Hand über das leere Blatt Papier, das vor ihr liegt. Die Kinderstimmen werden leiser. Es ist nur noch das Geräusch, das ihre Hand durch das Streichen auf dem Papier macht, zu hören. In die Stille hinein erzählt Elisabeth plötzlich weiter.


Auf einmal war es da

„Ich hatte die ersten beiden Ausbildungsgrade beim Reiki hinter mir und mit dem Behandeln angefangen. Und dann habe ich auf einmal Dinge wahrgenommen. Ich habe mir gedacht, was ist das jetzt.“ Elisabeth beginnt, während den Behandlungen Dinge zu sehen, vor allem aber zu spüren, vom Herzrasen angefangen bis hin zu verschiedensten Emotionen. „Aber nicht nur bei den Behandlungen habe ich plötzlich alles Mögliche wahrgenommen, einmal war es auch bei der Hausreinigung. Es hat mich damals aus einer Ecke richtig hinausgebogen, wie man es bei Druckwellen, nach einer Explosion sieht. Ich wusste überhaupt nicht, was das soll und woher das kommt.“ Intuitiv fängt sie an, die Ecke des Raumes, so wie sie es bei ihrer Reiki-Ausbildung gelernt hat, zu „behandeln“. Löst mit Symbolen den, wie sie vermutet, Energiestau. „Und plötzlich war die Ecke des Raumes wieder normal.“  

Die Sache mit den Wirbeln

Ihre Empfindungen bei den Behandlungen kann sie dagegen nicht so richtig einordnen. Bis sie ihren Sohn, mit Reiki behandeln will. „Ich wollte ganz normal die Beinlängenkorrektur durchführen, wie man das so macht beim Reiki, nur irgendwie ging das nie. Er hatte immer einen kürzeren Fuß. Als ich mit meinen Händen dann über seinen Rücken gefahren bin, habe ich auf einmal mit geschlossenen Augen geistig vor mir zwei zusammengewachsene Wirbel gesehen.“ Ihr Mann, der mit ihr die Reikiausbildung absolviert hat, meint nur lapidar: „Was du immer siehst.“ Doch Elisabeth lässt dieses geistige Bild von den zwei zusammengewachsenen Wirbeln keine Ruhe. Sie geht mit ihrem Sohn zum Arzt, der ihn röntgt, obwohl er sie für verrückt erklärt. Bis zu dem Moment, wo er das Röntgenbild sieht. „Es war genau so, wie ich es gesehen hatte. Die Wirbel sind zwar nicht vollständig zusammen gewachsen, aber fast.“ Und das ist der Augenblick, in dem Elisabeth klar wird, was während den Behandlungen geschieht. Sie beginnt zu begreifen, dass sie bei sich selbst körperlich die Krankheiten und Blockaden von den Menschen, die sie gerade mit Reiki behandelt, spürt und zum Teil auch bei geschlossenen Augen sieht. „Ich habe teilweise gelitten, das war grauenhaft, besonders am Anfang. Mit den Jahren hat sich das etwas gelegt.“


Die Gabe

Elisabeth Dorfer hat, wie sie es selbst ausdrückt, die Gabe, Krankheiten zu spüren, Blockaden wahrzunehmen und diese dann durch ihren Körper abzuleiten. „Ich vergleiche das oft mit einem Abflussrohr. Ich öffne mich als Heilkanal und leite die Beschwerden durch meinen Körper ab. Oft muss ich weinen, wenn sich Emotionen lösen, die schießen dann richtig durch mich hindurch. Ich versuche, die Beschwerden auszugleichen und bringe so Fluss und Heilung in den Körper hinein.“ Sie beginnt die Behandlung dabei immer gleich mit der Öffnung ihres Heilkanals. „Es ist wie eine Türe, die ich öffne.“ Inzwischen hat sie dafür ihre eigene Methode, wobei sie die Grundlagen aus der Kinesiologie und dem Reiki gelernt hat. „Letztlich ist es schön, das Wissen aus der Kinesiologie und dem Reiki zu haben, aber ich brauche es eigentlich kaum anzuwenden, weil das andere, meine Gabe, viel stärker ist. Im Endeffekt mache ich Reiki gemischt mit meiner Begabung.“ Nach der geistigen Begrüßung des Menschen, streift Elisabeth als erstes seine Aura aus, damit sie sich beruhigt. „Und dann werde ich durch die Energien dorthin geleitet, wo mein Wirken notwendig ist. Viele spüren etwas. Manche fühlen sich wie wenn sie auf einer Wolke schweben würden. Andere bekommen da, wo das Problem liegt, richtige Schmerzen. Was allerdings ein guten Zeichen ist, da so die Heilung eingeleitet wird. Meist übernehme aber ich die Schmerzen, lasse sie durch mich durchfließen.“

 

Ich habe meinen eigenen Mount Everest

Im normalen Alltag schaltet sie ihre Empfindungen, ihre Begabung bewusst komplett aus. „Das würde mich zu sehr stressen. Allerdings spüre ich schon manchmal vor einer Behandlung, noch bevor derjenige bei mir ist, an meinem Körper, wo es hackt. Ich bin schon etwas schräg, ich weiß“, meint Elisabeth lachend. Obwohl sie inzwischen damit umzugehen weiß, sind die Behandlungen für sie teilweise sehr anstrengend. Doch die Freude, Menschen zu helfen, überwiegt und auch das Erleben von, wie sie es ausdrückt, unglaublichen Dingen. „Andere müssen auf den Mount Everest, um außergewöhnliche Dinge zu erleben, bei mir ist das, was ich beim Arbeiten erlebe, schon mehr als außergewöhnlich. Und es sind die Erfolge, die mich vorantreiben und dazu anhalten weiterzumachen. So wie damals bei dem Mann mit dem Herzproblem.“



„Die meisten Menschen leben hinter einem schwarzen Vorhang und sehen oder spüren nicht, was es alles für wunderschöne Dinge zu erleben gäbe auf der Erde. Der Mensch und alles Lebendige besteht aus viel mehr als einfach nur einem Körper.“



Ungeborene Seelen und Herzrythmusstörungen

Es war im vergangen Jahr. Ein Mann mit starken Herzrhythmusstörungen kommt hilfesuchend zu ihr. In der Klinik hatten sie ihm bereits gesagt, dass sie ihn operieren müssen. Viermal lässt er sich nacheinander von Elisabeth behandeln, bevor er wieder ins Krankenhaus geht. Dort herrscht bei der Untersuchung herrscht Ratlosigkeit und Unverständnis, weil das Herz den Mannes plötzlich gesund ist. Während Elisabeth von dem Erlebnis erzählt, verströmt sie pure Lebenslust. Sie strahlt förmlich und kleine Lachfältchen umspielen ihr Augen. Die Geschichte mit den verschwundenen Herzrhythmusstörungen gehört mit zu ihren schönsten Erfolgen. Genauso, wie die Erlebnisse mit den Frauen, denen sie bei ihrem Kinderwunsch helfen konnte. „Ich kann mich noch genau an diese eine Frau erinnern, die zu mir kam, weil sie nicht schwanger wurde. Ich habe eine richtige Blockade im Bereich ihrer Gebärmutter gespürt und sie aufgelöst. Das Schönste aber war, dass ich bereits die zwei Seelen ihrer noch ungeborenen Kinder gesehen habe, die waren schon bei ihr.“ Dass sie die Seelen von noch nicht gezeugten Kindern sieht, das kommt immer wieder einmal vor. Als kleine strahlende Lichtpunkte nimmt sie die ungeborenen Seelen dabei mit geschlossenen Augen während der Behandlung wahr.  

 

85 Prozent

Elisabeth Dorfer weiß aber durchaus, dass sie nicht jedem helfen kann. „Rund 85 Prozent von den Menschen, die zu mir kommen, kann ich helfen.“ Seit sie sich ihrer Gabe bewusst ist, ist ihr eigenes Leben erfüllter geworden. „Das Leben ist wirklich spannend und ich bin so glücklich, dass ich das erleben darf. Meine Mama hat immer gesagt: ´was soll aus dir mal werden.´ Mir war als Kind alles zu hart. Jetzt denke ich mir oft, wow, ich darf das tun. Das ist für mich schon außergewöhnlich und wird auch nie normal werden. Die Ehrfurcht, das tun zu dürfen, wirft mich manchmal fast um, aber das ist auch gut, denn so bleibe ich am Boden.“  

 

erschienen in: BESSER LEBEN

 



 

 

 

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Wenn das Leben richtig Mode macht

Die Kufsteinerin Angie Miller ist erfolgreiche Mode-Designerin. Im zarten Alten von 14 Jahren entdeckt sie ihre Leidenschaft. Aber ihr Erfolgsweg ist alles andere als gerade. Erst Jahre später erwacht in einer Fabrik das, was als Jugendliche ihr Herz erobert hat so richtig zum Leben. Und irgendwie verdankt sie auch ihrer verlorenen Geldtasche, dass sie heute erfolgreiche Designerin ist.


Angie Miller steht mitten in ihrem Outletstore in Kiefersfelden. Mit sicherem Griff nimmt sie eine hellblaue Jacke heraus. Leicht. Anschmiegsam. Weich. Und auch ein wenig frech. Auf der Rückseite ist eine Breze appliziert. Darunter steht in markantem Rot: Aufgebrezelt. Aufgebrezelt ist Angie Miller aber ganz und gar nicht. Irgendwie viel zu nett, zu sympathisch ist sie für eine erfolgreiche Designerin. Oder wie man sich diese eben so vorstellt. Schürft man nach ihrem Geheimnis, entdeckt man schnell, dass es ihr Weg ist, der sie geprägt hat.


Damals als alles noch anders war

Es fing im Internat an“, beginnt sie zu erzählen, während sie sich an den großen Tisch mitten im Laden setzt. Ihre Augen blitzen belustigt bei dem Gedanken an damals. Sie ist gerade 14 als sie ihrer Leidenschaft freien Lauf lässt. Mitten im Internat. Unpassend. Zumindest in den Augen der Lehrer, die mit Strafen dafür nicht geizen. Der Grund: ihre Laufstegzeichnungen, die sie während des Unterrichts skizziert. Angie Miller ist schon damals auf Mode fixiert, aber ihr Vater hat eine Schinken- und Speckerzeugung im dörflichen Brixlegg. Ein mittelständisches Unternehmen. Ihre Eltern bestehen daher auf eine kaufmännische Ausbildung, danach könne sie machen, was sie wolle. Deswegen lebt sie ihre Leidenschaft auf ihre Weise aus, ein wenig geheim aber eben auch während den Schulstunden. „Ich bin in Brixlegg aufgewachsen. Das war ein kleines 3.000-Seelendorf. Da konntest du keine Mode kaufen, die in den Zeitschriften zu sehen war. Ich habe mir Schneiderinnen gesucht und individuell etwas machen lassen.“ Und dann, just als sie ihre kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hat, verunglückt ihr Vater tödlich. So war das nicht geplant. „Ich war 27 und verurteilt, den Betrieb mit meiner Mutter weiterzuführen.“ Endstation Sehnsucht.



Mode begeistert und verunsichert, sie verändert und macht Staunen , sie ist ein Teil unseres alltäglichen Lebens und steckt doch voller Geheimnisse.” 



Die Designerin erwacht

Angie Miller zupft bei dieser Erinnerung nachdenklich ihr weißes Oberteil zurecht. An den Wänden hinter ihr hängen Fotos ihrer Mode: edel und stylisch. Die Pur-Line, wie sie sie nennt. Ihre zweite Linie, die seit einigen Jahren ihren Country-Style erweitert. Ihr Hund springt auf. Die Türglocke geht. Freudiges Gebell. Angie Millers Mann kommt herein. „Ich habe spät geheiratet. Erst mit 37. Mein Mann hat nach der Hochzeit zu mir gesagt ´und jetzt machst du das, was dir Spaß macht`.“ Zu der Zeit wohnt sie schon in München. Was ihr immer noch Spaß macht, ist Mode. Nur sie hat keine Ausbildung als Designerin. Aber jede Menge Gefühl für Stoffe und Schnitte. Genau das, was eine gute Designerin braucht. Gefühl und Kreatitivät. Also geht sie einkaufen. Einfach so. In einem Münchner Modegroßhandel. Und sie legt los. „In meiner Familie hat nie jemand was gefunden, was passte. Also bin immer ich losgezogen und mit unzähligen Säcken retour gekommen.“ Ja, das Gespür dafür, was wen wie kleidet, hatte sie schon immer. Und wie das Schicksal es will, wird Angie Miller’s Talent auch in diesem Münchner Modegroßhandel erkannt. Sie kommt als Kundin, geht als Verkäuferin. Aber als das Geschäft nach zwei Jahren aufgelöst wird, steht sie erneut vor dem Nichts. Jobbt mal hier mal da. Auf der einen Seite ist sie überqualifiziert, auf der anderen Seite kann sie keine Schnitte zeichnen. Erneut fasst sie sich ein Herz. In Strickfabriken holt sie sich Kommissionsware und beginnt, diese auf von ihr organisierten Events zu verkaufen. Das Geschäft funktioniert, doch wirklich Gefallen findet sie an der Mode, die sie verkauft nicht. „Mit der Zeit habe ich begonnen, mich dann als Designerin aufzuspielen, habe gesagt macht das so und das so.“ Bis zu dem Moment, wo sie in diese eine Fabrik kommt und alles anders wird. 


Liebe auf den ersten Blick

Es war, wie wenn mich ein Blitz getroffen hätte. Ich ging da rein und dann habe ich es gesehen.“ Beim Erzählen rutscht Angie Miller aufgeregt hin und her. Ihre Haare fallen über die Schulter nach vorne. Mit einer Bewegung schiebt sie sie wieder nach hinten. Eine Strähne bleibt. Fällt kokett über ihre Stirn. Es war wie die berühmte Liebe auf den ersten Blick. „Ich habe dieses besondere Material gesehen. Walk. Sie haben den Walk an allen Ecken und Enden in der Fabrik verarbeitet. Das Material war so anders als die anderen Stoffe. Mir war sofort klar, dass man daraus viel machen kann. Offenkantig, modern. Ich war wie elektrisiert, gleich voll von Ideen. Bis ich die Mode dieser Fabrik gesehen habe. Die haben doch tatsächlich nur altmodische Sachen produziert.“ Der Walk, ihre Ideen und die altmodische Kleidung der Fabrik, eine Mischung, die in Angie Miller wirkt, als hätte man einen Schalter umgelegt. Noch in der Fabrik, zwischen all dem Walk und den altmodischen Kleidern, fällt sie von einem Moment auf den anderen die Entscheidung, sich nicht mehr als Designerin aufzuspielen, sondern selbst eine zu werden. Sie kauft ein paar Ballen Walk und beginnt, zu zeichnen.


Und dann ging es abwärts

Angie Miller erzählt mit Leidenschaft. Und doch geradlinig. Genauso wie auch ihre Mode ist. Ihre Handschrift findet sich schon in ihrem ersten Modell. „Es hat voll eingeschlagen.“ Ihre Kunden kommen von Salzburg, Wien. Modeagenturen fordern sie auf, eine Kollektion zu entwerfen. Sie hat kein Kapital, nimmt einen Kredit auf. Kauft mehr von „ihrem“ Walk. Zeichnet. Lässt nähen. Scheitert.

 

Der schwärzeste Tag und die Geldtasche

Nach nur drei Monaten ist das ganze Geld weg. Sie war noch auf keiner Messe, um ihre Modelle vorzustellen. „Und ich hätte produzieren müssen. Ich war an dem Punkt, wo ich gesagt habe, jetzt geht gar nichts mehr. Dabei habe ich gewusst, dass ich einen Businessplan brauche. Immerhin war mein Vater Unternehmer und meine Mutter kam aus der Skidynastie Kneissl. Ich habe schon als Kind alles rund um Zahlen gehört.“ Sie lacht als sie ergänzt, dass damals eben die Liebe zum Walk einfach stärker war als ihr wirtschaftliches Wissen. Die Folge: Das Konto ist leer, Rechnungen müssen trotzdem bezahlt werden. Bei jedem Gang zum Briefkasten hat sie Angst, neue Rechnungen zu finden. Eine Freundin gibt ihr die DVD „The Secret“. „Darin haben sie gesagt, man soll nicht davon ausgehen Rechnungen zu erhalten, es könnte ja auch ein Scheck im Briefkasten sein. Ich habe das für lächerlich gehalten. Zuerst.“ Die Wende kommt, als sie ganz unten ist, am schwärzesten Tag ihres Lebens. Sie plant, alles aufzulösen. Und verliert genau an diesem Tag auch noch ihre Geldtasche. „Mit meinem letzten Bargeld. Das Konto war dicht.“



Meine Idee war es, etwas Neues und Innovatives zu schaffen, in der Hoffnung,

dass daraus ein Klassiker wird. Und das ist auch passiert.” 



Der Deal

In der Nacht habe ich einen Deal mit mir gemacht. Wenn ich die Geldtasche wiederfinde, ist das das Zeichen, dass ich weiter machen soll. Ich habe es an das Universum abgegeben.“ Sie findet die Geldtasche. Glaubt an Schecks. Und eine Woche später entsteht das Modell, das auch heute noch der Renner ist. Trotzdem ist es anfangs nicht einfach. 


 

Gott sei Dank kam die Krise“

Die ersten zwei Jahre hört sie von Boutiquen nur: „Ihre Sachen sind schön, privat würden wir sie kaufen, aber wir wollen kein neues Label aufnehmen.“ Bis zur Wirtschaftskrise. Die Boutiquen wollen mit neuem Blut ihre Kunden halten. Angie Miller rotiert. Anfragen über Anfragen. Und das fast von heute auf morgen. Nur die Banken machen ihr das Leben schwer. „Bei meinen ersten Auftägen, bekam ich noch kein Geld von den Banken, es hieß nur, die Aufträge könnten ja fingiert sein. In dem Moment hat mir meine Familie geholfen, die von mir überzeugt war. Mich konnte nichts mehr aus der Ruhe bringen. Das ist der Vorteil meines Alters. Viele kommen aus der Modeschule, freuen sich über ihre ersten Aufträge, haben jedoch keine Ahnung wer ihnen das produziert. Ich wusste, dass alles wie ein Puzzle ist. Du kannst die tollsten Ideen haben, wenn du nicht akribisch bist, gehst du unter.“ Inzwischen hat Angie Miller zwei Produktionsstätten, die für sie nähen. Sie kann immer noch keinen Schnitt zeichnen. Ihre Modelle entwirft sie wie am Anfang im Auto. „Je länger ich fahre, desto besser werden meine Ideen. Das läuft dann wie ein Film vor meinen Augen ab.“ Die Türklingel geht. Kundschaft. 


 



 

 

 

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Vom Übergewicht zum Backbuch

Bettina Ager: 60 Kilogramm  Übergewicht als Ausgangspunkt für eine etwas andere Erfolgsgeschichte


Noch einmal dick sein, bitte

Die Zitrone hat den Boden von Bettinas Glas erreicht. Die Sonne ist untergegangen. Bettinas Gesicht hat immer noch dieses ganz spezielle Strahlen. Ob sie eine Erfolgsfrau ist? Ich würde ja sagen, aber nicht wegen ihrer Erfolge mit ihren Backbüchern oder ihren Yogakursen. Nein, vielmehr wegen ihrer Art, ihren Weg zu gehen. Und vor allem wegen dem, was sie zum Schluss sagt: „Ich bin dankbar für das, was war. Es war gut, dass ich Übergewicht hatte, dass ich gemobbt wurde, so habe ich meinen Weg gefunden, um dankbar zu sein, um alles zu schätzen. Wenn alles geradeaus geht, schätzt man es nicht. Es muss immer mehr sein, nichts ist genug. Ich seh das so oft. Natürlich hätte ich nicht 10 Jahre gemobbt werden müssen und so viel Übergewicht hätte auch nicht sein müssen, aber ich bin dankbar dafür.“ Eine Einstellung mit Seltenheitswert. Vor allem als sie sagt, dass sie, wenn sie noch einmal auf die Welt kommen würde und sich entscheiden dürfte, noch einmal alles so haben wollen würde.

 



Wie alles begann

 

Eineinhalb Stunden vorher. Es ist Abend. Die Hitze des Tages legt sich langsam. Auf der Terrasse des Restaurants ist nicht viel los. Bettina Ager sitzt mir gegenüber. Vor ihr ein Mineralwasser. Oben auf schwimmt eine Zitronenscheibe. Gesprächsthema: Bettina´s Backbücher. Eigentlich. Bis zu dem Moment, wo ich frage, wieso sie angefangen hat, Backbücher zu schreiben.

 

Ananas & Kokos auf der Alm

Wer Bettina beim Sport erlebt, der merkt, dass das nicht nur ein Hobby, sondern viel mehr eine Leidenschaft ist. Sie bewegt sich gerne, und viel. Es gibt fast keinen Tag ohne Sport. Heute war sie, wie sie erzählt, schon um vier Uhr auf, um in die Berge zu gehen. Und dort draußen in der Natur, in den Bergen, wenn sie allein ist, entstehen ihre Rezepte. „Mich inspiriert die Natur. Wie letztens als es so heiß war, da hab ich mir gedacht, jetzt wäre was mit Kokos und Ananas gut. Aber da ich nach Möglichkeit heimischer Produkte verwende, überlege ich mir, wie ich den Geschmack mit Produkten von uns bekommen könnte.“ Wieder zurück aus den Bergen, schreibt sie die Rezepte, die in ihrem Kopf entstanden sind auf, probiert sie aus, verfeinert sie.


Übergewicht, die Spitze des Eisberges

Ihr erstes Backbuch schreibt sie 2006. Auf die Frage wieso, wird Bettina kurz ruhig. Ihr Blick ist nachdenklich und doch ist da auch eine große Portion Stolz zu sehen. „Es war für mich ein Weg. Weil ich sehr übergewichtig war.“ Und das sind die Sätze, die alles in ein neues Licht rücken. Die Spitze eines Eisberges. Die Spitze von 130 Kilogramm.  



 

„Ich war zu Hause und habe gegessen, aus Langeweile.

Nur noch gegessen.“

 

 

130 Kilogramm

Bettina´s „dicker Weg“ beginnt als Kind. „Ich bin erblich vorbelastet, aber das ist nicht der Hauptgrund, dass ich lange Zeit so übergewichtig war. Ich habe als Kind zugenommen und dann war das wie eine Spirale.“ Kinder sind direkt. Und können auch gemein sein. Als Bettina beginnt dicker zu werden, spielen die anderen nicht mehr mit ihr. „Ich war zu Hause und habe gegessen, aus Langeweile. Nur noch gegessen.“ Bettina lebt mit ihrem Übergewicht und den Hänseleien. Der Wendepunkt. Ihre Firmung. Sie findet nichts Passendes zum Anziehen. Es macht zum ersten Mal Klick.

