Spieleerfinder Markus Vogel und sein ganz und gar nicht spielerischer Erfolgsweg
Markus Vogel stapelt die beiden Becher ineinander, schnippt den orangen Ball hinein und stellt sie auf das Fensterbrett. Zwei längliche Becher mit dem Schriftzug „Bassalo“, seine „Babys“. Aus der Kaffeetasse vor ihm steigt Dampf auf. „Der Kaffee hat vieles an meiner Unternehmerlaufbahn verändert“, beginnt Markus Vogel mit einem Blick auf die Tasse zu erzählen. „Aber die Sache mit dem Kaffeesatz war erst später, ich fange besser von vorne an.“
Die Chipsdosen und der Vortrag
Alles begann 2010. Markus arbeitet in einer Spedition. Er verdient gut. Ein geregeltes Leben. Nebenbei macht er eine Ausbildung zum diplomierten Freizeit- und Outdoortrainer. Und dort passiert es. Ein Spieleerfinder hält einen Vortrag über sein Produkt von der Entwicklung bis zum Verkauf. „Es klang alles einfach und geradlinig und da ist mir dieses Ballspiel von der Unizeit wieder eingefallen.“ Ein Freund hatte es aufgebracht. Zwei leere Chipsdosen und ein Ball, der mit den Dosen hin und her geworfen wird. Innerhalb von Minuten wird aus dem Gedanken eine Idee. Markus geht nach dem Vortrag zu dem Unternehmer. Erzählt ihm von dem Spiel.
Eine Philosophie am Limit
„Drei Großhändler haben vor kurzem zugesagt, dass sie das Spiel 2017 in ihr Sortiment aufnehmen.“ Markus ist sichtlich stolz. Vor allem, als er erzählt, dass er inzwischen von dem Spieleverkauf leben kann. „Zugegeben ich lebe am absoluten Limit, aber es geht.“ In den vergangen Jahren war daran nicht zu denken. Zum Teil ist er drei Monate im Mietrückstand, lebt von Reis und Nudeln. „Vielleicht würde ich das Ganze rückblickend durchdachter angehen“, meint er lachend. „Aber man muss sich etwas trauen, dem Leben vertrauen und vor allem loslassen, das habe ich damals an meinem absoluten Tiefpunkt gelernt.“
„Meine Mutter sagt immer,
mach was dein Herz sagt
und sie hat recht.“
Einstieg in die Achterbahn
Der Vortragende bestärkt Markus in seiner Idee das Spiel professionell umzusetzen, nimmt ihn mit zu seinen Events. Mit beklebten Chipsdosen, lässt Markus die Menschen das Spiel testen und es kommt an. Gleichzeitig beginnt sich sein geregeltes Leben auf den Kopf zu stellen. Er kündigt in der Spedition, weil er dort keine Zukunft mehr sieht. Doch auch der neue Job ist nicht seine Welt. Nach nur zwei Wochen kündigt er auch dort, steht plötzlich vor dem Nichts. „Ich bin fast verrückt geworden, weil ich ständig Arbeit gesucht habe, aber immer dieses Spiel in meinem Kopf war.“ Bis zu diesem Moment nach acht Monaten. Ein ganzes Fußballfeld ist voll mit Menschen, die begeistert Bassalo spielen. In dem Augenblick wird ihm klar, dass er sich entscheiden muss. Für das Spiel. Gegen jeden anderen Job. Doch damit taucht das nächste Problem auf. „Ich brauchte Becher aus Kunststoff, bis jetzt hatte ich nur Chipsdosen verwendet, um zu testen, ob das Spiel überhaupt ankommt.“ Die Suche nach Bechern verläuft im Sand. „Ich konnte nirgends passende finden, musste selbst welche produzieren lassen.“ Und dafür braucht er Geld. Zum einen für ein Werkzeugteil, mit dem die Becher produziert werden können zum anderen für einen Hersteller, der die Becher fertigt. Er erstellt einen Businessplan und bekommt von sechs Banken eine Abfuhr.
