Eine Leidenschaft rund um Pinsel und Leinwand
Rot. Gelb. Orange. Ein Hauch von Pink. Das Bild gegenüber der Bar könnte bunter nicht sein. Gabi Kaltenböck lacht, nippt an ihrem Cappuccino. Sie hat das Bild extra für diese Wand gemalt. Groß und ausladend wie alle ihre Bilder. Und bunt. „Farben sind mein Leben. Es ist nicht eine einzige Farbe, die mich glücklich macht. Es ist die Summe. Und diese Suche nach Glück treibt mich an. Ich kann das nicht ändern. Selbst, wenn ich ein beiges Bild malen möchte, es wird bunt. Außer in diesen drei, vier Wochen.“ Drei, vier unberechenbare Wochen. Jedes Jahr wieder.
Hausfrauenmalerei
Die vielen großen Wände waren der Auslöser. Als die Kufsteinerin Gabi Kaltenböck vor 35 Jahren in ihre heutige Wohnung zieht, starren sie die weißen Wände an. Doch sie ist wählerisch. Einen Druck an die Wand hängen, kommt nicht in Frage. Ein richtiges Bild, kann sie sich aber mit drei kleinen Kindern nicht leisten, geschweige denn mehrere. „Irgendwann habe ich mir gedacht, dann male ich mir eben selbst ein paar Bilder.“ Sie meldet sich in einer Kunstakademie an. Beginnt zu malen und trifft eine folgenschwere Entscheidung. Alles nur keine Hausfrauenmalerei. „Ich habe mich immer mehr für´s Malen interessiert, immer mehr vor mich hingemalt, aber ich wollte nicht mit einer Ausstellung in einem Kaffeehaus enden. Wenn dann richtig.“ Sie lernt bei zahlreichen Künstlern, absolviert Kurse, beliefert in kürzester Zeit drei Galerien. Kufstein. Nürnberg. Innsbruck. Ihre Malerei kommt an. Zu gut.
„Über die Jahre hat sich meine Malerei verändert.
Einmal gröber, einmal abstrakter.
In jeder Phase habe ich ein
Kufsteinbild gemalt.“
Entscheidung gegen den Traum
Gabi malt. Tag und Nacht. Sie kommt mit dem Liefern der gewünschten Motive kaum nach. „Das war genial. Zu merken, wie deine Kunst gefällt. Ich war geschmeichelt. Bis zu diesem einen Moment.“ Mitten im Malen bemerkt sie, dass sie anfängt, sich selbst zu kopieren, um die Menge zu bewältigen. „Doch das war es nicht, was ich wollte. Mein Traum war, mich in die Malerei zu vertiefen, mich weiterzuentwickeln.“ Als sie merkt, dass das so nicht möglich ist, legt sie den Rückwärtsgang ein. Hört auf, die Galerie in Nürnberg zu beliefern, etwas später auch die in Innsbruck. „Es war nicht einfach, sich gegen etwas zu entscheiden, das dich stolz macht, Geld einbringt.“ Gabi kehrt zurück zu den Kursen, gliedert die Malerei rund um ihren Alltag. Sie steht um fünf Uhr früh auf. Malt. Geht um zehn Uhr in ihr Geschäft. Kümmert sich am Abend um die Familie, malt bis tief in die Nacht hinein. Gabi Kaltenböck ist eine Vielmalerin wie sie es nennt. In ihrem Atelier stehen derzeit an die 200 Bilder. Einfach so gemalt. „An die 50 sind sicher schlecht, da werde ich darüber malen und die anderen, die sind fertig oder auch nicht. Das ist so eine Sache, mit diesen Bildern muss ich zum Teil noch sprechen.“
„Im Moment des Malens
gibt es keine 100 Prozent,
wie auch bei anderen Dingen im Leben.“
Besprochene Bilder