 

Achtung! Zurücktreten! Der Zug fährt ab

In der Ferrarischule wird sie gemobbt. In den Sommerferien arbeitet sie in der Schwimmbadkantine, darf alles essen was sie will. „Da habe ich mir gedacht, wenn du das jetzt nicht schaffst, ist der Zug abgefahren.“ Und der Zug fährt ab. Allerdings mit ihr als Lokführer und in die Richtung, die sie bestimmt. Sie nimmt ihr Leben und ihren Körper in die Hand. Beginnt abzunehmen. Ein steiniger Weg. Ein Weg, der sie aus heutiger Sicht immer begleiten wird. Als absoluter Diätgegner abzunehmen ist nicht einfach. Sie fängt an, das Abendessen auszulassen und nicht mehr nebenbei zu essen. „Eine harte Zeit. Ich habe nächtelang nicht geschlafen; vor Hunger. Ich habe oft geweint. Aber auf einmal sind da Erlebnisse und Gefühle, die kannst du nicht beschreiben – wenn plötzlich jemand fragt, ob du abgenommen hast.“ Mit ihrem Höchstgewicht von 130 Kilogramm ist sporteln nicht möglich. Umso größer das Hochgefühl, als auf einmal wieder etwas geht. „Ein Wahnsinns-Feeling. Ich kann das jedem nur ans Herz legen. Man muss halt so abnehmen, dass man noch normal leben kann.“ 

 

 

 

Ich spreche aus Erfahrung, das Übergewicht

kommt bei den meisten nicht von ungefähr. Nur ein geringer

Prozentsatz ist aufgrund einer Erkrankung dick. Für die meisten gilt: ein leerer Sack steht nicht. Nur keiner will es sich eingestehen.“

 

 

 

Kuchenmarathon

Normal leben. Für sie gehört dazu auch Kuchen. Ihre Versuchskuchen gelingen meist bereits beim ersten Mal. Und doch feilt sie daran herum, bis sie für sie perfekt sind. Vor allem, wenn ein neues Buch ansteht, macht die Sekretärin schon einmal fünf Torten an einem Sonntag. Nur dann hat sie genügend Zeit. Die Kuchen bekommen dann ihre Testesser. Bewohner des Altersheims in ihrer Nähe, Kinder von der Bubenburg und das Caritaszentrum in Uderns. „Letztlich ist es ein Gegengeschäft. Sie bekommen die Kuchen, ich die Kritik. Vor allem behinderte Menschen sind ehrlich. Wenn einer sagt, ich habe fast keine Äpfel abbekommen, dann weiß ich, dass ich mehr Äpfel hinein geben muss.“ Es ist auch schon passiert, dass eine Torte aus dem Buchkonzept rausgeflogen ist, weil zwei, drei sagten, „die ist grausig.“ Bettina lacht. „Ich habe nicht gewusst, was ich ändern sollte oder könnte und ganz ehrlich, ich war auch nicht zu 100 Prozent von der Torte überzeugt.“ Bettinas Augen strahlen, wenn sie von ihren Büchern spricht. Und gleichzeitig ist unverkennbar der Ernst, den sie in diese Sache mit einbringt. Es ist ein Stück ihrer Abhängigkeit.


Abnehmen mit Buchteln & Kasspatzln? Ja!

Die Kilos purzeln, doch nach 30 Kilo ist stopp. Nichts geht mehr. Ein ganzes Jahr lang. Sie nimmt sogar wieder zu. Doch sie ist eine Kämpferin und ihr wird eines klar. „Ich habe meinen Körper jahrelang geschändet. Irgendwann habe ich verstanden, dass mein Körper mit mir beleidigt ist. Wir, ich sage bewusst wir, wir hatten wilde Kämpfe, mein Körper und ich.“ Als gar nichts mehr geht, wendet sie sich an einen Ernährungsberater. Seine erste Frage: „Bettina, was isst du gerne.“ „Ich habe mir gedacht, der ist gut, ich will abnehmen und dann so eine Frage.“ Buchteln mit Vanillesauce, Marillenknödel, Kasspatzln – nicht gerade kalorienarm. Aber genau das, was sie gerne mag und auch heute noch isst. Denn ihr Abnehmerfolg hängt vom Nicht-Verbot ab. Jahrelang war sie in ernährungspsychologischer Beratung und beim Ernährungsberater und hat gelernt, Verbote gibt es nicht. Alles mit Maß und Ziel auch ihre geliebten Buchteln & Co. „Aber nicht fettreduziert, ohne Zucker oder mit Vollkornmehl. Wenn ich mir so etwas gönne, dann richtig und mit viel Genuss.“


 

 

 

Ja, es ist wie bei einem ehemaligen Alkoholiker.

Essen geistert immer in meinem Kopf herum.“


 

 

Trockene Übergewichtige

Als Bettina erzählt, dass ihre Gedanken auch heute noch permanent um das Essen kreisen, kommt unwillkürlich der Gedanke auf, ob ihre Situation mit einem trockenen Alkoholiker vergleichbar ist. Kann man so etwas in einem Interview fragen? Sind die Bücher ihre Art der Therapie? Bettinas Mundwinkel zucken leicht, ob der Fragen, um sich zu einem Schmunzeln zu verziehen. Sie wiegt ihren Kopf hin und her, trinkt einen Schluck von ihrem Mineralwasser. Die Zitrone im Glas schwappt hin und her. Im Wasser brechen sich die Sonnenstrahlen. Bettinas Blick wird ernst. „Es ist schon ein Rad. Ich steh ständig unter Strom. Ich beschäftige mich bewusst sehr viel mit Essen. Und ja, ich trau mich das auch zu sagen, es ist schon noch da.“ Es gibt Tage, da läuft alles aus dem Ruder. Die Kontrolle geht verloren. Zwei bis drei Kilo mehr auf der Waage. Der Kopf blockiert. „Dann geh ich zu meinem Ernährungsberater. Zwei Gespräche und es passt wieder. Ja, es ist wie bei einem ehemaligen Alkoholiker. Essen geistert immer in meinem Kopf herum.“ Fünf Backbücher, das Ergebnis der permanenten Beschäftigung mit Essen. Die Bücher als Therapie. „Wenn du dick bist, wirst du gemobbt, hast kaum oder keine Freunde. Du brauchst etwas, um dich zu beweisen und das war bei mir mit Sicherheit mein erstes Buch.“





Keksalarm

Wer glaubt, dass Bettinas Kuchen keinen Zucker enthalten, oder weniger Fett als andere Kuchen, der irrt. „Ganz im Gegenteil, meine Kuchen sind so, dass ich mit einem Stück genug habe. Und ich esse halt nicht mehr jeden Tag einen Kuchen.“ Kein Kuchen mehr im Vorbeigehen. Kein schnell herunter gebrochenes Stückchen, das in den Mund wandert. Wenn dann richtig. Im sitzen und mit einem Kaffee. „Immer wieder ein kleines Stück Schokolade, wird am Ende des Tages auch zu einer ganzen Tafel.“ Inzwischen ist das fünfte Buch kurz vor dem Erscheinen. Nach Kuchen, Torten, Kleingebäck und Brot geht es dieses Mal um Weihnachten. Kekse, Stollen und Co. Genau die Zeit, die für alle ein Angriff auf die Figur ist. Bettina lacht. Aber da ist auch ein leicht ärgerlicher Zug. „Die pure Ausrede. Zu Weihnachten nimmt man vielleicht zwei Kilo zu. Aber da muss man halt dann einfach mehr sporteln oder eine Mahlzeit auslassen. Niemand ist dick, weil er Weihnachten zu viel gegessen hat.“ Ob sie denn ihre Kekse und Torten nicht verführen. „Mich glustet schon ein Kuchen, wenn ich einen im Kopf habe, aber ich bin sehr konsequent. Ich fordere mich sicher mit jedem Kuchen heraus. Aber ich teste oft meine Grenzen: beim Arbeiten, beim Sport und vor allem beim Essen.“


 

Unflexibel zur schlanken Linie

Auf der Terrasse hinter uns, fangen die Restaurantgäste zu essen an. Bettina schüttelt plötzlich den Kopf. Fast etwas entschuldigend ist ihr Blick. „Ich bin ein sehr unflexibler Mensch. Mich kann man nicht einfach am Nachmittag anrufen und sagen, hey gehen wir am Abend Pizza essen. Wenn ich weiß, dass ich am Abend Pizza essen gehe, dann esse ich untertags weniger.“ Disziplin hoch drei. Einen Ausflug zu machen, ohne genau zu wissen, wann gegessen wird, für sie unmöglich. Auch heute noch lässt sie bis zu zweimal die Woche das Abendessen aus. Hört sehr auf ihren Körper, auf das, was er ihr sagt. Und wenn sie mal mehr isst, dann wird auch mehr gesportelt. Eine Tatsache, die ihr fast zum Verhängnis wurde.

 

 

 

Immer wieder ein kleines Stück Schokolade,

wird am Ende des Tages auch zu einer ganzen Tafel.“

 

 

 

Sportsucht

Heute gibt Bettina Yoga-Kurse. Fast jeden Tag. Aber Yoga ist nicht nur eine ihrer großen Leidenschaften, Yoga hat sie gerettet. Gerettet vor ihrer Sportsucht. Je weniger sie wiegt, desto mehr bewegt sie sich. Bettina läuft. Mit den Jahren immer mehr. Irgendwann ist es soweit, dass sie in der Nacht aufsteht und laufen geht. Am nächsten Tag weiß sie nichts mehr davon. Nur ihre Sportsachen verraten ihr, ihre nächtlichen Aktivitäten. „Lange Zeit habe ich das Ausmaß nicht erkannt. Bis mir untertags die Kraft ausgegangen ist, weil ich viel zu wenig geschlafen habe.“ Sie erzählt ihrem Hausarzt davon. „Er hat nur gesagt, Bettina, du musst etwas anderes machen. Aber ich weiß, dass du es nicht lassen kannst, mach Yoga dazu. Ich habe mir nur gedacht, Yoga, da schnaufen sie doch nur. Da nehme ich nichts ab.“ Sie probiert es trotzdem und findet ihren Ruhepol. Die Sportsucht verschwindet. Als nach fünf Jahren der Yoga-Trainer ausfällt, springt sie ein. Auf Wunsch der anderen Kursteilnehmer. Anfänglich zögerlich, um dann ihre zweite Berufung neben dem Backen zu entdecken.


Kein Dicker fühlt sich wirklich wohl

Während Bettina erzählt, nimmt sie einen Schluck von ihrem Mineralwasser. Heute sind sie gute Freunde, Bettina und ihr Körper. Nach zehn Jahren waren 60 Kilo weg und dieses neue Gewicht hält sich schon über Jahre. Aber sie passt immer noch auf. „Ich spreche aus Erfahrung, das Übergewicht kommt bei den meisten nicht von ungefähr. Nur ein geringer Prozentsatz ist aufgrund einer Erkrankung dick. Für die meisten gilt: ein leerer Sack steht nicht. Nur keiner will es sich eingestehen.“ Auf die Frage was sie anderen rät, wird Bettinas Gesichtsausdruck leicht ärgerlich. Energisch fährt sie sich mit der Hand durch die Haare. „Ich werde aggressiv, wenn jemand mit Übergewicht, ich spreche da von 30 Kilo oder so, zu mir sagt: Aber ich esse ja so gerne. Das ist die klassische Ausrede. Dann sag ich immer: Ich esse auch gerne.“ Auch sie hat sich selbst über Jahre belogen, sich eingeredet, dass sie sich so wohl fühlt. „Aber das kann mir niemand erzählen. Ich weiß wie es ist, wenn du dich die Treppen rauf quälst, oder dir im Sommer der Schweiß zwischen den Hautfalten steht. Natürlich ist es hart abzunehmen. Und es dauert. Aber hinauf gefressen hat man die Kilos ja auch nicht in einer Woche.“ Stundenlang redet sie oft mir ihrer Freundin über das Essen. Und Bettina weiß. Auch dünne Menschen müssen ständig auf ihr Gewicht schauen. „Nur keiner will das zugeben.“

Ihr Tipp: Sofort starten. Nicht erst morgen. Und so abnehmen, dass man

noch normal Leben kann. Denn Kuchen und Kekse gehören

zum Leben einfach dazu

 

erschienen in: Besser Leben

Foto: Bettina Ager

 



 

 

 

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LEIDENSCHAFT IN TANNENGRÜN

 

 

Wenn der Jäger eine Frau ist


Braune Lederhose, Jagdstock, Lederarmband, Gewehr - als Leidenschaft und ganz und gar nicht als Hobby bezeichnet Sabine Gwirl ihr Jägerinnendasein. Keine leichte Leidenschaft zwischen all den männlichen Jägern. Aber sie hat ihren eigenen Weg gefunden. Überraschende Ein- und Aussichten hoch über Kufstein.



Sabine Gwirl ist stolz auf das, was sie tut. Stolz eine Jägerin zu sein, mit allem was dazu gehört. Vom Füttern bis hin zum Aufbrechen. Die Leidenschaft für die Jagd, ist der Wahlkufsteinerin dabei in die Wiege gelegt worden. Vater, Onkel, Bruder, alles Jäger. Jahrelang geht sie mit, beobachtet die Natur. „Es ist zu jeder Jahreszeit schön. Im Winter, wenn du zu den Fütterungen stapfst, im Frühling beim Beobachten der Jungtiere. Jägern ist nicht nur Jagd. Das klingt vielleicht abgedroschen, aber es ist die Wahrheit.“ Als sie sich entschließt selbst Jägernin zu werden erzählt sie ihrem Vater vorerst nichts. Erst, als es darum geht, Schießen zu üben. Seine Reaktion, ein Satz: „Dirndl ich sag dir eines, wenn du Jägerin werden willst, gehört alles dazu.“ Der Blick von Sabine spricht Bände.



„Ich habe entdeckt, dass man als Frau, als Jägerin, am Besten fährt, wenn man mit etwas Gefühl in die Sache reingeht und, ich möchte fast sagen, wenn du ein wenig Demut gegenüber den Jägern zeigst.“  

Männerdomäne – zum Lipgloss eine Portion Demut

Das Kaisergebirge hebt sich stolz vom strahlend blauen Himmel ab. Aus der Ferne sind Kuhglocken zu hören. Sie lacht. „Voll kitschig eigentlich. Aber so schön.“ Ihr Gewehr liegt neben ihr. Die langen blonden Haare sind zusammengebunden. Auf den Nägeln ihrer Ringfinger glänzen jeweils drei Glitzersteine. Der Lack selbst, zurückhaltendes Creme. Dazu ein perfektes Augen-Make up. Sie ist eine der 1.355 Frauen in Tirol, die die Jagdprüfung haben. Eine Leidenschaft mit 91,6% Männeranteil. Wie es ist, als Frau unter all den Jägern? Ihre Augen blitzen belustigt. „Ich habe entdeckt, dass man als Jägerin, am Besten fährt, wenn man mit etwas Gefühl in die Sache reingeht und, ich möchte fast sagen, wenn du ein wenig Demut gegenüber den Jägern zeigst. Was gar nicht geht, wenn du mit den Männern mordsmäßig mitdiskutieren willst, wenn sie über die Jagd reden. Du musst den Mann ganz einfach als Mann behandeln. Ja und ich habe da jetzt auch kein Problem damit.“ Frauenweisheiten zwischen dem Standortwechsel zum nächsten Foto.

Ab in die Schule

 

Ihre Öffentlichkeitsarbeit für den Tiroler Jägerverband bringt ihr den endgültigen Respekt der Jäger. Seit zwölf Jahren besucht sie die Volksschulen im Bezirk, um den Kindern der 2. Klasse über die Jagd, das Wild und die Notwendigkeit eines Jägers zu erzählen. „Ich merke immer wieder, wie sehr sich die Kinder für die Natur begeistern können, aber genauso, wie wenig sie eigentlich von unserem Lebensraum wissen.“ Sabine strahlt. Ihre Augen glänzen. Mit den Händen gestikulierend erklärt sie, was sie alles mitnimmt. Von Abwurfstangen über Felle, Präparate bis hin zum Highlight, ihrem Rucksack. „Da dürfen die Kinder immer schauen, was ein Jäger alles dabei hat und natürlich selbst dank Hut, Lodenumhang, Fernglas und Jagdstock zum Jäger werden.“ 



„Im Großen und Ganzen ist es ein Innehalten und ein Genießen.“



Herausforderung Ruhe

Das Panorama könnte majestätischer nicht sein. Das Grillenkonzert gewinnt an Lautstärke. Einmal durch das Fernglas blicken, so die Anweisung für das Foto. Die Optik passt. Emotion pur. Einfach nur erhaben und edel, bis zu dem Moment, an dem Sabine am gegenüber liegenden Berghang Gämsen entdeckt. Ein kleiner Aufschrei. Die Haare fliegen. Begeisterung pur. Wenn man sie so sieht, glaubt man kaum, dass sie die Grundeigenschaft für einen Jäger mitbringt – ruhig sitzen. „Es gibt da so ein neumodisches Wort – Entschleunigung. Ich musste das auch erst wieder lernen in so einer schnelllebigen Zeit, wo jeder ständig erreichbar sein muss.“ Oft kommen ihr beim Beobachten gute Ideen, lässt sie den Tag Revue passieren. „Im Großen und Ganzen ist es ein Innehalten, ein Genießen, ob das die Luft ist, die Stimmung, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang. Ich mag es, wenn es neblig ist und regnet, du die Erde riechst und das Moos – ich bin einfach ein Naturmensch.“

Von rechts schallt mehrstimmig ein „Weidmannsheil“. Eine Gruppe von fünf Männern kommt vorbei. Man kennt sich, plaudert. Sabine ist anerkannt. Als Frau und als Jägerin. „Ich mag gar nicht sagen, dass die Jagd mein Hobby ist. Es ist eine Leidenschaft und genau das macht es so wertvoll.“ 


Das erste Mal

Auf dem Tisch neben der Hütte breitet Sabine das mitgebrachte Geschirrtuch aus. Tischtuch und Tellerersatz in einem. Etwas Stil muss schließlich auch hier heroben sein. Die Sennerin ist ihre Kühe einfangen. Der sehnsüchtig erwartete Guten-Morgen-Kaffee muss warten. Dafür packt Sabine ihre Schätze aus. Speck, Käse, Brot. Es wird wärmer. Mit ihrem Jagdmesser schneidet sie die erste Scheibe Speck herunter. „Echt scharf“, kommt es belustigt, gefolgt von lautem Lachen. Das Messer hat seine Spuren hinterlassen. Ein zehn Zentimeter langer Schnitt im Geschirrtuch. Plötzlich bricht ihr Lachen ab. Sabines Blick schweift über die Almwiesen. Von der einen Sekunde auf die andere wirkt sie nachdenklich. „Bei der Jagd geht es nicht um das Schießen, auch, wenn der gezielte Schuss dazu gehört. Mein erster Schuss war ein Rehbock. Das Gefühl dabei war wie bei jedem anderen Schuss danach. Es hat sich nichts verändert. Da ist immer noch die gleiche Achtung vor dem Tier. Ich bin immer noch gefühlsbetont.“ Sie ist sichtlich bewegt. Ihr Blick ungewohnt ernst. „Immerhin entnehme ich der Natur ein Lebewesen. Aber ich weiß, warum ich es tue. Und zu jedem Tier, das du erlegst, hast du eine Geschichte, nur für dich selbst.“ Das Kuhglockengeläute wird lauter. Sabine springt auf, zückt ihr Handy. „Ist das nicht lässig. Ein cooles Foto.“ Und da ist sie wieder diese Leidenschaft in Sabines Augen. Die Kühe folgen dem schmalen Weg in Richtung Alm. Mittendrin die Sennerin. 

 

Sechs Stunden, ein paar Schneeschuhe, zweimal die Woche

Das Revier von Sabine Gwirl ist am Wilden Kaiser. Jede freie Minute ist sie dort, um die Natur zu genießen. Im Winter gilt es drei Fütterungen zu bestücken. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, der auch Jäger ist. „Viele glauben, wir füttern das Wild, um uns Trophäen heran zu züchten. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus.“ Früher bewegte sich das Wild bei der Futtersuche in unbesiedelte Tallagen. Bei der heutigen Siedlungsdichte unmöglich. Noch dazu dringt der Mensch nun auch im Winter immer mehr in den Lebensraum Bergwald ein. „Das ist kein Vorwurf. Das ist eine Tatsache.“ Das Problem. Im Winter fahren die Tiere den Stoffwechsel herunter, bewegen sich langsamer. Von Menschen überrascht zu werden, bedeutet Stress verbunden mit Angst; und das ist im Winter nicht gut. Deshalb lenken die Jäger die Tiere mit den Fütterungen an Stellen, wo sie ungestört Futter aufnehmen können. Für die Jägerin harte, aber schöne und notwendige Arbeit, die sogar gesetzlich geregelt ist. Bei geschlossener Schneedecke muss Rotwild gefüttert werden. Zweimal die Woche durch den Schnee. Kondition und Schneeschuhe sind gefragt.

„Ich bin dankbar, dass ich jagen gehen kann und nehme das sehr ernst. Wenn du siehst wie beeindruckend die Natur ist, das vergisst du nicht mehr, das bleibt.“ Und ihre Augen haben schon wieder diesen speziellen Glanz.



 

 

 

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SPRING ICH ODER SPRING ICH NICHT?

Ein Training mit der Wasserrettung Kufstein

 

Vom Frühjahr bis zum Herbst übt die Wasserrettung Kufstein alle vierzehn Tage im Inn. Von der Anfahrt zum Einsatzort bis hin zum Brückenspringen. Für die aktiven Mitglieder der Wasserrettung Routine, doch was passiert, wenn man als Redakteur das Angebot annimmt einmal mitzutrainieren?


Der Tag davor. Ein Telefonat mit Michael Hämmerle. Die Offenbarung. Nicht von einer Brücke, sondern von mehreren heißt es springen. Er meinte irgendetwas von Suchtgefahr. Sorry, aber momentan besteht bei mir nur Fluchtgefahr. Fußgänger-Innbrücke in Enddach. Wenn ich nicht die Sorge hätte beim retour klettern über die Brüstung runter zu fallen, ich würde es augenblicklich machen. Für die Füße sind geschätzte fünf Zentimeter Platz. Unter mir eine braune Brühe, weiße Schaumkrönchen. Sehr verlockend.

 

Wie alles begann

 

Irgendwie klang das damals am Schreibtisch ganz anders. So easy. „Wie wäre es mit einer Reportage über das Innschwimmen mit der Wasserrettung?!“ Klingt doch recht harmlos, so eine Ansage vom Herausgeber. Und ein wenig im Inn herumschwimmen, zugegeben ein Jugendtraum. Betonung auf herumschwimmen. Wieso also nicht. Immerhin, vom Frühjahr bis zum Herbst geht es für die Wasserrettung Kufstein alle zwei Wochen in den Inn. Es wird geübt für „alle Dinge, die passieren können.“ Michael Stock lehnt entspannt an der Mauer vor der Halle der Wasserrettung. Sommerbräune, spitzbübisches Lachen. Das Boot ist bereits am Hänger. Die Ersten erscheinen im Neoprenanzug. Kurzes Infointerview bevor es los geht. Michael Stock, Einsatzstellenleiter der Wasserrettung Kufstein und sein zweiter Stellvertreter Michael Hämmerle stehen Rede und Antwort.