Walt Disney und die siebte Bank
„Walt Disney hat erst von der 101 Bank einen Kredit für Disney World erhalten. Diese Geschichte hat mich angetrieben. Jedes Mal, wenn ich eine Abfuhr bekam, habe ich daran gedacht und mit der nächsten Bank einen Termin vereinbart.“ Die siebte Bank gewährt ihm einen Kredit, sofern er einen fixen Job vorweisen kann. Markus kehrt für sein Spiel, zur Spedition zurück. „Endlich hatte ich den Kredit, doch plötzlich schien es unmöglich, einen geeigneten Hersteller in Europa zu finden, der mir auch das Werkzeugteil produzieren kann.“ In der Mittagspause, nach der Arbeit recherchiert er. Jede Sekunde seiner Freizeit gilt dem Spiel. Plötzlich stoppt Markus im Erzählen, trinkt gedankenverloren einen Schluck Kaffee. „Ja, letztlich war es der Kaffee, das heißt genau genommen der Kaffeesatz, der dafür sorgte, dass es aufwärts ging.“
Die Lösung im Kaffeesatz
Er arbeitet rund um die Uhr. Schlittert Richtung Burn out. Seine Mutter, schickt ihn zu einer Frau, die Kaffee für ihn kocht und für ihn liest. Ihm sein Erfolgsgeheimnis vorliest. Aus dem Kaffeesatz. Sie verordnet ihm eine einmonatige Bassalopause. „Nur wenn ich losließe, würde sich ein Erfolg einstellen. Und sie hat mir gesagt, dass mir in dieser Zeit zwei Männer helfen werden, einer mit amerikanischem Aussehen und ein anderer stark gebauter mit Locken. Eigentlich konnte ich mir keine Bassalopause leisten. Ich wollte nur mein Spiel auf den Markt bringen, um endlich Geld zu verdienen. Doch aus irgendeinem Grund habe ich ihr vertraut.“ Er legt die Bassalopause ein und sein Unternehmertun nimmt Fahrt auf. Eine Firma, zu der er früher schon Kontakt hatte, meldet sich unerwartet. Sie könnten das Werkzeug herstellen und die Dosen günstig produzieren. Es kommt zu einem ersten Treffen. „Als ich die beiden Geschäftsführer der Produktionsfirma zum ersten Mal sah, wusste ich, dass alles gut wird.“ Ein amerikanischer Typ und sein gut gebauter Bruder mit Lockenkopf.
„Laut meinem ersten Businessplan
wäre ich seit drei Jahren
Millionär.“
Der reichste Mann der Welt
Markus strahlt noch heute, wenn er von dem ersten Becher erzählt, den er in der Hand hielt. Doch die Freude währt nur kurz. Der Verkauf läuft nicht an wie gedacht. Der Kredit geht zur neige. Er kann keine Rechnungen mehr bezahlen, denn den Job in der Spedition hat er drei Monate nach dem Verkaufsstart gekündigt. Der Handybetreiber stellt sein Handy ab. „Teilweise hatte ich über Tage hinweg nur fünf Euro manchmal sogar gar nichts in der Tasche. Wenn ich ein Spiel verkauft habe, bin ich in ein Geschäft gefahren und habe mit dem Taschenrechner eingekauft.“ Gerettet haben ihn in der Zeit immer wieder seine Familie und auch seine besten Freunde, die ihm finanziell unter die Arme greifen oder schon einmal mit Essen aushelfen. „Es war eine schwierige Zeit. Ich habe versucht, dem Leben zu vertrauen.“ Und das Leben honoriert das. „Als ich einmal kein Geld mehr hatte, sagte der Postbote zu mir, ich soll ihm mein Spiel zeigen. Als er mir die große Version abkauft, habe ich mich mit den 30 Euro wie der reichste Mann der Welt gefühlt.“
Auf Motivationssuche im Keller
Jedes Mal, wenn eine neue Bestellung eingeht, freut er sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten. Der Gang in den Keller, um ein Spiel zum Versenden zusammenzustellen, ist die ersten zwei Jahre Aufregung pur. „Ich hatte immer nur den Gedanken im Kopf ´ich habe etwas erfunden, ich habe ein eigenes Produkt´. Das hat mich angetrieben.“ Markus fährt von Messe zu Messe. Lebt von verkauftem Spiel zu verkauftem Spiel, jobbt nebenbei, um sich über Wasser zu halten. Bis vor einem Jahr. Er entscheidet sich, seinem Spiel zu vertrauen, alle Nebenjobs aufzugeben. Und genau seit diesem Zeitpunkt kann er von dem Spieleverkauf leben. „Es war wieder dieses Loslassen, das mich vorangebracht hat. Mit den drei Großhändlern im kommenden Jahr will ich richtig durchstarten. Weitere Länder sind im Fokus. Sogar eine Firma aus Japan interessiert sich für Bassalo, will das Spiel groß rausbringen. Wenn du lange an etwas naiv festhältst und denkst das wird etwas, dann wird es das auch“, meint er mit einem Blick auf seine Bassalo-Becher.
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY
Text: Adriane Gamper
erschienen in: kufsteinerin - das Magazin
Texte werden erst lebendig, wenn sie gelesen werden, deshalb:
DANKE für´s Teilen :-)
Kommentar schreiben