Sabine Plachel im Statisten-Einsatz
Die Waffe liegt neben ihr am Tisch. Sie schiebt die blonde Strähne unter das Barett. Ein gekonnter Griff zur Pistole. Langsam steckt sie sie in den Halfter. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel. Von außen ist lautes Geschrei zu hören. Die Verfolgungsjagd hat begonnen. Plötzlich reißt jemand die Türe auf. Streckt den Kopf herein. „Komparsen bitte zum Set“, ruft der Regieassistent. Sabine Plachel streift die Dienstuniform glatt, ihr Einsatz.
Mit dem Kochbuch zum Film
Wieso ihr damals dieses Buch ins Auge gestochen ist, weiß Sabine heute nicht mehr. „Vermutlich hat mich der Teufel geritten“, lacht sie. Auf jeden Fall hat sie das Kochbuch gekauft. Das war vor elf Jahren. Noch heute hat sie das Kochbuch bei sich zu Hause stehen. Dass sie noch nie ein Rezept daraus gekocht hat, ist eine eigene Geschichte. „Immerhin ist das Buch eine schöne Deko“, kommt es mit einem Schmunzeln. Und ohne dieses Buch, wäre Sabine jetzt nicht eine begehrte Komparsin bei Soko Kitzbühel und dem Bergdoktor.
Die Kirche des Frierens
Mit dem Regieassistenten geht es vom Aufenthaltsraum zum Einsatzort. Eine kurze Einführung. Seit 2005 ist sie mit zwei Jahren Unterbrechung als Statistin im Einsatz. Eine ereignisreiche Zeit mit einigen Widrigkeiten. Wie etwa beim Dreh für das Weihnachtsspezial des Bergdoktors in der Goinger Kirche. Ihre Rolle, eine Besucherin der Weihnachtsmette. Keine große Anforderung. Einfach nur in der Kirche sitzen. Doch wenn aus dem „einfach nur in der Kirche sitzen“ knapp drei Stunden ausharren in der eisigen Kälte des Gotteshauses werden, ist Durchhaltevermögen gefragt. „Damals habe ich mir wirklich gedacht, ich überlebe das nicht.“ Außendrehs im Winter und bei Nacht sind prinzipiell meist recht kalt. „Wenn du als Statist für eine Abendveranstaltung ein dünnes Abendkleid trägst, kannst du bei den Proben nicht einfach mit einem dicken Wintermantel rumstehen.“ Erkältet hat sie sich bei derartigen Drehs öfters, ans Aufhören hat sie jedoch nie gedacht. Das Komparsendasein ist ihre Welt, auch wenn sie damals als sie das Kochbuch kaufte, nicht einmal ansatzweise wußte, was ein Komparse zu tun hat.
„Für die zwei charmanten Herren mit den traurigen Gesichtern"
Der Satz meiner bisher einzigen Sprechrolle
Einmal bis zehn zählen
„Uuuuuunnnnnnd bitte“, schreit der Regieassistent langgezogen wie üblich. Augenblicklich wird es still. Sabine ist konzentriert. Sie liest in den Akten. Wenn der Postenkommandant Kroisleitner den Raum betritt, muss sie zum Telefon greifen. Wählen. Bis zehn zählen. Auflegen. Wieder die Akten studieren. So einfach ist es nicht immer. Wenn sie an eine Szene im Krankenhaus denkt, wird ihr heute noch schummrig. „Der Drehort war die Aufenthaltshalle. Ich war eine Ärztin. Der Regieassistent hat mir gesagt wie ich gehen muss. Erst hier hin, dann dorthin, bis fünf zählen, dann wieder zurück, dann wieder nach rechts. Dann wieder dahin. Als er fertig war, war mein Kopf leer.“ Panik steigt in ihr auf. „Ich habe dann einfach gespielt wie mir vorkam. Bin zu der Frau, die dort gesessen ist, habe an ihrer Infusionsflasche gedreht, einem Mädchen die Hand geschüttelt und fertig war die Geschichte. Gemerkt hat keiner etwas, zum Glück.“
„Oft bist du als Komparse
im fertigen Film gar
nicht zu sehen,
nur ein Wischer im Hintergrund,
aber das ist mir egal.