 

 

Fünfmeterbrett

Von der Rettung im Wasser bis hin zur Anfahrt zum Einsatzort, wird von den aktiven Mitgliedern der Wasserrettung alles immer wieder geübt. „Ach ja und Brückenspringen. Das machen unsere Leute total gerne“, kommt es mit einem frechen Grinsen vom Einsatzstellenleiter. Mir ist nicht so ganz zum Grinsen. Wie hoch die Brücken sind? Die zwei Michaels blicken sich kurz an. Wieso kommt da plötzlich ein leicht misstrauisches Gefühl in mir auf? Michael Stock erklärt mit einem souveränen Lachen im Gesicht, dass das vom Wasserstand des Inns abhängt. „Momentan ist der Inn eher niedrig. Daher sind die Brücken so zwischen fünf und maximal sechs Meter hoch. Das ist wie beim Springen vom Fünfmeterbrett“, kommt es lapidar daher. Fünfmeterbrett; sorry aber ich spring freiwillig nicht einmal vom Dreimeterbrett. Es sei ja eh viel einfacher, werde ich aufgeklärt. Und von der Bahnhofsbrücke, da springen alle sowieso viel lieber.“ Großes Grinsen in zwei Gesichtern. Wegen den Zuschauern kommt die Aufklärung. „Das Publikum in den Cafes, die Passanten, da will sich niemand die Blöße geben.“ Wobei niemand springen muss. Wenn jemand nicht will oder einen Rückzieher macht, ist es Ehrensache für alle von der Wasserrettung, dass niemand blöd redet.


Eins, zwei

Fotowunsch: Alle gleichzeitig. Sechs „Verrückte“ auf der Brücke. Bei drei Absprung. Im Wasser der Jetski und das Boot der Wasserrettung. Die Gedanken einer Frau vor dem Sprung? Hält die Wimperntusche – grauenhaft diese „Ich war im Schwimmbad und hab mich vorher geschminkt Bilder.“ Eins! Direkt unter mir schwimmt ein Stück Holz vorbei. Nicht groß. Zumindest von hier heroben aus betrachtet. Vielleicht so an die dreißig Zentimeter. Zwei! Das Dröhnen des Jetskis kommt näher. Eine Fahrradklingel durchbricht das Getöse. Das Rauschen des Inns ist kaum zu hören. Das Stück Holz ist verschwunden. Adrenalinpegel, nicht mehr messbar würde ich sagen. Im Zeitlupentempo rinnt ein Schweißtropfen den Rücken hinunter. Neopren bei über dreißig Grad = Sauna.



„Wenn man in einer Topverfassung ist, hätte man schon Chancen an den Rand zu kommen, wenn die Wassertemperatur nicht wäre. Im Hochsommer zwölf Grad, ansonsten acht und weniger. Ohne Neopren kühlst du sehr schnell aus. Im Minutentakt. Die Muskulatur krampft, wird überbeansprucht, dann gehst du sang und klanglos unter“ – Michael Stock




Lebensgefahr – vor Nachahmung wird gewarnt

Ein Sprung in den Inn ohne Neopren, Schwimmweste und dem Beisein der Wasserrettung ist ein Spiel mit dem Leben. „Wenn man in einer Topverfassung ist, hätte man schon Chancen an den Rand zu kommen, wenn die Wassertemperatur nicht wäre. Im Hochsommer zwölf Grad, ansonsten acht und weniger. Ohne Neopren kühlst du sehr schnell aus. Im Minutentakt. Die Muskulatur krampft, wird überbeansprucht und dann gehst du sang und klanglos unter“, erklärt Michael, während er selbst seine Schwimmweste über den Neopren zieht. Genauso wichtig ist es aber für die Wasserretter diese Sprünge für den Ernstfall zu üben, nur so wird der Sprung von der Brücke zur Routine. Nur durch dieses laufende Üben ist gewährleistet, dass sie sich selbst im Ernstfall nicht in Gefahr bringen und wissen, wie sich agieren müssen.


Drei

Wie war das gleich noch einmal? Gerade eintauchen sonst kann es blaue Flecken geben. Hände vor dem Körper. Drei. Es gibt diese Momente, in denen man einfach nur funktioniert. Keine Ahnung, wo meine Hände sind. Auf jeden Fall nicht mehr an der Brüstung. Es ist ein Gefühl von Unendlichkeit. Gedanken? Keine. Und dann Wasser. Überall. Luftblasen perlen durch den Neoprenanzug. Sektglasfeeling. Die Endlichkeit hat mich wieder. Brückensprung die Erste. Ein unglaubliches Gefühl. Wobei, wenn ich in dem Moment gewusst hätte, was noch auf mich zukommt. Aber davon sagt mir jetzt natürlich keiner was.

 

75 km/h

Der Jetski braust heran. Mein Taxi. Mit bis zu 90 km/h geht es im Notfall quer über den Inn. Im Einsatzfall fahren die ersten drei, die bei der Einsatzzentrale ankommen und die Befähigung haben den Jetski zu verwenden, mit dem Schnelleinsatzgerät los. „In den meisten Fällen geht es um Einzelpersonenrettungen. Da ist das absolut ausreichend“, höre ich Michael Stock sagen, während der Jetski neben mir hält. Nichtsdestotrotz fährt zur Unterstützung der Rest der ankommenden Wasserretter mit dem Boot nach, um Assistenz zu leisten. Auf einer vom Landesverband selbst programmierten App, wird durch das GPS der Funkgeräte genau angezeigt, wo sich wer befindet. „Die Aktualisierung erfolgt im Minutentakt. Da siehst du genau, wo wer ist, wenn er zum Einsatz fährt und kannst abschätzen, wie lange er noch braucht.“ Ich brauche momentan auch etwas; um auf den Jetski zu kommen. Mit 75 km/h

geht es über den Inn – Adrenalinkick die zweite.

 

Baywatch ich komme

Ob ich noch einmal springen will? „Wieso habe ich nur ja gesagt“, denke ich Bruchteile vor meinem zweiten Sprung. Das Feeling – gleich wie beim ersten Mal. Michael Hämmerle schaut zu uns runter bevor er sich auf den Weg zur Bahnhofsbrücke macht. Die Wasserrettung ist seine Leidenschaft. Auf die Frage wieso er zur Wasserrettung gegangen ist, lacht er leicht verlegen. „Ich bin dabei seit ich zwölf bin. Wegen Baywatch.“ Ich muss grinsen und kann mir die Frage nicht verkneifen: „Wegen den Blondinen oder David Hasselhoff.“ Michael lacht laut auf. „Ah ja, das lassen wir jetzt einmal. Sagen wir mal so, das mit den Frauen funktioniert nicht so, aber es ist einfach ein Megaspaß.“ Mir vergeht das Lachen inzwischen. Ich soll irgendwie ganz nach links schwimmen und dann aus dem Inn raus, bei der Rampe wohlgemerkt und nicht irgendwo.

 

Die Challenge

Die Bahnhofsbrücke schaut höher aus. „Reine optische Täuschung“, erklärt mir Michael Stock und verschwindet ziemlich rasch. Kann man sich so täuschen? Keine Zeit zum Nachdenken. Rechts von mir höre ich: „Jetzt kommt die Challange!“ Springen von der Brüstung der Bahnhofsbrücke. Kann man einen Laternenpfosten lieben? Ja. Zumindest den, an den ich mich gerade klammere. Bei drei soll ich meine neue Liebe loslassen und springen. Unbedingt gerade eintauchen. Die Hände vor dem Körper lassen. Bei eins macht sich irgendeine Gehirnzelle Gedanken darüber, wieso diese strikten Anweisungen. Ist doch jetzt schon mein fünfter Sprung.“ Aber wer beachtet schon eine einzelne Gehirnzelle? Bei zwei verbiete ich der Gehirnzelle sämtliche Zweifel. Bei drei springe ich. Die Unendlichkeit dauert länger. Viel länger. Etwa drei Meter länger, wie ich später erfahre. Neun Meter – drei Stockwerke in den zwölf Grad kalten Inn. Wo ist dieser Michael Stock.

 

Wie es weiter geht

Kekse gehen die Runde. Wie kann man jetzt etwas essen? Alle stehen vor der Wasserrettungshalle um eine Kiste Bier. Laue Sommernacht. Mein Adrenalinspiegel bewegt sich in messbare Bereiche. „Willst du nicht einmal mit uns zum Canyoning?“ „Ja, wieso nicht“, höre ich mich sagen. Tief in mir drinnen weiß ich, dass ich mich dafür noch verfluchen werde ;-)


erschienen in: www.kufsteinerin.at

Foto: www.vanmey.com



 

 

 

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Wenn der Weg dich findet



Energetikerin und mehr

Es ist schon etwas unheimlich, wenn sie von ihrer ersten Begegnung erzählt. Auch, wenn es für sie inzwischen dazu gehört. Aber damals haben sogar ihr die Knie gezittert und der Schnaps danach musste einfach sein. Ihre blaugrauen Augen leuchten. Kleine Lachfältchen werden sichtbar. Und dann ist es wieder da, dieses einzigartige Strahlen, das ihr ganzes Gesicht überzieht. Brigitte Koidl ist in ihrem Element, das sieht und spürt man.


Gabe gegen Alltag

Brigitte wächst mit vier Geschwistern auf. Eine, wenn man so will, ganz normale Kindheit. Bis auf diesen einen Punkt. Wenn jemand krank ist, legt sich Brigitte mit ins Bett. Als sie einmal in den Sommerferien bei Verwandten ist und es ihrer Schwester nicht gut geht, drängt sie so lange bis sie nach Hause darf, weil sie fühlt, dass ihre Schwester sie braucht. Ihre Mutter erzählt ihr später, dass das schon von klein auf so war. Doch im Alltag geht all das unter. Schule, Ehe, Familie, Arbeit. Alles Alltag, alles normal. Bis zur Scheidung. 

Wenn der Weg dich findet

Sie ist 39. Um die Situation zu verarbeiten, beginnt sie zu laufen. Nicht einfach so, wenn schon dann richtig. Sie läuft einen Halbmarathon. „Das Feeling beim Zieleinlauf, unbeschreiblich.“ Und sie will mehr. Der Wien-Marathon. Nur ihre Knie wollen das nicht. Der Arzt meint lapidar, sie solle stricken, das wäre besser für sie. Brigitte lacht, ihr ansteckendes, lebenslustiges Lachen „Stricken ist nichts für mich.“ Aber dafür Nordic Walken. Sie entdeckt den aufkeimenden Boom für sich und startet erneut voll durch. Sie macht Ausbildungen, gibt Kurse und stellt mit der Zeit fest, was das Walken bei ihr und anderen auslöst. „Ich habe bemerkt, was das Walken mit meinem Körper macht und vor allem auch mit meinem Geist.“ Sie erlebt, wie sich nach einer Stunde walken Probleme einfach auflösen, sich Einstellungen und die Ausstrahlung verändern. Es ist dieses Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein, das sie vorwärts treibt. Und ihr Hunger nach Wissen. Sie will ergründen, was im Körper vor sich geht, macht die Ausbildung zum Ernährungscoach, schnuppert in die Kräuterszene und bildet sich im Bereich Traumakonfliktlösung fort. „Ich spürte, dass der Weg stimmt, aber das Ziel noch nicht erreicht ist. Im Internet bin ich auf die Suche gegangen und dann war sie plötzlich da, die Ausbildung zum medialen Lebensberater und Heiler. Ich habe sofort gefühlt, das ist es.“


Jeder kann Energie übertragen

Das spirituelle war für Brigitte von klein auf normal, etwa, dass Verstorbene unter uns sind oder, dass es hellsichtige Menschen gibt. „Ich habe das alles nur nicht leben können. Schule, Beruf, Kinder, ich war zu beschäftigt für diese Seite meines Lebens. Und vor allem war ich noch nicht offen dafür.“ Mit der Ausbildung ändert sich das. Chakren, Meridiane, Hellsehen, Hellfühlen, die Aura und den Körper scannen, werden während der Ausbildung zum Alltag und Brigitte merkt, was in ihr steckt. „Es war ein AHA-Erlebnis. Ich hätte das nicht gedacht. Es ist eine Gabe.“ Eine Gabe, die jeder, zumindest ansatzweise in sich trägt. Wie die Mutter, die intuitiv ihre Hand auf den schmerzenden Bauch ihres Kindes legt. „Jeder kann positive Energie abgeben. Bei den einen sind es 20 % und bei anderen 100%, das ist der einzige Unterschied.“ Brigitte Koidl hat ihre Berufung gefunden, sie weiß, dass sie Menschen helfen will, ihre Gesundheit zu erhalten und beginnt, mit den ersten Patienten zu arbeiten. Doch was dabei passiert, hätte sie sich nie gedacht.



Besuch aus dem Jenseits

Brigitte legt ihre Hände auf die Wangen, die sich beim Erzählen leicht rot gefärbt haben. Die Energie und Leidenschaft in ihr, ist auch über den Tisch hinweg zu spüren. Es ist eine Mischung aus Aufgeregtheit und Nervosität, die sie auch jetzt, Jahre später, beim Erzählen umgibt. Sie spricht von ihrer Praxis, die sie eröffnet hat und dann kommt dieser eine Satz. Ganz unvermittelt. So als wäre es alltäglich. So als wäre es das normalste auf der Welt. „Im ersten Jahr hatte ich dann schon die erste Begegnung mit einem Verstorbenen.“ Ihre Hände wandern für einen Moment von ihren Wangen weg, hin zu ihrem Mund, den sie zu einem O geöffnet hat. „Das war für mich,“ Brigitte beginnt mädchenhaft zu kichern, während ihr ein „Oh Gott“ entfährt. Dann redet sie weiter. Sie erzählt von der kleinen Praxis in ihrer Wohnung. Von der Klientin, die zu ihr kam, weil sie ein Problem mit ihrem Fuß hatte. Und, dass dann auf einmal dieser Mann da war. „Ich habe mir gedacht, was soll das jetzt. Und dann habe ich die Frau gefragt, ob ihr Mann verstorben ist.“ Das war er und die Beschreibung, die Brigitte der Frau von dem Mann, der so plötzlich erschienen ist, gibt, passt perfekt. Der Mann übermittelt Brigitte einige Botschaften für seine Frau. Alles Dinge, die er ihr nicht mehr sagen konnte, da er vor seinem Tod im Koma lag. „Es war ein wunderschönes Erlebnis für mich.“ Mit einem Augenzwinkern gibt die Energetikerin aber zu, dass sie doch schlucken musste, da es ja ihr erster Toter war. „Aber ich hab mir das ja nicht anmerken lassen dürfen. Als die Klientin dann weg war, habe ich mir erst einmal einen Schnaps gegönnt und auf und auf gezittert.“ Seit damals kommt es immer wieder vor, dass sich Verstorbene melden, wenn sie Anwendungen bei Klienten macht.



Feinfühlig zu sein ist ein Fluch und eine Gabe zugleich.“

 

 

Normal oder Abnormal?

Ein belustigtes Lachen umspielt ihre Mundwinkel. „Gott sei Dank kann man das Auren sehen und die Besuche der Verstorbenen auch abschalten. Ähnlich wie einen Lichtschalter. Denn ich will ja auch normal leben, will ein Privatleben haben. Ich gehe also nicht durch die Gegend und scanne die Leute ab.“ Brigitte hat ihre Berufung gefunden, aber doch auch einiges dafür verloren, wie sie selbst sagt. Ihr Freundeskreis hat sich reduziert. Viele seien nicht damit fertig geworden, dass sie jetzt etwas anderes mache als früher. Dass sie keine „normale“ Frau mehr ist, die zwei Ferienhäuser betreut oder mit Gruppen Nordic Walken geht. „Ich habe vorher etwas normales gemacht.“ Und jetzt? Ist das jetzt abnormal? Lachend wirft Brigitte ihren Kopf in den Nacken. „Für viele Menschen schon. Wobei ich ja die gleiche geblieben bin und doch irgendwie bin ich anders geworden. Früher war ich das Energiebündel, jetzt bin ich ruhiger.“

 

Fluch & Segen

Ruhiger ist dabei sicher eine Definitionssache. Brigittes Augen sprühen bei jedem Satz vor Energie. Ihre Hände gestikulieren temperamentvoll. Von ruhig eigentlich keine Spur. Als Antwort kommt von ihr erst nur ein langgezogenes „Hmmmm“. Für einen Augenblick wirkt sie nachdenklich. Um dann lebenslustig zu antworten, dass sie eben im Sternzeichen doppelter Löwe ist. „Die Power ist immer noch da. Aber es ist einfach mein Inneres. Die Diplom-Energetikerausbildung hat sehr viel aufgelöst. Karma und Kindheit, da hat sich viel bewegt. Die Einstellung zu den Menschen, ich habe jetzt noch mehr Liebe und Herzlichkeit, noch mehr Wärme, es ist schwer zu beschreiben, diese Veränderung.“ Viel intensiver sei ihr Leben jetzt und vor allem hat sich ihre Körperwahrnehmung geändert. Ihre Feinfühligkeit sei aber auch ein kleiner Fluch, weil sie jede Wasserader spürt und sofort kalte Füße bekommt. Momentan sucht sie eine Wohnung, schwer zu finden, wenn auch die Energie passen muss.

 

Achtung Problem!

Weiterhelfen und Weiterbringen sind die zwei großen Themen, denen sich Brigitte Koidl mit all ihrem Fachwissen widmet. Wobei sich jeder auch selbst helfen kann, wie sie sagt. In seinen eigenen Körper hinein spüren, hinein fühlen. Hören was er einem sagen will. „Der entscheidende erste Schritt ist das Problem zu finden. Allerdings liegt genau darin oft die größte Schwierigkeit, da niemand gerne seine eigenen Probleme sieht und diese vor sich selbst verleugnet.“ Und das, so Brigitte, ist dann eine der Hauptaufgaben eines Energetikers; die Blockaden zu finden und bewusst zu machen. Den Menschen zum Umdenken bewegen. Bei vielen Krankheiten, so Brigitte, muss es im Kopf klick machen. Die Ursache für die Störung im System Körper muss einem selbst bewusst werden, dann kann sie behoben werden und der Körper beginnt sich zu regenerieren und die Krankheit verabschiedet sich, wie es Brigitte ausdrückt.

 

 

 Wenn das Unterbewußtsein es nicht zulässt, kann auch der beste Energetiker nichts ausrichten. Unser Unterbewußtsein schützt uns vor Dingen, für die wir noch nicht bereit sind.“

 

 


Krank - wenn die Seele Hilfe schreit

Wenn etwa das Selbstvertrauen immer wieder von außen geschwächt wird, etwa durch Sätze wie: „Lass das, das kannst du nicht.“ Dann geht das irgendwann in die Aura und letztlich weiter in die Chakren. Die Farben der Aura verändern sich und die Chakren werden blockiert. Daraufhin wird etwa der Solarplexus nicht mehr richtig versorgt und Krankheiten entstehen. Jedes Organ steht für einen bestimmten Bereich. Die Bauchspeicheldrüse symbolisiert zum Beispiel die Süße des Lebens. Probleme mit der Schilddrüse sind nichts anderes als der Hilfeschrei: „Wann komme endlich ich dran.“ Wenn man so will, spricht die Seele über Krankheiten des Körpers zu uns. „Heutzutage ist es aber üblich, einfach Tabletten gegen die Symptome zu nehmen und nicht weiter nachzufragen, was denn der Grund dafür ist. Nur, damit wird lediglich die Stimme der Seele unterdrückt. Die Ursache bleibt und mit der Zeit werden weitere Chakren betroffen, das kann soweit gehen, das Krebs entsteht. Wird hingegen die Ursache erkannt und behoben, setzt die Selbstheilung ein.“

Brigittes Augen werden nachdenklich. Ihre Hände, die bisher temperamentvoll gestikuliert haben, liegen auf dem Tisch. Sie nimmt einen Schluck Wasser. Wasser versetzt mit zwei Tropfen Orangenöl. Von draußen ist Kinderlachen zu hören, ein Hund bellt. „Letztlich kann durch eine Aktivierung der Selbstheilungskräfte viel bewirkt werden. Zum Beispiel, wenn du dich schneidest, dann heilt die Haut wieder, bildet sich neu. Gott sei Dank gibt es Ärzte, aber gemeinsam ginge es leichter.“

 


Seit ich meine Bestimmung lebe, fühle ich mich endlich innerlich frei und leicht. Frei von alten Lasten und vielen Blockaden. Es herrscht einfach eine tiefe innerlich Zufriedenheit und Dankbarkeit.“

 

 

Ätherische Öle für die Gesundheit

Der Kontakt mit den Verstorbenen war das erste spirituelle Erlebnis für Brigitte. Eine wie sie sagt unentdeckte Gabe, die so lange in ihr schlummerte. Und doch ist es wieder da, dieses Gefühl, dass noch etwas fehlt. Sie wendet sich der Quantenanwendung zu, beginnt Lachyoga. „Das wollte ich immer schon machen, aber alle haben den Kopf geschüttelt und gesagt, was soll das.“ Jetzt ist der Moment da. Brigitte ist gefestigt genug ihren Weg zu gehen, egal, was die anderen sagen. Sie beginnt die Ausbildung zur Schamanin und findet in ihren reinen ätherischen Ölen das Ziel. „Die Ausbildung zur ärztlich geprüften Aromapraktikantin war das Tüpfchen auf dem i.“

 

Fieber – Pfefferminz

Die ätherischen Öle lösen Blockaden und helfen, die Gesundheit zu erhalten und das Gesund werden zu unterstützen. Wobei die Anwendung von reinen ätherischen Ölen entscheidend ist. „Synthetische Öle, wie sie oft angeboten werden, sollte man keinesfalls dafür verwenden, nicht einmal für die Duftlampe. Sie verkleben nur unser Gehirn.“ Die von ihr verwendeten Öle sind reinste Natur und können sogar eingenommen werden. Das Organgenöl im Wasser, das auf dem Tisch steht, dient ihr an schwülen Tagen wie heute zur Erfrischung. Dabei können die Öle weit mehr. Pfefferminzöl zum Beispiel. Bei Fieber auf die Fußsohlen aufgetragen, reduziert es in kürzester Zeit die Körpertemperatur. Allerdings heißt es sparsam damit umgehen. Zwei Tropfen auf jede Fußsohle sind ausreichend und vor allem bei Kindern unter sechs Jahren, sind echte ätherische Öle aufgrund ihrer Intensität nur sehr verdünnt geeignet. Immerhin: „Ein Tropfen Pfefferminzöl hat die Wirkung von 30 Tassen Pfefferminztee.“ Wer seine Leber entgiften will, dem empfiehlt Brigitte zu Zitronenöl zu greifen. „Einen Tropfen in den Handflächen verreiben, einatmen und die Leber fängt an zu entgiften.“ Verstauchungen, Prellungen, Schnittwunden alles Einsatzgebiete für ätherische Öle. „Geranienöl ist momentan mein persönlicher Favorit. Das Öl löst Stress und heilt viele seelische Wunden.“

 

 

Energie pur

 

Eineinhalbstunden eintauchen in eine andere, spezielle Welt sind vorbei. Ein letzter Schluck Orangenölwasser. Der Weg aus der kleinen Wohnung führt an den Klangschalen vorbei. Sie glänzen in der untergehenden Sonne. Dazwischen steht eine kleine Engelsfigur. Im Freien scheint alles ein bisschen grüner und bunter. Die Vögel scheinen lauter zu singen als sonst. Brigittes Energie wirkt nach. 


erschienen in: www.besser-leben.at



 

 

 

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Hinter der Hecke

Schrebergartenalarm – Schnecken, Bierbrunnen & Jacky

 

Klischeeangriff. Hainbuche reiht sich an Hainbuche. Schräg gegenüber wird auf Liguster gesetzt. Der Kies knirscht. Vor lauter Blätter ist nichts zu sehen. So muss sich der Prinz aus Dornröschen gefühlt haben. Größer müsste man sein. So an die zwei Meter fünfzig. Immerhin die Beschreibung stimmt. Ein Torbogen in der Hecke, der Weg in das Reich von Elisabeth und Gunter – ihres Zeichens stolze Schrebergartenbesitzer.