„Im Moment des Malens gibt es keine 100 Prozent, wie auch bei anderen Dingen im Leben. Da musst du aufhören, darfst dich nicht weiter darin versteifen. Mehr als 80 Prozent schaffst du nur mit Abstand, wenn überhaupt.“ Ist ein Bild zu 80 Prozent fertig, legt sie es daher weg. Wenn sie nicht weiß, was einem Bild fehlt, hängt sie es auf. „Irgendwann sehe ich, was ich noch ändern muss. Oder ich bespreche das Bild. So wie bei der Festung dort.“ Mit einem Ruck steht sie auf, geht hinaus in den Vorraum. Ein großer Platz. Offen. Nach oben führt die Treppe zu ihrem Atelier. Überall lehnen Bilder. An die 30 Stück. Bis auf ein, zwei Ausnahmen allesamt Festungsbilder. Bunt. Farbenfroh. Gabi klappt eines nach dem anderen um. Sucht. Bis sie mit einem „das hier“, eines der Bilder nach vorne stellt. Ein mit Erfolg besprochenes Bild. „Ich rede mit mir und mit dem Bild. Frage mich, was passiert, wenn ich hier oder dort noch einen Strich male. Du überlegst, hinterfragst und triffst Entscheidungen, bis du sagst ich bin fertigt.“ Gerade als sie das Bild zurückstellt, fällt eines auf. Es ist Beige. Weiß. Grau. Keine Farben. „Ja das war in den drei, vier Wochen.“
Dreimal Kufstein
Die Kufsteinbilder stehen bereit zum Abtransport. Ihre zweite Ausstellung über ihre Heimatstadt. Arbeiten, die im Zeitraum von rund zehn Jahren entstanden sind. „Ich habe nach der ersten Ausstellung über Kufstein im Jahr 2009 einfach immer weitergemacht. Das Thema war für mich nicht abgeschlossen. Ich bin eine Kufsteinerin. Ich liebe die Festung. Hier bin ich geerdet. Kufstein ist Heimat.“ Immer im Winter ist sie losgezogen. Hat verschiedene Ansichten fotografiert. „Im Sommer siehst du vor lauter Blätter nicht viel.“ Die Festung. Der Untere Stadtplatz. Das Sparkassengebäude. Sonst ist nichts von der Festungsstadt verewigt. „So schlimm es ist, das sagen zu müssen, aber maltechnisch sind nur diese drei Bereiche interessant.“ Sie blättert weiter durch ihre Bilder. „Über die Jahre hat sich meine Malerei verändert. Einmal gröber, einmal abstrakter. In jeder Phase habe ich ein Kufsteinbild gemalt. In jeder Phase wollte ich Spuren in Kufstein hinterlassen.“ Auch beige Spuren.
Das Gefühl Beige
„Da war ich beige drauf“, erklärt sie und schiebt ein zweites helles Bild nach vorne. Die Festung ganz in Weiß, Beige. Schwarze Bleistiftlinien. Gabi wirkt nachdenklich. „Das ist nicht planbar. Kommt ganz plötzlich. Jedes Jahr wieder.“ Es war bei einem Whities Kurs. Er hat ihr die Augen geöffnet. „In dem Kurs ging es darum weiße Bilder zu malen. Weiß überlagert mit Beistiftlinien.“ Eine Woche mit grandiosen Ergebnissen. Zu Hause will sie weiter malen. Stürzt sich im Atelier auf die Leinwand. Nichts. „Ich war wie vor dem Kopf gestoßen. Das, was vor einem Tag noch mit Leichtigkeit ging, war unmöglich. Ich konnte nicht in Weiß malen. Damals habe ich bemerkt, dass ich diese Phase habe.“ Einmal im Jahr. Ohne Vorankündigung. Drei, vier Wochen lang. „In der Zeit, kann ich nicht bunt malen, nur mit hellen Tönen. Die Bilder sind ganz anders. Mit Beige oder Weiß malst du anders. Feiner. Da bist du weicher, verletzlicher beim Malen. Es ist vermutlich wie im Leben, du kannst nicht ständig stark sein. Trotzdem ist diese Zeit befremdlich für mich. Ich dachte immer, ich bin der Herr über mich. Das sind Momente, wo du lernst demütig zu werden, wo du bemerkst, dass nicht der Wille bestimmt.“ In diesen Phasen nützt sie jede Sekunde aus. Lebt ihr Gefühl Beige, denn nach spätestens vier Wochen ist da wieder ein erster roter Strich im Bild.
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY
Text: Adriane Gamper
erschienen in: kufsteinerin - das Magazin
Texte werden erst lebendig, wenn sie gelesen werden, deshalb:
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