Es ist die Atmosphäre am Dreh, die mich begeistert.“
Lehrerin auf Mörderjagd
Ihren Dienst als Polizistin bei Soko Kitzbühel hat Sabine im Sommer des Vorjahres angetreten. Es war ein simpler Telefonanruf. Ob sie Interesse hätte, in Zukunft die Statistenrolle einer Polizistin zu übernehmen. Inzwischen bekommt sie von der Castingagentur einen Plan mit Einsatzmöglichkeiten, gibt darauf die Tage an, an denen sie Zeit hat. Tagelang freut sie sich auf ihren Dreh. „Wenn ich in meiner Uniform bin, fühle ich mich schon irgendwie wie eine Polizistin.“ Dass sich während der Drehs zu Soko Kitzbühel so mancher über das Polizeiaufgebot wundert, bringt Sabine immer wieder zum Schmunzeln. „Einmal haben zwei ältere Damen besorgt gefragt, was denn passiert ist. Ein Kollege hat ernst erwidert, wir klären einen Mord auf. Die Gesichter der Damen waren sehenswert.“ Meist hat die Lehrerin ihre Einsätze beim Film während den Sommerferien oder an den Wochenenden. Denn als Komparse braucht man vor allem eines: Zeit. Auch morgen, da steht Sabine wieder vor der Kamera.
Alles nur keine Leiche
Nach der Kostümprobe in der Früh, wird sie morgen wie sonst auch vor allem eines tun. Warten - die Hauptbeschäftigung der Komparsen. Ihre Spitze: neun Stunden. Der Dreh selbst, dauert dagegen oft nicht einmal eine Stunde. Dass sie im fertigen Film ab und an gar nicht oder nur als Wischer im Hintergrund zu sehen ist, für Sabine Nebensache. Es ist die Zeit am Set, die sie fasziniert. Offen ist Sabine für alle möglichen Rollen, nur eine Leiche, das kommt nicht in Frage. „Wenn du eine Leiche spielt, kannst du danach in der Serie nicht mehr mitspielen, du kannst ja nicht einfach wieder auferstehen für den Fall, dass dich ein Zuseher wiedererkennt. Dazukommt, dass Leichen selten im warmen Zimmer liegen. Mit etwas Pech, bist du eine Wasserleiche oder eine Winterleiche in der Schneelandschaft, das wird kalt.“ Auf ihre Traumrolle wartet sie noch, Komparsin bei den Vorstadtweibern. „Dafür würde ich extra nach Wien fahren, das Hotel und die Anfahrt selbst zahlen“, gesteht sie mit glänzenden Augen. „Wir Komparsen sind teilweise schon etwas freakig, das ist eine eigene Welt.“ Ihre zweite Lebenswelt und alles nur wegen diesem einen Kochbuch.
Buch mit Folgen
Franz Grössing prangte groß am Buchumschlag. Der Name stach Sabine sofort ins Auge. Es ist der Name eines Lehrerkollegen, Kochlehrer an der Tourismusfachschule St. Johann. „Ich habe das Buch sofort gekauft, obwohl ich gar nicht kochen kann. Aber es hat mich so gefreut, dass der Franz ein Kochbuch herausgebracht hat.“ Es ist nicht irgendein Kochbuch, eine Rezeptsammlung, der in der Serie Soko Kitzbühel zubereiteten Speisen. „Zu der Zeit wurden im Internat der Tourismusfachschule St. Johann die Kochszenen für Soko Kitzbühel gedreht. Franz kannte daher das gesamte Filmteam.“ Dann kommt eines zum anderen. Sabine spricht Franz auf das Buch an, sagt in einem Nebensatz, dass es interessant sein muss, hinter die Kulissen der Serie blicken zu können. Der Kollege macht Nägel mit Köpfen, gibt ihr die Nummer der Castingagentur. Sabine meldet sich an. „Und das, wo ich nicht einmal wusste, was genau ein Komparse macht.“ Zwei Tage später klingelt das Telefon, ob sie Zeit hätte. Ihr erster Einsatz.
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY
Text: Adriane Gamper
erschienen in: kufsteinerin - das Magazin
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