 

Hinter der Hecke, ein wahres Paradies. Weinlaube, Gartenteich, Gemüsebeete, Blumen. Das einzige was fehlt, Gartenzwerge. Zumindest ist keiner in Sichtweite und damit stürzt das erste Klischee schon in sich zusammen. Auch der alte Herr ist nicht da, leider. Ich hätte ihn zu gerne kennengelernt. Immerhin ist er der einzige, der hier in der Kufsteiner Schrebergartensiedlung beim Kaiserlift wohnt. Sein Wohnrecht hat er sich hart erkämpft. Dass er heute nicht da ist, liegt vermutlich an Fanny. Die ist nicht gerade ein Freund von ihm. Dafür wird er von vielen anderen geliebt, was er unverschämt ausnützt und sich meist selbst zum Essen einlädt, wenn irgendwo gegrillt wird.

 

Vom alten Herrn abgesehen, herrscht Hochbetrieb. Ringsum wird geklopft. Gesprächsfetzen durchdringen die Hecke. Eine leichte Brise sorgt für angenehme Kühlung und treibt das Windrad rhythmisch an. Eigentlich eine Windmühle im Miniformat. Wir sitzen am gemütlichen Holztisch. Wir, das sind ein paar Schrebergartler, die mich in ihre Welt von A wie Astern bis Z wie Zwiebel eintauchen lassen. Zwei gemütliche Holzbänke. Über unseren Köpfen wächst eine Weinrebe. Gesprächsthema Schnecken.

 

 

Kaffeesatzkreise

Die Erzfeinde aller Schrebergartler. Elisabeth verzieht das Gesicht. Ein Wochenende waren sie und ihr Mann nicht da, schon hat sich die Meute über den Steingarten hergemacht. Der Ärger ist Gunter anzusehen und doch will er vom obligaten Schneckenkorn nicht viel wissen. „Wir haben es hier nicht so mit Gift, wir wollen unsere Pflanzen ja essen.“ Elisabeth hat ein neues Kampfmittel. Momentan noch in der Testphase, aber wenn es funktioniert, wird das ein Genuss für alle Gartenfreunde. Den Winter über hat sich Elisabeth mit Munition versorgt und jetzt wurden im Garten Schützengräben angelegt. Wobei eigentlich wurde weniger gegraben als vielmehr aufgeschüttet. Kaffeesatz. Er soll die Schnecken abhalten. Kaffee trinken und die Schnecken fernhalten, ein vielversprechender Genuss, wenn es funktioniert. Rund um die Tomaten ziehen sich jedenfalls schon erfolgreich Kaffeesatzkreise auf der schwarzen Erde.


Bierbrunnen

Schwarze Erde. Das Stichwort für Gunter. Mit einem: „Das musst du dir genauer anschauen“, springt er auf und offenbart die Geheimnisse seiner perfekten Erde. Eine eigene Wissenschaft, deren Ergebnis sich sehen lassen kann. Die Erläuterung wird untermalt vom Vogelgezwitscher. Daneben plätschert der Springbrunnen im Gartenteich. Solarbetrieben versteht sich. Strom? Fehlanzeige. Deshalb zeigt sich Gunter erfinderisch, wenn es um sein kühles Bier geht. Sichtlich stolz geht er zu dem Brunnen gleich neben der Holzbank. Ein Brunnen, der dem Froschkönig alle Ehre machen würde. Beherzt dreht er an der Kurbel, doch anstelle der goldenen Kugel kommt ein Behälter gefüllt mit Getränken nach oben. Ein Testgriff zeigt, alles kühl. Gerade als Gunter die Flaschen wieder in die kühle Dunkelheit gleiten lässt, kommt mit einem „Grüß Gott“ Elfriede um die Ecke. Schrebergartlerin von „gleich gegenüber“. Vor zwölf Jahren hat sich Elfriede verliebt. Sie war im Schrebergarten einer Freundin zu Besuch. „Ich bin dort gesessen und hab mir gedacht, das ist das Paradies, da muss ich her. Koste es was es wolle.“


Datteltomaten legen alles lahm

Jeden Tag sind Elfriede und ihr Mann inzwischen hier. „Es ist wie im Himmel, vor allem jetzt, da wir auch noch den Kaiserlift nebenan haben.“ Zeit für Gunter und Elisabeth wieder in das Gespräch einzugreifen. Auch sie haben natürlich eine Jahreskarte für den Kaiserlift. Wie viele andere Gartler; das gehört seit heuer dazu wie der Grillduft, der normalerweise über die Hecken weht. Nicht über die Hecke aber durch den Torbogenweht plötzlich Gerda. Die Nachbarin von links hinten. Sie musste noch schnell Tomaten setzen. „Datteltomaten. Die habe ich gerade gekauft.“ Datteltomaten! Scheinen eine Sensation zu sein, denn Kaiserlift und Interview sind augenblicklich ad acta gelegt. „Ach du hast Datteltomaten bekommen?!“ „Wo hast du DIE denn her.“ „Vom Mayrhofer, heute ganz frisch besorgt.“ „Ach vom Mayrhofer, da muss ich heute eh auch noch hin, da nehm ich mir gleich welche mit.“ „Kannst du uns auch eine mitbringen.“ „Ja sicher.“ „Oder besser gleich zwei.“ „Aber Gunter, die setzen wir nicht dort unten hin, das hat letztes Jahr schon nicht funktioniert.“ „Das konnte ja auch nicht funktionieren, Tomaten und Gurken vertragen sich einfach nicht.“ „Ach bei mir drüben hat das schon gepasst, wisst ihr noch wie viele Tomaten ich letztes Jahr hatte.“ „Zwiebel, Zwiebel sind optimal neben Tomaten, die vertragen sich. Aber den Schnittlauch darfst du nicht zur Petersilie setzten, das geht gar nicht.“ Oh schau an, neben Jacky und Fanny scheint es noch mehr Dinge hier heroben zu geben, die sich nicht miteinander vertragen.


"Ich bin dort gesessen und habe mir gedacht, das ist das Paradies." Elfriede, Schrebergartlerin



Ein Duft liegt in der Luft

Fanny gehört übrigens zu Gerda, die es sich inzwischen auch auf der Bank gemütlich gemacht hat. Gerda, die mit den Datteltomaten, ebenfalls ein Schrebergartenurgestein. Und bei ihr gibt es ihn endlich, den obligaten Grillduft. Zwar nicht heute, aber „wenn das Wetter passt, grillen wir fast jeden Tag. Und zwischendurch gibt es Salat.“ Oder Zillertaler Krapfen. So wie gestern. Elfriede und Gerda haben wieder ihre Zillertaler Krapfen gemacht. Gemeinsam wird vom Teig angefangen alles frisch zubereitet und dann im Fett herausgebacken. „Das ist schon praktisch, dann riecht es zu Hause nicht danach.“ Dafür werden sämtliche Schrebergartennachbarn mit dem köstlichen Duft gequält. Elisabeth lacht dazu nur. „Wenn einem die Nachbarn einladen, dann passt das schon, ansonsten ist das reinste Folter.“ Deshalb wird immer wieder munter querdurch eingeladen. Nachbarschaft wird großgeschrieben. Auch Nachbarschaftshilfe. Damals etwa, als Gerda in ihrem Gewächshaus festsaß.Raufklettern zum Gurkenanbinden war einfach. Runter ging nichts mehr und das bei stolzen 60 °C im Gewächshaus. Aber ein Anruf bei Elfriede genügt und sie eilt als Kletterhilfe herbei.


Alles für die Katz

Momentan ist Hochsaison. Ab November wird es ruhiger. Dann sind nur noch vereinzelt Gartler hier und Jacky hat das Paradies für sich allein. Er hat sich bei Gerda einquartiert. Anfangs war er nur zu Besuch hier. „Vor allem im Sommer hat er es sich gemütlich gemacht, wenn überall gegrillt wurde,“ schmunzelt Elfriede. Dann blieb er oft auch über Nacht. Und aus Jacky wurde die Schrebergartenkatze, eigentlich ja der Schrebergartenkater. Alles war perfekt bis die Besitzer von Jacky an das andere Ende von Kufstein übersiedelten. Nach sechs Wochen taucht er abgemagert bei den Schrebergärten auf. Und er durfte bleiben. Das war vor vier Jahren. Seither gibt es im Winter warme Essenslieferungen, eine Glocke, die zu Tisch ruft und den einen oder anderen Goldfisch, der außerhalb des Teichs von Gunter gefunden wird.


Klischee ade

Vom Gartentor ist ein energisches „wuff“ zu hören. Das „wuff“ gehört zu Fanny und Fanny wird von Hannes getragen, dem Mann von Elfriede. Noch ist der Tisch groß genug. Es wird gekurbelt. Bierbrunnen im Einsatz.

Nach zwei Stunden ist immer noch nichts vom Grillduft in der Schrebergartensiedlung zu riechen. Gartenzwerge wurden ebenfalls nicht gesichtet. Dafür weiß ich jetzt, dass sich Tomaten mit Gurken genauso wenig vertragen wie Schnittlauch und Petersilie und auf die Schnecken im Garten trinke ich nun erst einmal einen Kaffee. 



 

 

 

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Alte Liebe rostet nicht

Puch VS50 - Wenn das Glück zwei Räder hat 


Mit einem stolzen Lachen im Gesicht hebt er die Abdeckung und schiebt sie auf die Seite. Darunter eine kleine Schönheit. Eine kleine, alte Schönheit. Geradezu liebevoll streicht er über den Benzintank. „Alles Original!“ Seine Augen strahlen. Kein Wunder, vor ihm steht sein Jugendtraum.


Fahrender Traum

Als er ein Jugendlicher war, beleben Mopeds die Straßen von Kufstein. Für Reinhard Amort steht damals schon fest, er will auch ein Moped. Allerdings nicht irgendeines. Es muss ein Puch VS50 sein. „Ich weiß noch genau, wie die Briefträger damals mit solchen Mopeds gefahren sind. So ein schwarzes Puchmoped war einfach mein Traum.“ Und sollte es auch lange bleiben. Zwar arbeitet der Kufsteiner bei der Post und kauft sich privat ein Moped. Aber an sein Traummoped kommt er nicht ran. „1954 sind diese Mopeds rausgekommen. Da gab es die massenhaft, aber jetzt sind sie fast ausgestorben.“ Als Erwachsener sieht er „sein“ Moped zu Duzenden in der Steiermark in Museen, aber zu kaufen, gibt es seinen Traum nirgends.


Klingel trifft Lichtschalter

Ein spitzbübisches Grinsen und Reinhard klingelt. Eine Fahrradklingel. Natürlich Original. „Ein Hupe hat es damals noch nicht gegeben. Und zum Bremsen gibt es einen Rücktritt, wie früher bei den Fahrrädern.“ 1kw, 45km/h Höchstgeschwindigkeit, in der Ebene versteht sich. Auch die Pedale sind wie bei einem Fahrrad gestaltet. Allerdings ist treten zum Starten nicht zu empfehlen. „Das geht zu schwer.“ Anschieben, aufspringen und hoffen, dass der Motor anläuft, ist das Motto von Reinhard. „Und das hier ist der Lichtschalter.“ Tatsächlich. Am vorderen schwarz glänzenden Kotflügel sitzt ein kleiner Kippschalter. Der Einschaltknopf für das Licht. Am Lenker kann noch zwischen Fern- und Abblendlicht gewählt werden – ein echter Luxus.


1957 – ein guter Jahrgang

„Der Tacho hat nicht funktioniert.“ Eigentlich hat gar nichts funktioniert. Damals, als ihn sein Schwiegersohn anrief und ihm sagte, dass er in Hochsöll bei einem Bauern ein Puchmoped VS50 entdeckt hat. „Ich habe gesagt, da muss ich sofort rauf.“ Gesagt getan. Und es kam wie es kommen musste. Liebe auf den ersten Blick. „Ja, das war es wirklich. Vor allem als ich entdeckt habe, dass wir das selbe Geburtsjahr haben.“ 1957. Dass Reinhard ohne sein Moped nicht nach Hause fährt, versteht sich von selbst. Das gute Stück wird sofort aufgeladen. Gefahren ist das Moped damals nämlich keinen Zentimeter. „Motorisch war alles etwas, naja. Aber, es war immer noch die Originalfarbe drauf und kein Rost zu sehen. Das Ding muss 30 Jahre in einem Schuppen gestanden sein.“ Nichts geht, aber wofür hat man denn einen Schwiegersohn, der sich auskennt.



"Ich weiß noch genau, wie die Briefträger damals mit solchen Mopeds gefahren sind. So ein schwarzes Puchmoped war einfach mein Traum."



Die Post ist da

Für über 100 Stunden verschwinden die beiden im Keller. Die Winterbeschäftigung. „Sind schon nett solche Arbeiten im Winter unten im Keller. Wobei ich ja nur der Handlanger war. Die Technik interessiert mich zwar, aber das war es dann schon.“ Kabel, Bremse, Kupplungsseil alles wird erneuert, der Motor komplett zerlegt. Bastelstunde. Alles bleibt Original. Was fehlt, wie etwa die obligatorische Luftpumpe, wird im Original besorgt. Das Tüpfchen auf den i ist für den leidenschaftlichen Postler das Postschild auf dem Kotflügel. „Das habe ich von einem alten Postfahrrad abgeschraubt, das musste einfach rauf. Schon als Erinnerung an die Postmopeds.“


Einmal um den Block

Und dann kommt dieser eine Tag. Ob er sich noch daran erinnert? „Ja, das war schon ein ganz besonderer Tag.“ Reinhard streicht über den Puch-Aufkleber am hinteren Kotflüge. „Der ist auch noch original.“ Ein sentimentales Lachen und ein leiser Seufzer. „Ja das war schon ein Traum, die erste Ausfahrt. Ich bin einmal um den Häuserblock gefahren.“ Und dann natürlich auch der Schwiegersohn. Zwei Runden um das Haus und dann eine kleine aber feine Feier. „Wir haben uns ein schönes Bier aufgemacht auf die Freude, dass das Moped fährt.“ Eine kleine Hürde wartet noch, da es für die alte Dame keinen Typenschein gibt. Aber davon lässt sich Reinhard jetzt nicht mehr aufhalten und im Frühjahr 2013 hat er die Anmeldung in der Tasche und kann richtig losziehen.


Auf ein Eis

Gefahren wird natürlich nur bei Schönwetter und keinesfalls im Winter. „Da würde es ja sofort rosten.“ Heuer war die Schönheit noch nie im Freien, das Wetter war noch nicht schön genug. Wenn Reinhard ausfährt, muss schon alles passen. Und das Fahrgefühl? „Das ist, wie wenn du mit einem E-Bike unterwegs bist. Du brauchst nicht treten und kommst trotzdem vorwärts. Ein angenehmes Gefühl, weil es kein Rasen gibt.“ Voriges Jahr war er mit seiner großen Liebe etwa am Buchberg bei Ebbs, in Mariastein oder auf der Hintertux. Kaffee trinken oder Eis essen. „Weite Ausflüge kannst du vergessen. Ich bleib lieber in der Nähe. Für den Fall, dass etwas nicht funktioniert. Weil schieben ist nicht so nett.“


Schönwetter bitte

1.000 Kilometer ist Reinhard inzwischen damit gefahren. Insgesamt hat die Lady 11.000 Kilometer auf den Rädern. Wobei die Räder sind ja neu, allerdings in Originaloptik, das versteht sich von selbst. „Viele, die mich sehen, denken sich sicher das ist ein Spinner, der fährt mit 58 Jahren mit einem Moped, aber das stört mich nicht. Ich hab einfach meine Freude damit.“ Wann er heuer das erste Mal ausfahren will? „Mal schauen wann das Wetter stabil ist. Aber vorher will ich sie noch einmal putzen.“ Zum Abschluss ist Probesitzen angesagt: Fahrradfeeling mit bequemem, breitem Sattel und eine riesen Portion Nostalgie.



 

 

 

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Hobby in der Dose

Wer suchet, der findet

 

 

Der Tisch ist mit Dosen übersäht. Pet-Rohlinge für Insider. Aber was weiß schon ein Muggle. Muggle? Nein, es dreht sich nicht um Harry Potter. Aber um Geheimnisse und verborgene Schätze. Manfred lacht. Sein erstes Mal war – naja. Eine Punktlandung sieht anders aus, aber er wurde vom Virus infiziert. Das war vor vier Jahren. Die Faszination spiegelt sich in seinen Augen. Etwa dreimal im Monat ist Manfred Weidner an den Wochenenden unterwegs. Ihm geht es wie vielen anderen – Suchtfaktor Geochachen.

 

Gesucht: eine Dose Bohnen

Begonnen hat alles mit einer Dose Bohnen. 3. Mai 2000. Oregon, in der Nähe der Stadt Portland. Dave Ulmer versteckt im Wald einen Eimer mit besagter Dose Bohnen, Geldscheinen, einer CD, einer Videokassette, einem Buch und einer Steinschleuder. Die Koordinaten seines „Schatzes“ stellt er ins Internet. Einen Tag später ist der „Schatz“ mit Hilfe eines GPS-Gerätes gefunden und eine Idee geboren – Geocachen. Indirekt seine Hand im Spiel hat auch Bill Clinton. Er lässt einen Tag vor Dave Ulmers „Tat“ den Störsender, der das Satellitensignal der GPS Satelliten absichtlich verschlechtert hatte, abschalten. Damit können auch Zivilpersonen die Satellitensignale für eine Ortung im Meter-Bereich nutzen.


Schnitzeljagd 2.0

Die moderne Form der Schnitzeljagd mit GPS-Gerät fasziniert immer mehr. Über sechs Millionen Menschen suchen inzwischen weltweit Geocaches – zu deutsch geheime Erdlager. Zu finden gibt es einiges. Rund 2,5 Million Geocaches sind in über 200 Ländern verstreut. Registriert und nachzusehen auf der Internetplattform www.geocaching.com.

Die Kurzfassung für noch nicht Geocacher: Einer versteckt eine „Dose“ mit Logbuch. Gibt die Koordinaten im Internet preis. Andere suchen die „Dose“. Wichtig dabei, beim Finden der Dose von keinem Muggle – so werden die Unwissenden in Anlehnung an Harry Potter genannt – beobachtet zu werden. Der Finder verewigt sich mit seinem Nickname im Logbuch und trägt den Fund im Internet ein. Wer will schreibt dem Owner – dem Besitzer der Dose – was er beim Suchen erlebt hat.



"Ich wollte etwas anbieten, wo die Leute einfach nur "wow" sagen. Und nun gibt es das in Kufstein."

 

 

Der Bulle im Kaisergebirge

Mit 6.150 Funden ist er gerade kein Anfänger mehr, wie der Kufsteiner mit dem Nickname Fred Bull lachend erklärt. Pure Untertreibung. Gut, ein Geocacher in Deutschlad hat über 56.000 Funde und der Spitzenreiter (USA) liegt mit über 112.000 gefundenen Geocaches in weiter Ferne, aber es gibt ja nicht nur das Suchen. Viel lieber versteckt Manfred Caches. Und das äußerst erfolgreich. „Ich habe gleich zu Beginn probiert, einen Cache zu legen. Bei den Logs, den Einträgen im Internet, haben einige meinen Cache gelobt und das hat den Stein ins Rollen gebracht.“ In Insider-Kreisen gilt Manfred schon lange als Superverstecker. 695 Caches hat er inzwischen gelegt. Österreichweit ist er damit Spitzenreiter. Auch mit den Favoritenpunkten, den Bewertungen der Caches, liegt er weit vorne. Hauptsächlich durch die „Wilde Kaiserin“ und seinen Geoart Bullen. 125 Caches im Kaisergebirge. Eine Mystery GeoArt. Die angegebenen Koordinaten führen nicht direkt zum Versteck, es gilt erst ein Rätsel zu lösen, um an die genauen Daten für die einzelnen Verstecke zu kommen. Die eigentliche Besonderheit ergibt sich, sobald alle Caches gefunden sind. Im Internet als Fund eingetragen, ergeben die Caches das Bild eines Bullen.


 

Captain Jack Sparrow

Aber worin liegt die Faszination? „Letztlich ist doch jeder ein kleiner Statistiker“, lacht Manfred. Für jeden gefundenen Cache gibt es einen Punkt „und irgendwann ist jeder soweit, dass er sagt, ich will 1000 Punkte haben.“ Und dann ist da auch noch das Kind im Mann. „Schatzsuche, Schnitzeljagd, es ist alles dasselbe. Als Kind habe ich mit meinen Freunden oft Piraten gespielt und Schätze gesucht, so wie andere eben Cowboy und Indianer spielen.“ Genau das macht er heute noch. Heuer ist Manfred bereits zum 5. Mal als Captain Jack Sparrow beim Ferienexpress dabei und geht mit Kindern geocachen. Für die heurige Schatzsuche am 7. August hat er schon einige Utensilien besorgt. Die Geschichte dazu existiert bereits in seinem Kopf. Im letzten Jahr entstand eine richtige Piratenszenerie in der riesigen Schatzkiste. Mit Piratenschiff, Playmobilfiguren mit Kanonen, Muscheln und Sand. Um zum Schatz zu kommen, galt es 13 Seemannsknoten richtig zu benennen und so den Weg zum Schatz zu finden.


 

Bibione auf der Hinterdux

Die Vorarbeiten waren Abenteuer pur. Ich habe sechs große Mineralwasserflaschen mit Sand aus Bibione mitgenommen. Die Reisetasche hatte nach 100 Metern einen Achsbruch.“ Sieben Mal läuft er den Berg zur Hinterdux hinauf, bis das ganze Material oben ist. 13 Seemannsknoten werden an Bäume gebunden. „Schon zwei Tage später haben zwei Knoten gefehlt. Sauber heruntergeschnitten und mitgenommen.“ Und das sind nicht die letzten, die verschwinden. Aber Ende gut alles gut, 40 Kinder und 20 Geocacher als Betreuer waren begeistert.

 

 

Adventkalender einmal anders

Manfreds Leidenschaft, die Geschichte hinter den Caches. „Ich habe irrsinnig viele Ideen. Die bringe ich zuerst zu Papier und schau dann, ob sie sich umsetzen lassen. Das einzige Hindernis, ich habe viel mehr Ideen als Zeit.“ Und dann geht das ganze auch noch ins Geld, denn, seine Caches sollen etwas Besonderes sein. Wie bei dem Geocache-Adventkalender. Mit dem Adventure Team untere Schranne hat er für den 1. bis zum 26. Dezember und für den 6. Jänner jeweils einen Cache errichtet. 27 Häuser mit Playmobil-Figuren, die verschiedene Szenen nachstellen. Vom Weihnachtsmarkt bis hin zur Krippe.

 

 

"Gecoachten ist wie ein Virus, man wird süchtig, fanatisch süchtig. Du erwischt dich selbst immer wieder dabei, dass du denkst, das mache ich noch, und das auch noch. Undines Sucht zieht sich durch alle sozialen Schichten."

 


Verirrt im Nirgendwo

Die Faszination liegt für viele auch darin, in Gegenden zu kommen, wo sie sonst nie hingehen würden. Besonders beliebt sind dabei Earthcaches. Dort wartet, bei den Zielkoordinaten angelangt, keine Box, sondern eine geologische Besonderheit. Vom Wasserfall angefangen bis hin zu grandiosen Schluchten. Auch in Kufstein gibt es Earthcaches; wo wird nicht verraten. Dafür muss sich schon jeder selbst auf die Suche machen. Eine Suche, die nicht immer gleich zum Ziel

führt, wie Manfred lachend gesteht. „Wir Geocacher verlaufen uns immer wieder einmal - trotz GPS-Gerät. Man sollte halt auch gut Karten lesen können." 


 

Hochansteckend

Wer mit dem Geocachen starten will, braucht nicht viel. Ein Smartphone genügt. Mit diversen Apps, die um die acht Euro kosten, ist man dabei. „Handycacher sind zwar etwas verschrien, weil die Ortung nicht so genau ist, aber für den Anfang genügt das. Und wer vom Virus infiziert ist, kauft sich bald ein professionelles Gerät“, meint Manfred schmunzelnd. Er weiß wovon er spricht, der Geocacher-Virus ist hochansteckend.


 

"Es ist wie ein hochansteckendes Virus, wer es einmal probiert, kommt davon meist nicht mehr los" 

 

 


Planet der Affen – Brasilien ruft

Für den Geocacher „Juzzi-reloaded“, der Manfred mit dem Virus infiziert hat, wird heuer der Geocachertraum schlechthin war. Er will aufbrechen und den letzten verbliebenen Ape-Cache finden. Nicht gerade ein Cache, der ums Eck liegt. 2001 wurden im Rahmen der Produktion des Films „Planet der Affen“ von der Filmgesellschaft weltweit 13 Caches zum Teil an Originaldrehplätzen versteckt. Zur Bewerbung des Films startete damals ein Rätsel, in dem es jede Woche eine neue Mission mit neuen Koordinaten gab. Inzwischen sind alle Caches bis auf einen verschwunden. Und dieser letzte liegt gut bewacht in Brasilien. Ein Tourismusmagnet. Genauso wie die Caches von Manfred. Über 500 der rund 600 Geocaches in Kufstein sind von ihm. Hochgerechnet 5.000 Nächtigenden gehen auf seine Caches zurück. Die meisten kommen aus Deutschland, aber auch Holländer, Engländer und Tschechen sind stark vertreten. Sie kommen extra wegen seinen Caches nach Kufstein. 

  

 

Friedhof der Kuscheltiere

Wie etwa dem Friedhof der Kuscheltiere. Zu finden in der Nähe des Kaiseraufstiegs. Hunderte Kuscheltiere sind es inzwischen. Sie hängen an den Bäumen. Angebracht von Geocachern, die Manfreds Anweisung gefolgt sind, bei den Zielkoordinaten ein Kuscheltier aufzuhängen. Manfreds Augen leuchten, wenn er davon spricht. Und vor allem, wenn es um seine Pläne für 2015 geht. Mindestes 100 neue Caches will er in Kufstein legen. Für alle, die mit dem Virus infiziert sind, die beste Medizin.



 

 

 

 

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Kontrolliertes Risiko



Über den Wolken mit Ex-Profisportler Tobias Schiegl


Die Glaskuppel gibt den Blick nach oben frei. Blauer Himmel, etwas Hochnebel. Im Inneren gefühlte 40 Grad. Direkt vor mir die Instrumententafel. Unzählige Schalter und Anzeigen. In der viersitzigen Maschine wird es immer wärmer. Ob ich flugtauglich bin? Mit dieser Frage hat alles begonnen. Es ginge um eine Reportage über Tobias Schiegl. Ehemaliger Rennrodler. Zweifacher Weltmeister, dreifacher Vizeweltmeister im Doppelsitzer. Und jetzt leidenschaftlicher Flieger. Der Motor springt an, nach dem dritten Versuch, sehr vertrauenserweckend. Der Lärmpegel steigt in dem Ausmaß wie die Temperatur sinkt. Tobias sitzt neben mir. Weiße Schildkappe. Spiegelsonnenbrille. Charmantes Lachen. Die Maschine oder besser das Maschinchen rollt auf die Startbahn. Gras. Einige Sekunden später sind wir in der Luft. Im neuen bevorzugen Lebensraum von Tobias.


Spritztour für den Job

Vor zwei Wochen war er noch in Hawaii. Surfen. Und natürlich fliegen. Vier Wochen Auszeit vom Rodelalltag. Ja richtig Rodelalltag. Auch wenn Tobias Schiegl nach den Olympischen Spielen 2010 seine Rennkarriere an den Nagel gehängt hat, dem Rennrodelsport ist er treu geblieben. Er macht, wie er es ausdrückt, „die Techniksachen beim Verband.“ Ist verantwortlich für das Material. Momentan steht Materialbeschaffung an. Heute Nachmittag geht es noch nach Vorarlberg. Dornbirn. Natürlich mit dem Flieger. Die Schalen werden heute fertig, morgen werden sie schon in Tirol benötigt. „Mit dem Auto wäre das eine Tour in die Nacht hinein. Mit dem Flieger eine kleine Spritztour, die auch noch Spaß macht. Und so ganz nebenbei brauche ich die Flugstunden für meinen Flugschein.“

 

Zehn Minuten für die Zukunft

Das Fliegen hat ihn immer schon interessiert. Dass er dann wirklich den Pilotenschein gemacht hat, war eine 10-Minuten-Entscheidung. Wie alle anderen Rennrodler war er während seiner aktiven Zeit beim Bundesheer. Mit dem Karriereende war auch das vorbei. Sein Glück, das Bundesheer finanziert im Ausmaß der Zugehörigkeit eine Ausbildung. Auf die Frage, was er denn machen wolle, sagt der Langkampfner leichthin: „Ein Pilotenschein wäre cool.“ Es folgt ein Gespräch mit Fly West. „Wobei ich eigentlich nur ratschen wollte.“ Die Aussage, dass er Glück habe, weil morgen ein Kurs in Kundl startet, setzt ihn unter Zugzwang. Nach zehn Minuten sagt er zu.

 

 

 

„Eigentlich bin ich vom Rodeln das Risiko gewohnt, aber bei meinem ersten Alleinflug hab ich mir gedacht – irre, die lassen dich ein Flugzeug fliegen.“

 

 

Risiko unter Kontrolle

Die Kollegen meinen nur „Na servus, wenn DU jetzt fliegst.“ Was das heißen soll, will ich wissen, wohl wissend, dass ich ihm dort im Flieger mein Leben anvertraue. Tobias lacht laut. „Beim Rodeln geht es um Geschwindigkeit und Risiko. Da probierst du beim Fahren schon einmal etwas herum. Im schlimmsten Fall landest du im Eiskanal. Probieren geht in der Luft nicht, da ist kontrolliertes Risiko angesagt. Aber wenn du über 20 Jahre riskierst und probierst, ist das eine Umstellung.“ Schon etwas sagen wir einmal irritierend, solche Aussagen kurz vor dem Start zu hören. Beruhigend ist hingegen, dass Tobias in der Rodelsommerpause zwei bis dreimal die Woche abhebt, seit vier Jahren. Der Langkampfner Landeplatz mit den Senioren, die den Tower betreuen, ist ihm dabei richtig ans Herz gewachsen.

 

Die Sucht nach der Sucht

Der Kaiser hüllt sich in Wolken. Nur die Gipfel ragen majestätisch heraus. Die Maschine schwebt über den Wolken. Selbst jetzt, als Tobias mir den Steuerknüppel überlässt und ich uns in Richtung Hohe Salve dirigiere. Ein atemberaubendes Gefühl. Langsam verstehe ich, was Tobias meint, wenn er sagt: „Fliegen macht süchtig.“ Genauso wie Rodeln. Ob es ihm fehlt? Nachdenklich wiegt Tobias den Kopf. „Es ist ein komisches Gefühl, wenn du neben der Bahn stehst. Ein ganz anderer Rhythmus.“ Zum Rennort fahren, morgens aufwärmen, einmal runter rodeln, Kaffee trinken, den anderen zuschauen, ein wenig am Material rumwerkeln, rodeln. Jahrelang war das sein Alltag während der Saison. Das erste mal neben der Bahn, kommt ihm alles einfach nur seltsam vor. Bis es regnet. „Da habe ich mir gedacht, hier stehen ist weitaus besser als runter zu rodeln.“


Und täglich grüßt das Murmeltier

Recht strikt ist sein Plan aber auch jetzt. The same procedure as every day – könnte man fast sagen. Von Oktober bis Februar heißt es um sechs raus, frühstücken und dann ab an die Bahn. „Du stehst an der Bahn, machst Korrekturen für 14 Leute, gehst Mittagessen, richtest die Rodeln für und mit allen, dann stehst du wieder an der Bahn, um am Abend bis elf wieder die Rodeln herzurichten.“ Unterbrochen wird der Rhythmus nur an den Wochenenden, aber nicht durch Freizeit, sondern durch die Rennen und die Weiterreise zum nächsten Rennort.

Zur Person

Die Naturrodelbahn in Langkampfen war die Wiege seines Erfolges. Mit sieben Jahren fährt Tobias Schiegl sein erstes Rodelrennen, schnuppert Rennluft. Als der Langkampfner ein Jahr später das erste Mal den Igler Eiskanal hinabsaust, ist seine Leidenschaft geweckt. Und es geht steil nach oben. Mit seinem Cousin Markus Schiegl wird er im Doppelsitzer unter anderem zwei mal Weltmeister und drei mal Vizeweltmeister. Seit er 2010 seine aktive Rennrodelkarriere beendet hat, geht er leidenschaftlich gerne in die Luft.


 

Im Hintern viel Gefühl“

Ich komme mir vor wie beim Betrachten einer Modelleisenbahnanlage. Surreal sticht das Pendlinghaus aus der Wolkendecke hervor. Das Grün der Wiesen und Bäume scheint von hier heroben viel intensiver. Der Blick auf das Inntal wird frei. Mir fällt Rainhard Mey ein „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Von Freiheit war während Tobias aktiver Zeit nicht viel zu spüren. Nach drei Wochen Rennpause startete die Trainingssaison. Allein zweimal täglich 2,5 Stunden trainieren. Von Montag bis Freitag. „Das schöpft dich aus. 140 bis 150 kg Bankdrücken und -ziehen. Durch die schweren Gewichte tun dir die Gelenke weh. Aber Rodeln ist ein Kraftsport. Je stärker du bist, umso schneller ziehst du beim Start raus. Und du brauchst viel Gefühl im Hintern.“ Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Tobias schmunzelt. „Du musst spüren, wo du angasen kannst in der Kurve. Ich hatte einmal 95 Kilo, da hast du kein Gefühl mehr im Hintern.“

 

Einmal Schaukeln bitte

Mein Blick ist vermutlich recht ratlos, denn Tobias holt zur ultimativen Rodelkurvenerklärung aus. „Der Unterschied zwischen einem guten und einem richtig guten Rodler ist wie beim Schaukeln.“ Jeder hat es als Kind gelernt. Füsse vor, Oberkörper zurück, wenn du den höchsten Punkt beim Schaukeln erreicht hast. Passt das Timing, kommt man höher hinauf, passt es nicht, wird das Schaukeln zum Gehampel. Beim Rodeln ist es ähnlich. „Du musst den Punkt spüren, wo du den Schub mit dem Körper unterstützen kannst. Triffst du den Punkt, wirst du schneller.“

 

Die Zeit nutzen – Nackt übern Golfplatz

Das extreme Training hat Tobias ad acta gelegt. „Wenn du über 20 Jahre täglich im Kraftraum trainierst, kannst du kein Training mehr sehen. Aber die Zeit danach habe ich noch ausgenützt.“ Tobias schmunzelt spitzbübisch als er mir erklärt, dass die Maximalkraft nach drei Wochen Training weg ist, die Ressourcen vom jahrelangen Training aber zwei Jahre anhalten. Wettzeit. Triathlon in Walchsee. Vor zwei Jahren. Mit einem Kollegen vom Rodelverband, der Schwimmer ist, wettet Tobias, dass er im Schwimmen schneller ist. Heimlich trainiert er mit einem Schwimmtrainer. Wetteinsatz: Der Kollege rennt das 9er Loch am Walchseer Golfplatz, wenn Tobias ihn schlägt. Nackt. „Wir sind zusammen losgeschwommen. Irgendwann gekeuchte er, Tobi, das ist zu schnell, das Tempo schaffen wir nicht. Ich habe nur geantwortet: ich hab doch noch gar nicht richtig angefangen zu schwimmen.“ Grinsend meint er, dass das die Sachen sind, die man gleich nach dem Karriereende machen muss, solange noch Ressourcen da sind. Der Kollege rannte übrigens.

 

 

 

„Auf Hawaii habe ich vor den Haien Angst, das ist ja kein kalkulierbares Risiko.“

 

 

Augen zu und durch

Wir sind im Landeanflug. Tobias verspricht mir, dass ich die Landung verschlafen würde, wenn ich denn schlafen würde. Der Grund, seine Rodelkarriere. „Beim Rodeln musst du eine gute Übersicht haben, wie beim Landen. Du musst dir die Höhe genau einteilen und vorplanen, wann du wo bist. Beim Rodeln habe ich jahrelang nichts anderes gemacht, das liegt mir im Blut.“ Beruhigend ganz im Gegensatz zu seinem Nachsatz. „Fliegen ist kontrolliert, Rodeln sollte möglichst unkontrolliert sein. Das Ziel beim Rodeln, so wenig wie möglich zu schauen, sprich den Kopf aerodynamisch liegen lassen. Du musst riskieren nicht zu schauen, wenn du schneller sein willst. Fliegen ist dagegen ein kontrolliertes Risiko.“ Die Rollbahn des Langkampfner Flugplatzes kommt näher. Sekunden später berühren die Räder das Gras und ich muss Tobias recht geben. Ich hätte mit Sicherheit weitergeschlafen.


Foto: Christian Mey - VANMEY Photographie

Text: Adriane Gamper www.adriane-gamper.com

Text erschienen in: Kufsteinerin - Das Magazin

 



 

 

 

 

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Einmal Brennnessel-Chips bitte

Durchstarten und Teetrinken – wenn eine Familie den Kräutern verfällt



Das erste Kräuterbeet war gerade einmal so groß wie ein Küchentisch. Garniert mit „keine Ahnung von Kräutern“. Aber Gott sei Dank gibt es ja die Mama. Auch im Fall von Martin Grünbacher ist seine Mutter der Rettungsanker, die Kräuterexpertin. Das war vor etwa 18 Jahren. Inzwischen hat sich viel getan. Zahlreiche Kräuterlehrfahrten und „Kräuterexperimente“. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und schwimmt gerade in der Teekanne neben mir. Die sonnengelbe Ringelblume zieht langsam ihre Kreise. Dicht daneben zarte rote Blütenblätter. Goldmelisse laut Inhaltsliste. Aus der Tasse vor meinem Bildschirm steigen Rauchschwaden auf und der Geruch von Minze – Lebensfreudekräutertee, na da bin ich einmal auf die Wirkung gespannt. Auf jeden Fall ist der Tee ein Geruchs- und Geschmacksrückblick auf meinen Besuch bei der Familie Grünbacher. Ihre Heimat, ein kleiner Bergbauernhof in Rettenschöss. Ihre Leidenschaft, der Anbau von Heil-, Gewürz- und Teekräutern. Koasakräuter. Die Saison hat für sie bereits begonnen. Vor kurzem waren sie auf „Bärlauchjagd“. Für ihr Kräutersalz.  

Kampf dem Halsweh

Was Martin bei seiner Kräuterleidenschaft entgegen kommt, er sammelt für sein Leben gerne. „Auf Kräuterjagd zu gehen, ist für ihn ein Vergnügen.“ Rund 1.000 Quadratmeter umfasst sein Kräuterreich heute. 30 verschiedene Kräuter. Ein Traum für jeden Kräuterliebhaber, doch es müssen nicht gleich so viele sein, um optimal ausgestattet zu sein. Zitronenthymian, Rosmarin, Lavendel und dann natürlich Schnittlauch, Petersilie und Salbei sind sozusagen die Grundkräuter. Letzterer schon allein wegen möglicher Halsschmerzen. Als Tee, zum Gurgeln oder einfach ein frisches Blatt Salbei kauen und den Halsschmerzen wird der Kampf angesagt. Wobei auch Salbei nicht immer hilft, wie Martin schon schmerzlich erfahren musste. Mitten in der Nacht: starke Halsschmerzen. Salbei, ergebnislos. Versuch Nummer 2: Thymian; auch nicht gerade erfolgsgekrönt. Aber ein echter Kräuterexperte gibt nicht auf. Auch nicht in der Nacht. Kräuterbuch her. Und siehe da, die Ringelblume soll auch gegen Halsweh helfen. „Die hat dann auch sofort geholfen. Das ist eben das Schwierige bei den Kräutern, du weißt nicht, wo du als Mensch gerade stehst. Und welches Kraut in dem Moment das liefert, was dein Körper benötigt. Das ist wie bei den Bachblüten.“


Frisch, Frischer, Kräuter

Ganz egal welche Kräuter man sein eigen nennt, das Wichtigste ist, dass sie auch frisch verwendet werden. „Es gibt Leute, die ihre Kräuter nie frisch verwenden, sondern immer nur ernten, um sie dann zu trocknen.“ Dabei ist das Trocknen ja nur eine willkommene Form der Konservierung. Wer schon Kräuter sein eigen nennt, sollte sie während der Saison unbedingt frisch verwenden, sind sich die beiden Kräuterliebhaber einig. „Getrocknet werden sollten Kräuter wirklich nur, wenn man zu viel davon hat oder, um sich einen Wintervorrat anzulegen – ansonsten unbedingt frisch verwenden.“  

 

„Drei Tage nachdem wir die Ringelblumenblüten geerntet haben, entsteht wieder ein wahres Blütenmeer. Und das hört nicht auf. Auch, wenn es vielen oft weh tut die Blüten abzuernten, es kommen wieder schöne Blüten nach.“

 

Ernten für ein Meer

Den zweiten Grundfehler, den viele laut Martin machen: nicht ernten. „Durch das Ernten wird die Pflanze angeregt, in der gleichen Qualität wieder nachzuproduzieren.“ Vor allem beim Ernten von Blüten ist das für viele eine Überwindung wie Martin weiß. „Aber, werden die Blüten nicht abgeerntet, setzen sie Samen an und für die Pflanze hat sich die Sache erledigt.“ Das Ergebnis, die Blüten, die nachkommen sind kleiner und nur von geringer Anzahl. Wird aber dann, wenn die Blüten am schönsten sind, geerntet, entsteht innerhalb kürzester Zeit wieder ein Blütenmeer. Und die Pflanzen bleiben auch gesund. So zum Beispiel bei der Melisse. Wer hier auf das Ernten verzichtet, riskiert, dass die Pflanze krank wird. „Wer die Melisse in unserem Klima zu lange stehen lässt, kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass die Pflanze von einem Pilz befallen wird. Die Folge, die Blätter werden „rostig“ und sind nicht mehr zu verwenden.“ 


Kopf ab

Nein, Martin hat mit den Rosen nicht die Liebe zu den Zierpflanzen entdeckt, aber eine weitere Besonderheit für seine Tees. Wildrosenblütenblätter. Die intensiv leuchtenden Rosenblütenblätter stechen aus den Teemischungen geradezu heraus. Das Auge isst eben nicht nur mit, es trinkt auch mit. Und dafür heißt es schlicht und einfach „Kopf ab“ sobald die Rosen am schönsten blühen. Das Ergebnis: Die Rosen „danken“ den Kräuterbauern seine Schnittfreudigkeit mit immer neuen Blüten. Dekorativ sieht es aus, das Glas mit all den leuchtenden Blütenblättern darin, doch wer sie als Tee nutzen möchte, der sollte sie dunkel lagern, und luftdicht verschließen, ideal in einem Glas. Wie übrigens alle Blüten. Ganz anders als Blattpflanzen. Pfefferminze und Co sind am Besten in Papiersäcken kühl und dunkel untergebracht. Die Kräuter werden bei Martin nicht gleich nach dem Trocknen gemischt, sondern erst, wenn Bedarf besteht. Auch wer selbst Kräuter trocknet, sollte diese getrennt aufbewahren. So kann schnell ein individueller Tee für bestimmte Anlässe oder Wehwehchen entstehen. Ein spezieller Tipp von Elisabeth ist auch, die Kräuter nicht vor dem Trocknen klein zu schneiden, da dadurch nur die Oxidationsfläche erhöht wird und die Qualität leidet.


„Wenn sich jemand über Unkraut wie Löwenzahn und Spitzwegerich im Rasen ärgert, einfach essen!“


Unkraut - Mahlzeit

Die beiden Kräuterexperten sind praktisch veranlagt. Auch was diverse Unkräuter betrifft. „Gierschangriff“. Zwischen den knackig grünen Salatblättern reckte einmal das wuchernde Unkraut seine Blätter der Sonne entgegen und drohte, dem Salat seinen angestammten Platz streitig zu machen. Bis zum Gegenangriff von Elisabeth. Unbarmherzig könnte man fast sagen. Jedenfalls ist sich über Unkraut zu ärgern nicht so Elisabeths Sache, sie hat das Wildkraut kurzerhand in die Salatschüssel und auf die Kasspatzel verbannt, Giersch als Petersilienersatz. „Für die meisten Unkräuter gilt, nicht darüber ärgern, sondern essen. Bei einigen muss man nur etwas wegen dem Geschmack aufpassen. Wer etwa zu viel Gundelrebe verwendet, darf sich nicht wundern, wenn das Essen einen leichten Geißengeschmack hat. Aber ein wenig im Salat ist gut für die Leber, das regt zur Entgiftung an.“ Auch sehr zu empfehlen: Schafgarbenblätter, sie sollen, so erzählt Martin, die Wirkstoffe aller Schüsslersalze beinhalten.  

Einmal Weißwurstsenf bitte

Wem Schafgarbe & Co im Salat zu hantig sind, kann mit ein paar Tricks nachhelfen. „Ein süßer Äpfel fein aufgeschnitten unter die Kräuter gemischt, nimmt viel vom etwas hantigen Wildkräutergeschmack“, wie Elisabeth empfiehlt. Wohingegen Martins Geheimwaffe süßer Weißwurstsenf in der Salatsoße ist. „Und mit Kernöl kann man auch noch vieles im Geschmack abrunden.“

 

Brennnesselchips

Apropos Essen. Wenn Elisabeth einmal nicht weiß was kochen, macht sie einen Abstecher in ihre Kräuter- und Gemüsewelt und schaut nach, was der Garten hergibt. Derzeit hoch im Kurs: Brennnessel. Brennnesselspinat ist unter Feinschmeckern wohl bekannt. Schon etwas ungewöhnlicher und durchaus Mut erfordert Brennnesselsalat. „Keine Sorge, es brennt nicht im Hals“, meint Elisabeth lachend. Allerdings muss man vorher den Brennnesseln eins überziehen. Mit dem Nudelholz. Ein paar Mal kräftig über die Blätter rollen und die Brennhaare sind entschärft. Und wer seinen Kindern eine Freude machen will, sollte einmal Brennnesselchips herstellen. Geht schnell und ist auch noch gesund. Elisabeth pflückt dafür einfach junge Brennnesselspitzen und brät sie kurz in etwas Öl. „Die werden knusprig wie Chips und die Kinder lieben sie.“ Dazu passt am besten etwas Kräutersalz – im Falle von Elisabeth und Martin natürlich auch aus der eigenen Produktion.  


„Wer seine Kräuter düngen will - sie freuen sich über Kompost, aber auch Kaffeesatz kann verwendet werden."


Kampf den Gelenkschmerzen

Dass Brennnesseln nicht nur schmackhaft sind, sondern auch Heileigenschaften haben, stellte Elisabeth am eigenen Körper fest. Als bei ihr plötzlich Gelenkprobleme auftraten, riet ihr ein Kräuterexperte, zur Brennnessel zu greifen. Nicht so sehr als Tee, vielmehr roh. Direkt von der Pflanze. Gesagt getan. Zum Entschärfen der Brennhaare rieb sie die frischen Blätter zwischen den Fingern, um sie dann genüsslich noch im Garten zu verspeisen. An die vier bis fünf, immer wieder einmal. Das Resultat nach einer Woche: keine Gelenkschmerzen mehr.


Grünes Hexengebräu

Besonders beliebt sind Brennnessel und diverse Kräuter derzeit bei den trendigen grünen Smoothies. Und wenn jemand einmal keinen Tee trinken will, dem empfiehlt Elisabeth, die Kräuter in einen Krug mit kaltem Wasser zu legen und ein, zwei Stunden zu warten.

Wofür auch immer man Kräuter einsetzt, wichtig ist, dass die Teemischungen immer wieder gewechselt werden. „Immer die gleichen Kräuter zu verwenden, ist mit der Zeit schlecht für die Gesundheit.“ Auch Martin ändert bei seinen Koasakräuter-Teemischungen einzelne Bestandteile. So werden etwa Brennnesselblätter im Laufe der Saison gegen Brombeerblätter ersetzt.  

Einfach loslegen

Wer Lust auf Kräuter bekommt, den rät Martin vor allem die Kräuter in der Nähe der Küche zu haben. Nur dann werden sie auch genutzt. Und wer keinen Garten hat, Kräuter gedeihen auch im Topf oder Balkonkistel Mit Zitronenmelisse, Erdbeerblätter, Johannisbeerblätter, Himbeerblätter als Grundzutaten für einen Tee kann man nichts falsch machen. Und dann heißt es einfach immer der Nase nach und probieren geht über studieren. Wer etwa seinem gereizten Hals etwas Gutes tun möchte, sollte zu Malven, Königskerze, Zitronenthymian oder Spitzwegerich greifen. Sie wirken alle schleimlösend und gegen Halsschmerzen. Von den Zutaten ist in meinem Lebensfreude-Kräutertee allerdings nichts enthalten. Dafür aber Zitronenmelisse und Frauenmantel. Wobei mein Tee neigt sich inzwischen leider dem Ende zu. Nachschub ist gefragt. Vielleicht sollte ich ja einfach einmal nachschauen, was der Garten schon so alles hergibt.

 

 

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erschienen in: Besser Leben www.besser-leben.at

Foto: Martin Grünbacher

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Der Kampf ums richtige Wort

 

Den richtigen Riecher für die Waffe, das Wort 

 


Ihre blonden Locken hüpfen aufgeregt. Von hinten betrachtet erinnern sie an eine Herde Wildpferde, die mit den Füssen trampeln und überlegen in welche Richtung sie rennen sollen. Doch entrinnen gibt es keines. Jetzt nicht mehr. Als sie die Zettel zum dritten Mal durchschaut, fällt einer auf den Boden. Sie hebt ihn auf. Wirft ihre Haare über die Schulter. Steht auf. „Ich hab jetzt etwas ausgewählt“, kommt zwischen einem schüchtern Lachen. Langsam geht sie nach vorne. 60 Augen im Verfolgermodus. Nervosität liegt in der Luft. Stille. Ein Glas wird abgestellt. Stille. Und dann, ganz unvermutet, beginnt sie zu lesen. Bayrischer Akzent.


Der Poetry Slam Workshop im hinteren Bereich der kleinen aber feinen Kufsteiner Buchhandlung fein.kost ist im vollen Gange. Praxisteil. Markus Koschuh hat sich ins Publikum gesetzt und lauscht dem bayrischen Akzent, der von Drogen erzählt. Die Locken hüpfen aufgeregt im Takt ihrer Worte.


Fünf Minuten Hölle oder Paradies

Poetry Slam. Literatur Schlacht. Fünf Minuten für einen Text. Fünf Minuten das Publikum zu begeistern. Fünf Minuten, nach denen das Publikum meist mit Applaus seine Bewertung abgibt. Fünf Minuten, die Markus Koschuhs große Leidenschaft sind. Eine erfolgreiche. Zweifacher österreichischer Poetry-Slam Meister. Vize-Europameister im Poetry Slam 2011. Vater des Kufsteiner Poetry Slam. Seit vier Jahren ist der Poetry Slam in Kufstein zu Hause. Hildegard Reitberger und Brigitte Weninger – die Mütter des Kufsteiner Poetry Slam - sorgten diesen März zum siebten Mal für das Gerüst der Veranstaltung. Markus Koschuh kümmert sich als Moderator und „Seelsorger“ um die Mutigen, die auf der Bühne ihre Wörter lebendig werden lassen.


„Angefangen habe ich mit dem Poetry Slam und dann mit dem Kabarett, weil ich mir mit 80 am Sterbebett nicht vorwerfen wollte, dass ich es nicht versucht habe.“ Das war vor elf, zwölf Jahren. „Der erste Versuch war naja. Der zweite hat Spaß gemacht und dann ging es dahin.“ Klingt einfach. Ist es laut Markus auch. Sofern man ein paar Tipps kennt und beherzigt.


Ohnmächtig auf der Bühne

„Das Leben besteht aus Scheitern.“ Nicht gerade aufbauend, was Markus als ersten Tipp gibt. Und doch die Erfolgsbasis. „Mein erster Bühnenauftritt - eine Katastrophe.“ Saal Tirol. Endstation Sanitätsraum. Ohnmächtig. Noch bevor die Show beginnt. Landesvolksschulsingen. „Ich war sieben Jahre alt. Im habe meine Eltern noch im Publikum gesehen und dann bin ich im Sanitätsraum aufgewacht – meine erste Bühnenerfahrung. Aber da muss man wieder auf die Bühne.“ Learning by doing and failing. Seine Angst genießen. Das ist es, was Markus seither gelernt hat.


Die moderne Art der Folter

Ob der blonde Lockenkopf seine Angst auch gerade genießt? Wohl kaum. Sie verspricht sich, verliert die Zeile. Eine Hand fährt nervös durch die Haare. Die moderne Art der Folter – ein Auftritt vor Publikum. Doch es gibt für Markus eine unumstößliche Tatsache: Ohne Auftrittshäufung wird man nicht besser. Wer nur im Keller oder vor dem Spiegel auftritt, verbessert sich selten. Raus auf die Bühne, auch wenn man fällt. Anders geht es nicht. Denn die eigentliche Angst vor dem Auftritt ist, dass es dem Publikum nicht gefällt, aber „wenn man selbst Spaß daran hat, dann gefällt es halt dem Publikum einmal nicht – egal, bleib dir treu und dann passt das schon.“


Wer scheitern will - hier die besten Tipps

Der Klassiker: Ein Joke zum Beginn. Ein Witz am Anfang zum Auflockern – perfekt, um beim Publikum nicht anzukommen. Vor allem, wenn man weiß, dass man nicht lustig ist. Ist der erste Eindruck erst einmal mies, braucht es lange, bis das Publikum wieder zuhört. „Wer nicht weiß wie anfangen, der soll einfach mit dem ersten Wort seines Text anfangen.“

Auch nicht schlecht, der „hatscherte“ Bühnenauftritt: Ich habe einen Text mitgebracht – „Ja no na ned“, Markus lacht sichtlich amüsiert. „Das wissen wir ja. Aber so ein Beginn wird noch verziehen. Schlimm wird es, wenn eine Minute Einleitung und Vorstellung der eigenen Person vorangeht und der Poetryslamer in der restlichen Zeit mit seinem Text nicht fertig wird.“



„Themen die en vouge sind in wunderschöne Sprache zu kleiden, das plättet das Publikum, das ist dann hin und weg.“



Ein Ende mit Schrecken oder Heiratsantrag

Ebenfalls sehr beliebt, um das Publikum von seinem Nichtkönnen zu überzeugen – kein Ende. Also kein richtiges Ende. Kein durchdachtes Ende. Wie bei jeder Rede gilt, der Anfang und das Ende sind die Hauptzutaten, die im Gedächtnis bleiben. „Der erste Eindruck ist der wichtigste, aber der letzte ist noch wichtiger.“

Der Text alleine macht es nicht. „Du hast nur eine Möglichkeit und fünf Minuten. Es gilt etwas auszulösen beim Publikum mit der Sprache, der Stimme, der Gestik. Manche beeindrucken extremst. Es wurden auch schon Heiratsanträge nach einem Poetry Slam unterbreitet“, streut Markus anregende Theorie.


Hänger – ja bitte!

Eine Struktur in den Text einzubauen, erleichtert es dem Publikum dem Text zu folgen. Refrainartige Wiederholungen. Mit Tempo und Lautstärke spielen. Wer abliest, sollte die Blätter nicht zusammen klammern, um zügig umblättern zu können. Am besten die ersten drei Wörter der nächsten Seite auch auf das Ende der Vorderseite schreiben, um den Lesefluss nicht zu unterbrechen. Besser noch: Auswendig lernen. Ohne Zettel in die Schlacht. Angst vor einem Hänger? Wenn es nach Markus geht, kann einem nichts Besseres als ein Hänger passieren. „Es macht einen extrem sympathisch und letztlich findet jeder wieder in den Text.“ Er selbst hat einmal sogar eine ganze Szene in seinem Kabarettprogramm ausgelassen – eine Situation, die er liebt. Herausforderung pur.


Manöverkritik und ab in die Schlacht

Die blonden Locken haben aufgehört zu wippen. Jetzt hüpfen sie eher aufgeregt hin und her und versuchen der Hand zu entkommen, die sie immer wieder zurückstreicht. Der Text ist zu Ende, die Nervosität nicht. Manöverkritik. Lob und Anerkennung für den Text, Tipps für die Präsentation und von Markus die Anweisung: „Trag den Text noch einmal vor und erzähl ihn mehr.“ Die Antwort: Erschrockenes Lockengewippe. Die Szene der Poetryslamer ist freundlich und verständnisvoll. Es wird versucht, sich gegenseitig zu helfen. Tipps werden gerne gegeben. Vielleicht auch mit ein Grund für den Poetry Slam Boom.



„Frauen, von denen Texte sehr erotisierend vorgetragen werden, das ist momentan in, aber ich kann es schon nicht mehr hören.“



Popliterarische Scheiße“

Allein in Österreich gibt es 40 regelmäßige Poetry Slam Veranstaltungen. Dazu kommen noch Meisterschaften. 350 Zuhörer bei einem Poetry Slam sind keine Seltenheit, bei anderen Literaturveranstaltungen sehr wohl. Auch in Kufstein werden die Zuhörer und Slamer immer mehr. In Kufstein waren bereits beim ersten Poetry Slam 15 Teilnehmer auf der Bühne. Der älteste war über neunzig Jahre alt und „er hat die Bühne so richtig gerockt. Ich glaube wir hatten in Kufstein mit Herbert Sommer den ältesten Poetry Slam Teilnehmer im ganzen deutschsprachigen Raum.“ Für überraschte Gesichter sorgte auch eine äußerst liebenswürdig aussehende ältere Dame um die achtzig, die eine Mischung aus Krimi und Western zum Besten gab. Die Überraschungsmomente sind laut Markus verantwortlich für den großen Publikumsandrang. „Es ist der Kick. Als Zuhörer weiß man nicht was an dem Abend passiert. Auch wenn Poetry Slam oft als Popliterarische Scheiße abgetan wird, es kann extrem lyrisch aber auch Effekt haschend unterwegs sein und das macht den Leuten Spaß. Es kann schon sein, dass man sich bei einem Text denkt, das war ein Griff ins Klo, aber der Auftritt ist ja nach fünf Minuten vorbei.“



„Man muss sich gefallen wollen und nicht dem Publikum, es ist wichtiger seine eigenen Sachen zu machen, als das was dem Publikum gerade gefällt.“



Exhibitionismus auf der Bühne

„Ich habe Leute gesehen, die sehr schüchtern waren. Sie haben Blut und Wasser geschwitzt. Aber das hat mit der Zeit etwas mit ihnen gemacht.“ Poetry Slam & Co, das optimale Mittel um den Selbstwert zu erhöhen. Die Bühne ist immer exhibitionistisch und gerade deshalb werden schüchterne Menschen mit der Zeit offener – ein Gewinn für den Alltag.

Die blonden Locken sind einstweilen im zweiten Durchgang. Keine Hand fährt mehr durch die Haare. Rhythmisches Hüpfen. Die Angst weicht dem Genuss. Auf in die Schlacht! Und wer mitrittern will, im Herbst heißt es wieder: Poetry Slam im Stadttheater.

 

 

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Foto: aus Kufsteinerin - das Magazin, Christian Mey - VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: Kufsteinerin - das Magazin 

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Einfach teuflisch

 

 

 

 

 

 

Eine etwas andere Lebensphilosophie Kaffee & Kardamom

 

 


 

Es ist voller geworden seit meinem letzten Besuch. Hanspeter Teufel hatte mich vorgewarnt. Aber ansonsten, alles gleich liebevoll verrückt. Wie vor fünf Jahren schwebt das Klavier noch immer an einer Konstruktion quer in dem viel zu kleinen Raum. Er hat den Flügel 1989 gekauft, als er in die Wohnung zog. Vorher ausmessen, ob er zu groß ist? Nein. Wieso? Natürlich war er zu groß. Jetzt steht er eben auf einer Stahlträgerkonstruktion und schwebt von der Seite her in den Raum. Darunter ist Platz für ein Podest.

Die, wie er selbst sagt, archaische Küche ist noch genauso voll, klein und gemütlich. Wir sitzen am Küchentisch. Selbst gemacht. Die Holzplatte aus einer alten Säge in Morsbach. Zwei fünf Meter Platten aus Eiche. Die Arbeitsplatte ist auch daraus entstanden. Über unseren Köpfen baumeln Küchenutensilien an einer Aufhängevorrichtung, die unmöglich zu beschreiben ist. Selbstgemacht. Vom System – kleine Leitern ineinander verschachtelt. Ich bin nicht wegen der Wohnung hier, sondern wegen ihm. Aber irgendwie ist seine Wohnung wie er – anders. Ob ich einen Kaffee will, fragt er und holt gleich einmal die Kaffeebohnen heraus. Dazu eine dieser kleinen italienischen Espressomaschinen. Auch der Kaffee wird anders.


Wenn der Mangel anspornt

Hanspeter fällt auf. Optisch und durch seine Ausstrahlung. Die idealen Voraussetzungen für das Theater. Eine Leidenschaft von ihm, aber sein Leben ist die Musik. Diesen Herbst soll beides aufeinander treffen; „Der Kontrabass“. Er wagt sich mit seinem Theaterfreund Stefan Bric als Regisseur an das Solostück von Patrick Süskind. „Da steht er“, meint Hanspeter unvermittelt, lässt die Kaffeebohnen wieder stehen und geht die zwei Schritte von der Küche in den Raum mit dem schwebenden Klavier. Auf dem Podest unter dem Klavier, steht ein Kontrabass. Bis zum Herbst sollte er Kontrabass spielen lernen – zumindest ein paar Stücke muss er für die Rolle anspielen können. Der eher leichtere Teil der Rolle. Seine Herausforderung: Text lernen. „Eine Tortur. Otto Schenk hat einmal gesagt, dass das Textlernen die Hölle ist. Der spricht mir aus der Seele, aber was nützt mir das. Ich habe eben in meiner Ausstattung einen Mangel.“ Ein verschmitztes Grinsen und dann geht es wieder in die selbstgebaute Küche.

Notenlesen ist auch so ein „Mangel“. Als Kind genügt es ihm ein Stück einmal zu hören, um es nachzuspielen. Dass er am Notenblatt vorbei schaut und die Noten gar nicht richtig lesen kann, merkt niemand. Problematisch wird das erst, als er sich mit 40 selbst das Klavierspielen beibringt. „Die Werke von J.S.Bach sind einfach zu komplex. Da war mit reinem Anhören und Nachspielen irgendwann Schluss. Es dauert halt etwas länger. Ich lese die Noten wie ein Sonderschüler.“ Aber das hält ihn nicht auf.

 


 „Das Theaterspielen hat mich den Null auf Hundert Faktor gelehrt – du gehst auf die Bühne und bist voll da – ohne lange warmzulaufen.“



Harte Theaterschule

Die Kaffeebohnen prasseln in die kleine Mühle. Jetzt wird es laut, meint er noch und verschwindet im Badezimmer. Durch die geschlossene Türe, ist das Mahlen der Bohnen zu hören. Bei ihm ist Kaffeekochen eine Kunst, da wird nicht einfach ein Knöpfchen gedrückt. Ähnlich verläuft sein Leben. Nichts ist simpel und doch greift eines harmonisch in das andere. Zum Theaterspielen kommt der Musiker wie die Jungfrau zum Kind. Dem Wörgler Theaterliebhaber Michael Zangerl fehlt 1989 ein Schauspieler im Stück „Zwölfeläuten“. Hanspeter Teufels Einstieg ins Theater. Ein harter. Wortfindungsstörungen, Identifikationssyndrom, die ganze Palette. „Auf der Bühne konnte ich keine zusammenhängenden Sätze abwickeln, so nervös war ich und zu Hause konnte ich meine Rolle nicht mehr ablegen – nicht so gut, wenn man einen Nazi spielt. Aber es hat sich entwickelt.“

Seit 2009 ist er aktives Mitglied beim Kufsteiner Stadttheater. Über zehn Jahre spielt er auch in Rattenberg bei den Schlossbergspielen. Bis zum vergangenen Herbst. Seiner Musik zuliebe hat er dort erst einmal eine Pause eingelegt. Und wegen seiner Familie. Er ist ein Familienmensch - durch und durch. Für seine Lieben lässt er sogar die Musik links liegen, wie jetzt, wo er ein Zirbenholzbett für seine Freundin und seine jüngste Tochter zimmert.



Lebensphilosophie - Kaffee & Kardamom – Teil 1

Hanspeter steht immer noch bei seiner Küchenplatte und macht Kaffee – seit einer halben Stunde. Zugegeben mit Unterbrechung, da er jede Handlung während dem Erzählen unterbricht. Gerade hat er eine Kardamomkapsel in der Hand. „Reicht das mit dem Interview, denn ich will jetzt Kaffee machen“, kommt es mit einem frechen Lausbubenlachen in meine Richtung. Bevor er die Kardamomkapsel zwischen seinen Fingern zerbröselt und lachend weitererzählt. „Ich erzähle das alles mit einer gewissen Emotionalität, da kann ich nicht gleichzeitig Kaffee machen.“ Denn auch der wird mit Emotion und zu 100 Prozent gemacht, wie alles, was er anfasst. Etwa bei der Sachertorte. Damals in Berlin. Sie sind dort zum Theaterspielen. Der Regisseur hat Geburtstag und liebt Sachertorte. Was liegt also näher als eine – echte wohlgemerkt - zu besorgen. Dass er dafür um vier Uhr früh aufsteht, um vier Stunden lang mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Gegend zu fahren. Normal; zumindest für ihn. Dass die Torte dann im Hotelkühlschrank vergessen wird, nicht ganz so normal. Seine Reaktion: „Ich hab mich gar nicht lange geärgert, was soll´s. Ich habe dem Hotelpersonal am Telefon gesagt, dass sie sich die Torte schmecken lassen sollen.“ In Innsbruck besorgt er einfach eine neue Sachertorte und hackt das als Sketch des Lebens ab. „Wie man es sich macht, bleibt es lustig. Hindernisse machen dir das Leben nicht schwer, es macht die Sichtweise aus – das macht es zur Anekdote.“


„Ich weiß, was ich will – aber ich warte bis es zu mir kommt.“



Lebensphilosophie – Kaffee & Kardamom – Teil 2

Aus einem Krug mit Steinen füllt er Wasser in den unteren Teil der Espressomaschine. „Im Winter tue ich mich etwas schwer mit dem Wasser, da muss ich das nehmen. Aber jetzt hole ich es dann wieder direkt bei einer Quelle.“ Mit Mineralwasserkisten ist er dann unterwegs zu einer Quelle an der Eibergstrasse. „Der Unterschied zum Leitungswasser ist groß – es ist zwar etwas Arbeit, das Wasser zu holen, aber es zahlt sich aus.“ 55 Minuten sind vergangen, Die Espressomaschine steht endlich auf dem Herd. Quellwasser, Kardamom im Kaffee – „das ist halt mein Standard.“ Ein hoher Standard, den er sich auch bei seinen Projekten abverlangt. Ein hoher Standard, der für ihn im Laufe der Zeit „normal“ wurde. So organisiert er sich extra zwei Kirchenorgelmanuale, um zu Hause Orgel spielen zu üben, nachdem er in der Wörgler Kirche eine Zeit lang nicht mehr proben darf. Drei bis viermal die Woche hatte er dort geübt. Immer Vollgas. Bis sie ihn entfernt haben, weil das doch ein Ort der Andacht ist. „Ich war ihnen nicht böse. Ich hab das schon verstanden.“ Und dann kommt so ganz nebenbei ein Nachsatz, der sein Leben prägt: „Ich weiß was ich will. Und ich werde schon irgendwann dazu kommen, denn es kommt alles zu mir.“ So wie die Wörgler Kirchenorgel. Seit kurzem hat er wieder die Erlaubnis, dort zu üben. Selbst gefragt hat er nicht danach. Die Krönung wäre allerdings, die Heldenorgel zum Klingen zu bringen. „Aber die kommt schon noch zu mir!“


Defizit Mann

Kardamomduft vermischt sich mit Kaffeearoma. Hanspeter gießt den dampfenden Kaffee in die Tassen. Etwas mehr als eine Stunde ist vergangen. Eine Stunde Lebensweisheiten versteckt in Erzählungen. Zum Kaffee serviert er die nächste. „Ich habe vor zehn, fünfzehn Jahren einen Satz geprägt, der ist für mich schon legendär. Wenn mich manchmal der Frust einholt.“ Er lehnt sich zurück in seinem selbstgemachten Sessel. Original Holzgestell. Sitz- und Lehnfläche bestehen aus gedrehten Stoffresten. „Wenn dir das enge Tal nichts gibt, dann musst DU ihm halt etwas geben. Es ist ein wenig anders bei uns, es ist herausfordernder. Und das macht es aus.“

Eine Stunde später verabschiedet er mich mit einer letzten Lebensweisheit. „Ich hab das meiste von Frauen gelernt – nur so als Nebenbemerkung. Männer geben da nicht so viel her, die sind oft zu eindimensional. Frauen ticken da ganz anders – ich hab das mit Schmerzen lernen dürfen.“ 

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Rosaroter Schnürsenkel trifft Puck

Foto: Spielgemeinschaft Kufstein / Kitzbühel; Kufsteinerin - das Magazin / Christian Mey
Foto: Spielgemeinschaft Kufstein / Kitzbühel; Kufsteinerin - das Magazin / Christian Mey

 

 

 

Beim Frühjahrsputz mit Vorurteilen aufräumen und die Titel sichern

 

Wenn sie über das Eisfeld flitzen, ist Spielwitz und Schnelligkeit angesagt. Vor einem Jahr gegründet, ist die Spielgemeinschaft der Eishockeydamen Kufstein-Kitzbühel von Beginn an auf Meisterkurs. Auch heuer jagen die Titelverteidigerinnen hinter dem nächsten Meistertitel her mit einer kleinen Portion Rosa im Gepäck.


Mädelsrunde. Sie sitzen in der Cafeteria der Kufstein Arena. Quatschen wild durcheinander. Sechs Frauen zwischen 14 und 32. Reden und Lachen. In weniger als einer Stunde wird man sie kaum wieder erkennen. Optisch komplett verwandelt. Ehrgeiz und Spaß blickt gleichermaßen aus ihren Augen. Dick eingepackt und ausgepolstert. Die Gesichter fast unkenntlich hinter Vollvisieren versteckt. Faszination Dameneishockey.


Wenn die Drachen mit den Adlern

Lange Haare, eine zierliche Figur und Schminke passen in den wenigsten Vorstellungen in eine Eishockeymontur und mit Schläger bewaffnet auf das Eis. Die Mädels beweisen aber das Gegenteil und das äußerst erfolgreich. Sie alle gehören zur Damenmannschaft des HC Kufstein Dragons. Aus Spielerinnenmangel schlossen sie sich in der vergangenen Saison mit ihren Mitstreiterinnen des EC Die Adler Kitzbühel zusammen. Ein kluger Schachzug. Im ersten Jahr der Spielgemeinschaft holten sie sich gleich den Titel in der Damen Eishockey Bundesliga II. - Bundesligameister! „Allerdings hat das in Kufstein und auch sonst kaum jemand mitbekommen“, erklärt Anna Atzl, zuckt mit den Schultern, wirft ihre langen dunkelblonden Haare nach hinten und lacht charmant. Ihr Bruder hat sie mit seiner Eishockeyleidenschaft angesteckt; der normale Werdegang.



Einmal wie der Bruder bitte

Ein Großteil der Eishockeyladies ist über deren Brüder mit dem Eishockeyvirus infiziert worden. Von der Zuschauertribüne auf die Eisfläche. Julia Schwarzmayr steht seit 2000 auf dem Eishockeyplatz. Damals hat das Dameneishockey in Österreich Fuß gefasst. „Mit 18 war ich eine der Jüngsten, die angefangen hat. Allerdings war das damals eher nicht zum Anschauen. So könnte ich mir das heute gar nicht mehr vorstellen.“ Das Dameneishockey hat sich mit den Jahren vom Niveau her extrem gesteigert. Die meisten Spielerinnen beginnen nun von klein auf. Manche im Team haben gar mit fünf Jahren schon angefangen. Anfangs gemeinsam mit den Jungs in einer Mannschaft. Ab 12 heißt es dann in die Damenmannschaft wechseln.



Aggression in Rosa

„Viele denken wir sind extrem aggressiv und schrecken schon etwas zurück, wenn du sagst, dass du Eishockey spielst. Das ist halt das Image von dem Männereishockey her“, Julia lacht belustigt. Dabei hat der Sport für sie und ihre Mannschaftskolleginnen seine Faszination vor allem in der Geschwindigkeit. Immerhin gilt Eishockey als schnellster Mannschaftssport. „Alles muss kombiniert werden, schnell laufen, nirgends dagegen krachen und dann auch noch die Scheibe ins Netz bekommen. Letztlich kommst du beim Spielen runter und weg vom Alltag“, erklärt Anna mit sichtlichem Stolz.



Taktik gegen Bodycheck – Frau gegen Mann

Die Schnelligkeit im Spiel ist beim Männereishockey und bei den Damen gleich. Und doch: „Mit Männereishockey ist unser Spiel nicht zu vergleichen“, wirft Anna ein. Der Sport ist bei den Damen schon allein nach dem Regelwerk viel mehr technisch ausgelegt, um das körperliche Element, die aggressiven Fouls rauszunehmen. Die Damen spielen ohne Bodychecks – „laut Theorie zumindest“. „Laufen und Schießen hilft gegen Aggressivität beim Spielen“, setzt Julia mit einem Augenzwinkern dazu. Laufgeschwindigkeit und taktisches Können bestimmen über den Spielerfolg. Eine Einstellung, die auch immer mehr beim Herreneishockey einzieht. Auch dort wurden die Regeln in den letzten Jahren etwas in diese Richtung geändert. Vorrangig um den technisch guten Spielern die Möglichkeit zu geben ihre Fähigkeiten einzusetzen und, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren.


 

 

 „Man glaubt gar nicht wie rosa wir sind.“ Julia Schwarzmayr, Verteidigung


 

Kosmetiktasche trifft auf Vollvisierhelm

Eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn. Die Truppe wechselt von der Cafeteria in die Umkleideräume. Schutzausrüstung, Vollvisierhelme, überdimensionale Sporttaschen. Geordnetes Chaos. „Männer, die mit Eishockey nichts zu tun haben und von Frauen hören die Eishockey spielen, denken meist wir sind Mannsweiber. Aber das sind wir nicht!“, Julia sagt das mit einer Mischung aus Belustigung und doch auch leichtem Entsetzen. Gelächter ist vom hinteren Umkleidebereich zu hören und jemand schreit laut: „Man glaubt gar nicht wie rosa wir sind.“ Wer Zweifel hegt, für den genügt ein Blick in den Umkleidebereich. Nach einem Besuch bei Ikea waren sie ausgerüstet. Kleine Regale und Einsätze auf denen Kosmetiktaschen stehen, aus denen Haarbürsten und die diversesten Dosen und Tuben herausschauen. Gleich daneben werden Zöpfe gebunden. Gesprächsthema: Haarbalsam; unter anderem versteht sich. Die Vorbereitungen für das Training sind im vollen Gange als die zweite Hälfte der Spielgemeinschaft auf der Bildfläche erscheint. Die Damen vom EC Die Adler Kitzbühel.



Adler & Drachen auf weiblichem Erfolgskurs


Zur fünfköpfigen Truppe aus Kitzbühel zählt auch die Spielertrainerin. Claudia Wirl. Die 86fache Nationalteamspielerin aus St. Johann hat in der laufenden Saison das Traineramt übernommen. Seit 20 Jahren steht sie auf dem Eis. Begonnen hat alles ganz klassisch – genau, durch ihre Brüder. „Früher war der Sport für uns Frauen wirklich sehr exotisch. Viele wussten gar nicht, dass es das gibt.“ So exotisch ist das Dameneishockey inzwischen nicht mehr, sehr wohl aber Claudias Dasein als Trainerin. Männer geben in dem Bereich eindeutig den Ton an. Dabei, erhält die Neo-Trainerin von ihren Spielerinnen nur Lob, auch, wenn sie „strenger ist als der frühere Trainer“. Claudia setzt viel auf Techniktraining. „Bei uns Damen geht es um Spielwitz und Kopfarbeit.“

 

 

 

 

 „Wenn man 20mal hinfällt, muss man 20mal aufstehen, aber wir haben eine Schutzausrüstung. Den Eiskunstläufern tut das dagegen richtig weh.“ Julia Schwarzmayr, Verteidigung


 

Frühjahrsputz

Kopfarbeit war auch angesagt als neue Mannschaftsfotos anstanden. Die Idee kam letztlich von Anna. Eigentlich aus einer Blödelei heraus. Titel der Aktion: Frühjahrsputz in der Eishalle. „Das Ganze ist ironisch gemeint. Wir hoffen, dass das rüber kommt“, lacht Anna. Wer die amüsante Truppe kennt, der weiß, dass die Bilder mit dem Witz dahinter mehr als treffend sind. Aufräumen mit Klischees ist genauso angesagt wie „aufräumen“ mit den Gegnern am Eis.



 

 „Die Grundvoraussetzung, um bei uns mitzumachen:

man muss weiblichsein.“ Claudia Wirl, Spielertrainerin

 

 

Zuwachs erwünscht


Die altersmäßig extrem gemischte Truppe macht sich auf zum Training. Auch heuer liegen sie wieder auf Meisterkurs. Die Landesliga habe sie ein Spiel vor Saisonende bereits für sich entschieden. In der Damen Eishockey Bundesliga II sind die Chancen auf den Meistertitel sehr groß.

Was sie sich neben den Titeln wünschen? Zuwachs! Spielerinnen gesucht! Die Voraussetzungen sind simpel, so Claudia: „Man sollte nicht extrem zimperlich sein, weil wir schon auch einmal hinfallen. Aber dafür haben wir ja unsere Ausrüstungen.“ Etwas sportlicher Ehrgeiz und ein Teamplayergeist. „Der Rest lässt sich lernen.“ Und das dreimal die Woche. Dienstags und Donnerstags wird gemeinsam trainiert. Dann geht es zusätzlich noch einmal getrennt in Kufstein und Kitzbühel zur Sache. Wer hineinschnuppern möchte, ist gerne willkommen. Die Ausrüstung für die ersten Eishockeygehversuche kann ausgeliehen werden.


Der Puck fliegt, die Mädels geben Gas und aus einem Paar der Eishockeyschuhe blitzen geradezu neckisch rosa Schnürsenkel.


Wer bei den Eishockeydamen mitmischen will, kann sich bei Claudia Wirl 0699 - 16266981 melden!

Texte werden erst lebendig, wenn sie gelesen werden. In diesem Sinne: Danke für´s Teilen ;)

Foto: aus Kufsteinerin - das Magazin, Christian Mey - VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: Kufsteinerin - das Magazin / https://cld.bz/eIj49cr#16

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STRONGMAN

Foto: Martin Wildauer - Strongman, entnommen aus Kufsteinerin - das Magazin / Christian Mey
Foto: Martin Wildauer - Strongman, entnommen aus Kufsteinerin - das Magazin / Christian Mey

Erfolgreich abseits der Norm - mit Köpfchen

 

52 Zentimeter Bizepsumfang. 75 Zentimeter Oberschenkelumfang. Beeindruckende Zahlen, die mich da erwarten. Am Telefon klingt der Mensch zu dem diese Zahlen gehören allerdings ganz normal. Eine Woche später treffe ich Martin in seiner Wohnung. Er hat Mittagspause. Auf dem Tisch stehen zwei Tassen für den Kaffee. Seine Freundin hat die Tassen hergerichtet, erklärt er mit einem Lachen im Gesicht. Martin lacht viel und er ist zugegeben anders, als ich mir einen Strongman vorgestellt habe. Den Strongman schlechthin. Martin Wildauer - der stärkste Mann der Welt. 

Achillessehne adé

Die Achillessehne reißt. Auf den Bilder, die mir Martin zeigt, scheint mir fast, dass man den vernichtenden Moment sehen kann. Sein Gesichtsausdruck, während er davon erzählt, blankes Entsetzten. Das Ende einer perfekten Saison. Als er in den letzten der insgesamt 16 Bewerbe der Strongman Champions League 2014 mit Punktevorsprung geht und bei seiner schlechtesten Disziplin, dem Front Hold, den 2. Platz erkämpft, scheint ihm der Titel „Stärkster Mann der Welt“ sicher. Mit dem Riss der Achillessehne lösen sich die Titelträume in Luft auf. „Wenn die Achillessehne gerissen ist, kannst du nicht mehr gehen oder stehen.“ Den Kampf um den Titel „Stärkster Mann der Welt“ aufgeben? Ja! Bis der serbische Teilnehmer der Strongman Champions League zu ihm kommt. Ein einziger Satz weckt den Kämpfer in Martin.


Schwarzenegger verliert wegen Diät

Alles beginnt vor zwölf Jahren. Arnold Schwarzenegger beeindruckt den damals 15jährigen Martin so sehr, dass er mit dem Bodybuilding startet. Die notwendige spezielle Ernährung liegt ihm allerdings nicht. Zu viel Zwang. Dafür entdeckt er recht schnell seine eigentliche Berufung. Nach nur drei Monaten Training ist er einer der Stärksten im Fitnesstudio; erbringt Leistungen, die andere nach zehn Jahren Training noch nicht schaffen; 200 Kilogramm stemmt er beim Kreuzheben. Inzwischen gehört Martin zu den rund 60 Strongmen in Österreich und hebt 435 Kilogramm beim Kreuzheben – nur sechs Menschen ist das bisher gelungen. „Oft höre ich, ein Körper ist nicht dafür gemacht – diese Aussage ärgert mich immer. Wofür ist denn ein Körper gemacht? Der menschliche Körper ist ja auch nicht für die vegane Ernährung gedacht oder die Tour de France und trotzdem funktioniert es. Die Muskulatur und die Sehnen passen sich einfach an.“


Einmal essen bitte

Ob es mich stört, wenn er neben dem Interview zu Mittag isst, fragt Martin als er den Kühlschrank öffnet. Ganz im Gegenteil, ich finde es eher interessant, zu sehen was so ein Strongman zu sich nimmt. Das was auf den Tisch wandert, passt zu unserem ersten Telefonat. Normal. Zwei Laugenstangerl, Aufstrich, Putenschinken.

Um sein Wettkampfgewicht von rund 150 Kilogramm zu erreichen, gilt es jeden Tag 6.000 bis 7.000 Kalorien aufzunehmen. Heute ist Martin noch weit davon entfernt. Neben dem Kühlschrank liegt die Hälfte der Vormittagsjause. „Das ist kein Problem. Ich schau einfach, dass ich bis zum Ende des Tages genug Kalorien zu mir nehme.“ Genauso wenig wie einen festen Ernährungsplan hat Martin einen konkreten Trainingsplan. Es gibt keine fixen Trainingstage „weil das Leben verlangt, dass du flexibel bist“. Und das ist, so Martin auch eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Genauso wie die dreimonatige Trainingspause nach dem Saisonende. Bewusste Abstinenz.

 


"Meine Motivation - Bewusste Abstinenz" Martin Wildauer, stärkster Mann der Welt



Eine Gefahr für Fitnessstudios

In einem normalen Fitnessstudio trainieren ist für Martin nicht möglich – zu wenig Gewichte. Selbst, wenn ein Fitnessstudio mit ausreichend Gewicht ausrüstet wäre, ein Spezialboden müsste her. Schon einmal ist unter der Last der Gewichte und Martin der Estrich gebrochen. Zudem ist Techniktraining notwendig. „Nur weil jemand stark im Kreuzheben ist, kann er nicht gleich eine Steinkugel heben.“ Dafür trainiert er in Rosenheim bei Heinz Ollesch, dem 12fachen deutschen Meister. 

 

Wuzl – die „große“ Liebe

Seine zwei Laugenstangerl sind noch immer unangetastet, als ich Martin nach seinen Hobbys frage. „Komm mit“, erhalte ich als Antwort. Wir gehen in eines der hinteren Zimmer. Martin öffnet die Türe. Was dahinter sichtbar wird, hätte ich niemals erwartet. Ein wunderschön gestalteter Holzkäfig über mehrere Etagen. Liebevoll sind Leitern und Unterschlüpfe gestaltet. Eine Villa de Luxe. Der Bewohner? „Wuzl“, klärt mich Martin auf, „Mein Hamster“. Martin ist sichtlich stolz. Den Käfig hat er selbst entworfen und mit seinem Vater zusammen gebaut. Sein zweites Hobby, das Holzarbeiten mit der Dekupiersäge kommt ihm da natürlich sehr entgegen. Filigrane Dinge, wie die kleine Schmuckdose, die er für seine Freundin gemacht hat, sind die Leidenschaft von Martin, der mich, so neben mir stehend, um zwei Köpfe überragt.


Infusionsflaschen – zu schwer!

In seiner Heimatgemeinde arbeitet er als Verwaltungsangestellter. „Ein körperlicher Job würde sich nicht spielen. Körperliche Erholung muss sein und zudem ist körperliche Arbeit anstrengend für Leute wie mich, da tun sich normale Leute leichter.“ Der letzte Satz erregt meine Aufmerksamkeit. Eigentlich dachte ich der Stärkste Mann der Welt wäre etwa der ideale Übersiedelungshelfer. Martin lacht verschmitzt: „Da gehen 1 bis 2 Minuten Vollgas, nach dem 1. Kasten mache ich erst einmal Brotzeit.“ Strongmen sind definitiv keine Ausdauerathleten, vielmehr kurzfristige Maximalleister. Das halten der Infusionsflaschen während seinem Zivildienst wird nach ein, zwei Minuten zur Tortur. „Ich helfe gerne, ich verstell mich dann immer, damit niemand merkt, dass mir das zu schwer ist, sonst lachen ja alle!“ Naja immerhin zieht Martin bei seinen Wettbewerben Linienbusse oder LKW, hält zehn Weltrekorde unter anderem im Steinheben; 350 Kilogramm auf 100 Zentimeter.



 

"Ich habe viele Medienleute überrascht, weil ich als Kraftsportler auch reden kann. Erfolgreiche Sportler sind eben meist nicht die Dümmsten." Martin Wildauer, stärkster Mann der Welt

 

 

Ein Serbe, Krücken – eine irreale Welt

 

Während Martin zum ersten Mal in sein Laugenstangerl beißt, erzählt er mir die Geschichte rund um seinen letzten Wettbewerb fertig. Der Serbe hätte eigentlich noch Chancen auf den Titel gehabt. Ausgerechnet er sagt zu Martin: „Ich habe es ausgerechnet, du kannst noch gewinnen. Gib nicht auf.“ Das motiviert den Langkampfner. Während er und sein Team im Krankenhaus Kopfschütteln ernten, beginnen sein Trainer und dessen Frau, die Ärztin ist, über eine Stunde lang das Bein provisorisch zu fixieren. Zum Aufwärmen geht es mit Krücken. Mit dem Startpfiff verschwinden die Krücken und die Gedanken an die Achillessehne. Er schlägt drei Mitbewerber beim Baumstammdrücken. Geht mit den Betonkoffern. Wie er das geschafft hat, weiß er selbst nicht. Die letzte Disziplin, das LKW ziehen im Sitzen gewinnt er, angefeuert von seinen Mitstreitern, und sichert sich den Titel „Stärkster Mann der Welt“.



Zumindest versucht

Ich hatte die ganze Saison im Kopf. Die Situation war so irreal. Ich wollte in 20 Jahren nicht dasitzen und mir denken: du hättest gewinnen können, wenn du es versucht hättest.“ Ich habe es versucht – vier Wörter, die Martin den Titel einbringen.

Mit genau der Einstellung verfolgt er sein nächstes Ziel: Seinen Sport in Österreich bekannter machen. „Der Sport ist so herrlich einfach. Ein Athlet gewinnt, weil er der Stärkste, technisch Beste ist und nicht, weil er den besten Schuh oder das schnellste Auto hat. Die pure Kraft ist es die zählt, irgendwie nostalgisch.“ In zwei Monaten soll die Verbandshomepage stehen und einen Champions League Wettkampf will Martin heuer nach Tirol holen.

 

Eineinhalb Stunden sind vorbei. Martin packt seine Laugenstangerl ein. Die müssen nun mit ins Büro. Ein Glück für mich, dass der sympathische World Champion so flexibel ist. 

 

Ein Text wird erst lebendig, wenn er gelesen wird!

Deshalb freue ich mich, wenn Sie meinen Text teilen und ihn damit noch lebendiger machen.

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Wenn die Seele den Körper berührt

 

Ossi Stock - der Kramsacher Karatedo-Lehrer als Pilger 

 

Samstag. Kurz vor sechs Uhr früh. Die meisten drehen sich noch einmal in den Federn um und träumen weiter. Nicht so er. Im Ofen knistert bereits das Holz. Warm ist es trotzdem noch nicht. Das Thermometer zeigt zehn Grad. Aber die Temperatur ist ideal für das, was er vor hat. Vor der Halle fahren die letzten Autos vor. Pünktlichkeit ist angesagt. In den weißen Keikogis wird Aufstellung genommen. „Onegai Shimasu“ - spätestens, wenn diese Worte durch die Halle klingen, sind alle hellwach.  

Tradition


Ossi Stock geht seiner großen Leidenschaft nach – Karatedo. Mit 20, nach seinen, wie er selbst sagt Flegeljahren, entdeckt er seine Liebe zu dem traditionellen japanischen Karatetraining. Es ist nicht das sonst so bekannte Kampfsportkarate, das sein Interesse weckt, vielmehr das traditionelle Karatedo. Seit 20 Jahren steht der leidenschaftliche Sportler jetzt schon dem Dojo Tirol vor und gibt seine Kenntnisse rund um das Karatedo weiter. „Dieses traditionelle japanische Karate ist ein Ganzkörpertraining, eine Körperschulung. Kampfsport ist etwas anderes, natürlich kann man sich mit den Techniken auch verteidigen, aber eigentlich ist es ein Gesundheitstraining, fast schon eine Bewegungsmeditation.“ Viele der Übungen sind alt, manche sind neu. Denn Karatedo ist nichts starres, es entwickelt sich laufend weiter. „Die Bewegungen tun dem Körper gut, das ist meine Medizin, meine Naturmedizin – den Körper richtig zu bewegen.“



Zuschauen gegen Multitasking


„Vor allem lernt man wieder richtig schauen – zuschauen. Du musst wieder aufmerksam sein.“ Und wirklich, eine der höchsten Anforderungen beim Training ist die Aufmerksamkeit. Das Prinzip klingt simpel: zuschauen, nachmachen, kopieren und erst danach verstehen. „Heute will jeder vorher wissen, wie es funktioniert und welche Bedeutung welche Übung hat. Hier geht es genau anders herum.“ Der Karatedo Schüler lernt seine Aufmerksamkeit wieder auf eine Sache zu richten. Ein schwieriges Unterfangen in der heutigen Zeit, in der alles auf einmal erledigt werden soll. Hunderte Gedanken, die gleichzeitig durch den Kopf schwirren. „Multitasking ist meiner Meinung nach bedenklich, da man zwar viele Dinge macht, aber nichts richtig. Und,“ so gesteht Ossi mit einem Schmunzeln, „ich bin auch so einer, ich versuche vieles gleichzeitig zu machen. Aber das Ergebnis ist selten perfekt.“ Und genau das, gilt es beim Karatedo zu durchbrechen. Nur wer seine ganze Konzentration und Aufmerksamkeit auf das Training legt, kann durch bloßes Zuschauen lernen.

Sportkarate hat ihn dabei nie interessiert. "Wenn man jung ist, ist es sicher toll. Aber ich finde es seltsam, wenn man sich vorher miteinander schlägt und dann gemeinsam etwas trinken geht. Das ist nicht meine Sache.“  

Wenn dich ein Land findet


Inzwischen trainiert er mehr als sein halbes Leben. Nach Japan, dem Ursprung seiner Leidenschaft Karatedo, hat es ihn trotzdem lange nicht gezogen, bis das Land zu ihm gekommen ist, in Form seiner heutigen Frau. Masako Stock ist Japanerin. Sie lernen sich bei einem Trainingslager kennen. Und mit ihr entsteht auch sein Interesse für Japan. Über 15 Mal war er seither in dem Land seiner Frau. Kulturschock inklusive. „Anfangs war es schon ein Schock, aber inzwischen habe ich die Menschen dort sehr schätzen gelernt. Sie sind den Tirolern doch sehr ähnlich. Zu Beginn zurückhaltend, aber wenn sie dich erst einmal in ihr Herz geschlossen haben, dann für immer.“ Doch nicht nur die Menschen, auch das Land verzaubert den Tiroler auf seine ganz eigene Art.

Einmal Pilgern bitte

Dort, bei der Familie seiner Frau, findet der Kramsacher seine zweite Leidenschaft. Die Großmutter von Masako gibt den Ausschlag. Sie und rund 1.200 Kilometer. Fasziniert hört Ossi von der Pilgerreise, die die Großmutter gemacht hat. Nicht irgendeine Pilgerreise. Die Pilgerreise auf dem ältesten Pilgerweg der Welt. Der Shikoku-Pilgerweg. Der buddhistische Weg auf der japanischen Insel Shikoku verbindet 88 Tempel und geht auf einen japanischen Heiligen, den buddhistischen Mönch Kükai (774 – 835) zurück. Er war einer der Gesandten, der nach China geschickt wurde. Als er zurückkehrte, brachte der Leonardo da Vinci der Japaner, wie ihn Ossi nennt, seinem Land den Buddhismus mit.


Sechs Monate hat die Großmutter für den Weg gebraucht. „Als ich das hörte, habe ich mir gedacht, das schaffe ich locker als Tiroler und Wanderführer. Aber der erste Versuch scheiterte – aus Geldmangel. Ying, Yang und Yen liegen recht nahe beisammen. Und auch pilgern kostet Geld.“ Allerdings hat diese eine erste Pilgerreise in Ossi Stock eine Leidenschaft entfacht. „Als ich dort oben am Berg saß und hinunter schaute, dachte ich bei mir nur eines. Da muss ich noch einmal her und das Ganze richtig machen.“ Inzwischen hat er die Runde bereits viermal zu Fuß bewältigt. Auch mit seiner Frau und seinen Kindern war er unterwegs, da allerdings mit dem Auto.  

88 Tempel gegen den Stress


Wobei, und darauf legt er Wert, es ist keine Flucht vor dem Alltag ist. Es ist eher eine Erholungszeit. Seine ganz persönliche Kraftquelle, bei der er sich Energie für den Alltag holt und den Stresspegel gefühlt für ein Jahr absenkt. „Ich habe während dem Gehen viele Ideen. Der Pilgerweg ist wie ein Jungbrunnen für mich.“ Und er schreibt sein ganz persönliches Buch über seine Reise zu den 88 Tempeln.


Die Insel selbst ist recht bergig. Die Wege zwischen den 88 Tempeln sind zum Teil extrem steil. Stufen sind an der Tagesordnung. Die starken Regenfälle würden jeden anderen Weg wegwaschen. 1.000 Höhenmeter in Form von Stufen zu überwinden, stellen aber auch besondere Anforderungen dar. Muskelkater inklusive. Auch für den sonst so sportlichen Tiroler sind die Stufen eine Herausforderung. Genauso wie der Regen. Es regnet sehr oft und meist sintflutartig. „Innerhalb kürzester Zeit ist alles nass, was du auf der Haut trägst. Aber letztlich ist dir das beim Pilgern egal.“

Die Woche der Entscheidung


Die meisten Pilger sind Japaner, aber auch einige Ausländer sind unterwegs. Immer mehr junge Menschen nutzen die Zeit in Japan zwischen Studium und dem Einstieg in die Berufswelt, um Energie zu tanken. Aber auch um sich klar zu werden über das, was sie wirklich wollen. Ossi trifft viele Pilger und sieht viele aufgeben. Ob er selbst ans Aufgeben gedacht hat? „Manchmal schon. 30 bis 50 Kilometer am Tag zu gehen mit schwerem Gepäck und das über 30 bis 35 Tage hinweg ist einfach nicht normal. Die richtige Ausrüstung und Glück gehören dazu.“ Und vor allem merkt er schnell, man kann nicht gegen den Körper gehen, man muss mit dem Körper gehen. Der Wille allein genügt nicht. Wille und Körper müssen ein Team sein. „Natürlich sollte man vorher trainieren, doch wer hat schon Zeit dafür. Meine Grundkondition ist durch mein Karatedo-Training Gott sei Dank sehr gut.“ Und es gibt eine Grundregel. „Nach einer Woche Gehen bist du entweder fit oder du steigst aus.“



Den Strapazen sei dank


Ob ihn die körperlichen Strapazen nie abgeschreckt haben? Vor allem, nachdem er bereits einmal die Pilgerreise hinter sich hatte und damit wusste was auf ihn zukommt. Es ist das erste Mal, dass Ossi nicht sofort auf eine Frage antwortet. Bevor er nachdenklich meint: „Das ist eine gute Frage.“ In Japan, so erklärt er, heißt es der Körper braucht drei Jahre, bis er die Strapazen vergessen hat. „Bei mir ist jedes Mal wieder diese Sehnsucht da, nach dieser geistigen und seelischen Ruhe. Nach diesem einen tollen Gefühl. Das ist wie bei manchen, die jahrelang reiten und dann auf einmal das Gefühl haben eins mit dem Pferd zu sein. Oder auch beim Skifahren, wenn der perfekte Schwung gelingt. Und genau so ähnlich ist es bei mir mit dem Pilgern.“ Eins zu sein mit dem Universum, das ist es, was ihn antreibt. „Wenn mich der Wind beutelt, die Sonne aufbrennt, ich den Ozean höre und vom Regen platschnass bin, dann habe ich das Gefühl mit dem Land eins zu sein.“ Und genau dieses Gefühl ist es, für das er all die Strapazen auf sich nimmt. Wobei er jetzt auch Teilabschnitte genießt. So wie heuer.

Im kommenden Herbst will er einzelne Teile des Weges mit Freunden gehen. Doch auch, wenn er mit anderen unterwegs ist, ist jeder für sich allein. Nicht immer ist er, wenn er mit Freunden unterwegs ist, mit ihnen zusammen. Jeder geht seinen Weg, sein Tempo. Oft ist einer einen Kilometer voraus. Freiräume müssen sein. Genauso wie der Erfahrungsaustausch in den Unterkünften nach einem Tag voller Schritte. „Ich genieße das allein sein sehr. Allerdings, ist es auch wunderbar, sich mit jemanden austauschen zu können, Ausblicke und Augenblicke gemeinsam zu genießen.“

Eine der häufigsten Fragen, die ihm Interessierte stellen: „Woran denkst du beim Gehen?“ Seine Antwort überrascht und ist doch so grundlegend. „An vieles und nichts.“ Im Kopf geht bewusst gar nichts vor. Die Gedanken kommen und gehen und man beschäftigt sich mit einfachen Grundbedürfnissen. Was muss ich machen, um gesund zu bleiben, was esse ich heute, wo schlafe ich, finde ich morgen den Weg? Es ist eine Schritt für Schritt Bewältigung. Und das Gefühl unerreichbar zu sein. Diese Fokussierung ist es auch, die er immer wieder mit nach Tirol zurück nimmt. Eine Fokussierung, die dem Multitasking entgegenwirkt und unweigerlich an seine andere Leidenschaft das Karatedo denken lässt.


Schlangenalarm – Hallo Japan

Auch das Gespür für die Natur und die wiedererwachten Instinkte nimmt er mit in seine Heimat. „Es ist eine Art Überlebenstraining für den Alltag.“ Die Verbindung zum Weg bleibt, auch wieder zurück in Tirol. Spätestens bei der nächsten Warteschlange. „Wenn ich irgendwo warten muss, mache ich mein gedankliches Fenster nach Shikoku auf und spring hinein. Ich bin dann einfach weg und mich schubst höchstens der hinter mir, um mir zu sagen, dass es weiter geht.“

Wie es denn mit dem Jakobsweg wäre? Ossi lacht. „Den mache ich, wenn ich alt bin und nicht mehr so weit weg fahren will.“ Noch faszinieren ihn zu sehr der Weg und seine 88 Tempel.  

Traum die Zweite - 3.000 Höhenmeter, 21 Kilometer, 4,5 Stunden


Nächstes Jahr möchte er wieder seine Batterien aufladen und neue Ideen sammeln; auf dem Pilgerweg. Allein. Zu Fuß. Über 1.200 Kilometer. „30 Tage und 30 Nächte nur für mich, außer...“ Ja, außer er bekommt die Zulassung für einen anderen Traum. Ein Traum, der mit der Wiederbelebung seines Laufclubs Sport Ossi zusammen hängt. Nach 20 Jahren hat der Sportler seinen Laufclub wieder ins Leben zurückgeholt. Einmal die Woche wird gemeinsam gelaufen, das große Ziel heuer, der Großglocknerlauf. Eine Kleinigkeit, wenn man so will im Gegensatz zu dem Traum, den sich Ossi im nächsten Jahr erfüllen will. Seine Augen glänzen als er davon erzählt. Ein jungenhaftes Lachen umspielt seine Mundwinkel. 3.000 Höhenmeter und 21 Kilometer. Das Fuji Mountain Race. Einer der schwierigsten Bergläufe der Welt. Nur 40 Prozent der Teilnehmer erreichen das Ziel. Denn die Vorgaben sind strikt. Die Maximalzeit für den Lauf sind viereinhalb Stunden, der Streckenrekord liegt bei zwei Stunden 27 Minuten. Nur 40 Startplätze gibt es für Ausländer. Also heißt es für Ossi hoffen und wenn es doch nichts wird mit dem Extremberglauf, warten ja 88 Tempel und über 1.200 Kilometer auf ihn. Samt vielen Bekanntschaften in Shikoku, die auch schon zu Freundschaften wurden.


Fotos: Ossi Stock

Text: Adriane Gamper

Text erschienen in: Besser Leben

 

 

 

Danke für´s Teilen meines Textes. 

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NASSKALTE LEIDEN(SCHAFT)

Versprechen muss man halten - auch bei 12°C


Eines ist er sicher nicht – ein Warmduscher. Ob er überhaupt warm duscht? Kaum vorstellbar. 292 mal hat Horst-S. Karrer allein in diesem Jahr den Hechtsee vom 5. April bis zum 4. November der Länge nach komplett durchschwommen – umgerechnet einmal die Strecke von Kufstein nach Wien. Und er hat nicht vor aufzuhören, es ist ja immerhin erst November.

 

 Heuschrecke im Bauch

12 °C Wassertemperatur sind die Grenze, damit er den Hechtsee durchschwimmen kann. „Wir haben Glück!“ hat er am Telefon noch gemeint, „es sollte sich gerade noch ausgehen“. Ob man da von Glück reden kann, wage ich, nach dem ersten Wasserkontakt, zu bezweifeln. Ich fühle mich wie vor etwa 10 Jahren als ich meine erste und sicherlich auch letzte Heuschrecke verspeist habe. Ich hatte es dem Koch versprochen! Damals habe ich mir geschworen, in Zukunft vor jedem Versprechen ganz besonders gut nachzudenken. Wieso mir jetzt die Heuschrecke einfällt, die dem Gefühl nach gerade mit einem höhnischen Grinsen eine Runde in meinem Bauch schwimmt? Weil sich 12°C auch im Neoprenanzug eiskalt anfühlen. Liegt vermutlich daran, dass der Anzug etwas zu groß ist und das Wasser vorne bei den Ärmeln hinein rinnt, vorbei an meinem Bauch und dann bei den Füssen wieder hinaus. Was musste ich Horst auch versprechen, heuer einmal mit zu schwimmen. Im Sommer war es mir immer zu kalt, aber versprochen ist versprochen. Horst strahlt über beide Ohren. Er ist in seinem Element.

Frieren für die Ausstrahlung

Vor zwei Jahren fängt Horst-S. Karrer Feuer. Eine Arbeitskollegin nimmt ihn mit zum Schwimmen am Hechtsee. Es ist Herbst, eigentlich nicht die ideale Zeit, um eine Seeschwimmkarriere zu starten. Aber er schwimmt weiter, obwohl es mit jedem Tag kälter wird. „Da bin ich einfach hineingeraten.“ Bei 12°C Wassertemperatur ist Schluss. Es ist zu kalt für ihn, um den Hechtsee der Länge nach zu durchschwimmen. Auf das Schwimmen deshalb verzichten? Nein! Er schwimmt einfach nur mehr die halbe Strecke. Das Schwimmen im Hechtsee wird zur absoluten Leidenschaft. Als Lehrer hat er einen durchlöcherten Arbeitstag. Die lange Mittagspause wird zum Schwimmen mit anschließendem Mittagessen im Hechtsee Restaurant genutzt. Im See entstehen schon einmal die Ideen für die nächsten Schul-Experimente. Die Vorbereitungen für den kommenden Unterrichtstag verlegt er in die Abendstunden. „Die Adrenalinausschüttung und das Gefühl etwas getan zu haben, verknüpft mit einem Essen danach – einfach perfekt. Du hast hinterher eine ganz spezielle Ausstrahlung.“

 

Wasserläuferdasein

Abgesehen von dem Kaltwasserstrom durch meinen Neoprenanzug, komme ich mir vor wie ein Wasserläufer. Hätte mir bitte irgendwer vorher sagen können, dass der Auftrieb durch so einen Anzug nicht klein, sondern riesig ist. Die Füsse unter Wasser zu bringen, grenzt bei jedem Schwimmzug an einen Kraftakt. Untergehen ist nicht möglich, schwimmen aber auch kaum. In den Schuhen ist soviel Wasser, dass ich mir sicher bin, der Seespiegel ist um mindestens 5 Zentimeter gesunken. Wenigstens habe ich auf die Neoprenhandschuhe verzichtet. Eine Tatsache, die ich allerdings spätestens nach 30 Minuten bereue. Mein Versuch, auf dem Rücken zu schwimmen, endet in einem kalten Wasserschwall, der sich über den Nacken seinen Weg dem Rücken entlang durch den gesamten Anzug macht. Da doch lieber Wasserkäfer spielen und die Beine irgendwie unter Wasser bringen.

Schwimmsaisonstart - Jänner

Die ideale Schimmtemperatur liegt für ihn bei 16 bis 18 Grad. Ist es wärmer, wird er zu schnell müde, dann gehen sich am Tag nicht fünf Durchquerungen aus, wie etwa Ende September. 292 Durchquerungen sind es in diesem Jahr bereits. Zu zählen angefangen hat er erst heuer, nachdem ihn letztes Jahr immer wieder Freunde fragen, wie oft er den See durchschwommen hat. Als er nicht einmal ansatzweise eine Antwort weiß, nimmt er sich für 2014 vor, jede volle Durchquerung zu zählen. Zum ersten Mal ist es am 5. April soweit. Wobei er auch im Jänner, Februar und März im Hechtsee unterwegs ist, aber temperaturbedingt nur ein Drittel der Strecke zurücklegt und das zählt für den Mann im See nicht. Bereits im April schwimmt er jedoch 21 Mal durch den Hechtsee. 300 Durchquerungen werden sich heuer knapp nicht ausgehen. Ihm ist das egal. Liegt es doch auch mit an seinem zweiwöchigen Jamaikaurlaub im Juli. Natürlich fährt er nicht zum Schwimmen nach Jamaika – Kultur, Land & Leute sind angesagt. Das Wasser ist ihm dort zu warm. Was auch sonst.

 

Verrückt? Ja sicher!

Die Sonnenstrahlen brechen sich glitzern in den aufspritzenden Wassertropfen vor mir. Horsts Tipp, die Sonne zu genießen, kann ich nicht viel abgewinnen. Vom Gefühl her habe ich gerade eine Schneeballschlacht ohne Handschuhe hinter mir. Einziger Hacken an der Sache: mehr als die halbe Strecke liegt noch vor mir. Es ist Freitag Nachmittag und die Stadtflüchtlinge spazieren in Winterjacken eingehüllt um den See. Wir haben das andere Seeufer erreicht. Auf den Steinen, die ins Wasser reichen, ist erst einmal eine kurze Rast angesagt. Das ältere Ehepaar auf der Parkbank schräg über uns, quittiert unsere Schwimmerei mit einem Lächeln, ihre Gedanken möchte ich besser nicht kennen. Ob ihn einige für verrückt halten? Horst lacht: „Ja! Aber es gibt deutlich unvernünftigere Sportarten. Skitourengehen im freien Gelände oder mit dem Rad auf den Großglockner hochstrampeln.“ Ansichtssache denke ich bei mir mit Blick auf das andere Seeufer und gleite wieder ins Wasser.


Einmal Fieber bitte

Seine Ziele am Hechtsee hat er heuer alle bei weitem übertroffen. Aber das eigentliche Highlight des Jahres kommt noch. Am 31. Dezember will er beim traditionellen Silvesterschwimmen am Achensee mitmachen. Wassertemperatur 4 °C, Distanz 50 m. Hier am Hechtsee legen wir bei unserer Durchquerung rund 1,5 Kilometer zurück. 1,5 eiskalte Kilometer, wie ich inzwischen bemerke. Ob er nächstes Jahr wieder zählt, um die 300 Durchquerungen zu schaffen? Horst zuckt mit den Achseln. „Wenn du zählst, dann planst du dein Leben rund um das Schwimmen, und das will ich eigentlich nicht.“ Denn letztlich will er nur eines: regelmäßig Schwimmen. Gelassener und ruhiger ist er durch sein Hechtseeschwimmen geworden. Für seine Tätigkeit als Lehrer ideal. Und vor allem er ist nicht mehr verkühlt. „Ich glaube es ist gut für den Körper, weil er alles verbrennt, was er zu verbrennen hat und je kälter es ist, desto mehr. Teilweise habe ich danach sicher eine erhöhte Temperatur. Es ist wie die Reinigung durch ein Fieber, nur in dem Fall kurz und kontrolliert und das muss einfach gesund sein.“ Ob nicht doch auch ein gewisser Kick mit dabei ist? Er grinst verschmitzt: „Natürlich!“

Bermuda gegen Winterjacke

So sehr ich Horsts Gesellschaft schätze, bei der ersten Treppe in der Badeanstalt bin ich draußen. Normalerweise braucht Horst eine Stunde. Heute hat es länger gedauert. 1 Stunde 15 Minuten. Wir schieben es auf meinen Neoprenanzug. Rein optisch sind meine Finger noch da, nur gehorchen wollen sie mir nicht mehr. Den Knopf meiner Jeans schließen? Unmöglich. Vielleicht trägt Horst auch deshalb nach dem Schwimmen nur ein T-Shirt, eine Bermuda und Sandalen. Ich hingegen bin nicht einmal jetzt bei Kaffee und Kuchen gewillt meine Winterjacke auszuziehen. Der Restaurantbesuch gehört dazu, nach jeder Durchquerung wohlgemerkt. Bei fünf Längen sitzt er dann eben fünf mal hier, erzählt er mir und nimmt genüsslich ein Stück von seiner Bananentorte. Ich versuche einstweilen meine Finger an meiner Kaffeetasse zu wärmen, vergebens.

 

Weihnachten im See

Man kennt ihn hier im Seestüberl. Kein Wunder bei den regelmäßigen Besuchen. Und er kennt sie auch, seine Mitstreiter. Denn Horst ist nicht der einzige, der dem Hechtsee in der kalten Jahreszeit die Treue hält. Auch, wenn sich die einen oder anderen in der kälteren Jahreszeit dann auf Meditieren im Wasser umstellen, vorheriges Eishacken inklusive. Letztes Jahr hat er am 2. November mit dem Schwimmen aufgehört. Bis zum Heiligen Abend. Während andere ihre letzten Einkäufe im vorweihnachtlichen Shoppingwahnsinn tätigen, zieht es ihn hinauf zu seinem See. Es ist ein schöner Wintertag. Und in ihm beginnt ein einziger Gedanke zu reifen. Wieso nicht?! Eine dünne Eisschicht liegt am See. Kein wirkliches Hindernis. Und so schwimmt er auch am 24.12.2013, wenn auch nur für etwa fünf Minuten. Es soll eine Tradition werden.  

 

Fotos: Christian Mey - VANMEY Photographie

Text: Adriane Gamper

Text erschienen in: Kufsteinerin - Das Magazin

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