Fashionista

 

Die Schuhe stehen vor dem Schrank. Liebevoll drapiert auf einer Schachtel. Schwarz mit goldenen Nieten. Rund um die Schuhe auf Höhe des Fußbettes reiht sich eine Niete an die andere. Wie glänzende Stacheln. Das Licht der Kellerlampe spiegelt sich in ihnen. Auf der hinteren Seite der Schuhe prangt in goldenen Lettern: Marc Jacobs. Michaela strahlt, als sie einen der Schuhe aufhebt. Ein Aushängeschild ihrer Leidenschaft. Und doch wird sie die Schuhe wie so manches andere Teil ihrer Sammlung nicht tragen.

 

Marken, Marken, Marken 

Michaela Jovanovic sieht aus als wäre sie gerade einem Modemagazin entsprungen. Die blonden Haare zu leichten Wellen geföhnt, die Augen perfekt geschminkt. Um ihren Hals baumelt eine goldfarben Kette, an der die vielsagenden Buchstaben D&G prangen. Doch der Blick wandert unwillkürlich weg von der Wahlkufsteinerin hin zum raumhohen Schrank hinter ihr. Die weißen Türen stehen offen. Die einzelnen Regale im Inneren wirken wie kleine Schaufenster. Ein Laufsteg der Marken: Liebeskind, Marc Jacobs, Liu Jo, DKNY, Miu miu, Joop!. „Wenn dann muss es schon eine Markentasche sein“, kommt es von Michaela lachend. Allerdings ist es nicht eine Markentasche. Es sind über 70.

 

Gut bebrillt

Zwei Stockwerke höher. Tatort Schlafzimmer. Neben dem Bett steht eine weiße Kommode. Michaela zieht die oberste Schublade heraus. „Das ist meine absolute Lieblingsbrille“, sagt Michaela mit einem gezielten Griff. „Die Gläser sind schon zerkratzt, aber die würde ich nie hergeben.“ Dass in der Schublade noch 35 Sonnenbrillen namhafter Marken auf ihren Einsatz warten und in verschiedenen Schachteln weitere 45, überrascht nach der Taschensammlung im Keller fast nicht mehr. Auf die doch etwas hohe Anzahl angesprochen, kommt mit einem kecken Augenaufschlag die schlagfertige Antwort: „Männer sind Jäger und Frauen eben Sammler.“ Lachend fügt sie hinzu, dass ihr Mann sie ihr Hobby ausleben lässt. Eine Leidenschaft, die bei Taschen und Sonnenbrillen nicht aufhört. Gürtel und natürlich Schuhe zählen auch zu den begehrten Teilen. Und diese Leidenschaft verfolgt sie jede Nacht ins Bett.

 

Briefmarken gegen Handtasche

Michaela sitzt auf der gemütlichen weißen Couch im großzügigen Wohnraum. Die Beine elegant übereinander geschlagen. In dem Zeitungsständer gleich neben der Türe stecken zwei Ausgaben der „Vogue“. „Damit hat alles angefangen“, ist Michaela versucht, eine Erklärung zu finden. „Früher habe ich alle möglichen Modezeitschriften gelesen und gesammelt.“ Vor dreizehn Jahre, noch bevor ihre Tochter geboren wird, geht diese Zeitschriftenliebe in ihr Faible für Handtaschen & Co über. „Ich stöbere auf Pinterest und in den Geschäften nach den neuesten Trends. Andere sammeln Briefmarken, ich eben Taschen, Sonnenbrillen und Schuhe. Ich weiß schon, dass das in den Augen so mancher nicht normal ist. Kein Mensch braucht über 70 Taschen, aber für mich ist das normal.“ Genauso normal ist es für sie, dass sie manche der Schuhe oder Handtaschen noch nie getragen hat. Einer der Gründe ist Kufstein.

 

Kufsteiner Einheitsbrei

„Du bist schon ein seltenes Exemplar, wenn du auf High Heels mit Designerhandtasche durch Kufstein stöckelst“, erklärt Michaela während das Lachen aus ihrem Gesicht verschwindet. Das Ergebnis sind die einen oder anderen Blicke von Männern und auch Frauen. Recht ist ihr das nicht immer. „Es stört mich schon, wenn alle schauen, nur weil eine Frau High Heels trägt. Irgendwie fühlst du dich wie Freiwild und das will ich nicht. Ich trage diese Schuhe und die Taschen, weil sie schön sind. Wenn ich in einer fremden Stadt bin, sind mir die Blicke egal hier in Kufstein nicht, wo jeder jeden kennt.“ Wobei sie wo anders mit ihrem Look auch nicht so die Aufmerksamkeit erregt, wie sie hinzufügt. „In Kufstein siehst du auf den Straßen modemäßig einen Einheitsbrei. In München oder Salzburg ist das anders. Die Kufsteinerinnen wollen vermutlich nicht auffallen.“ Michaelas strahlende Augen blicken nachdenklich. Außer der Musik, die im Hintergrund läuft, ist nichts zu hören. Auch, wenn Michaela schöne Stücke liebt, sich gerne stylt, derart auffallen will sie nicht und so kommt es, dass so manches auffällige Stück noch nie das Licht der Öffentlichkeit gesehen hat. Und ein Teil, das sie sich schon lange wünscht, würde wohl ebenso nur im Kasten ihr Herz erfreuen.

 

 

 

„Du bist schon ein seltenes Exemplar,

wenn du auf High Heels mit Designerhandtasche

durch Kufstein stöckelst“

 

 

Abends im Bett

Es ist schon schade, dass man von vielen derart nach seiner Kleidung beurteilt wird. Manche wollen halt immer gleich aussehen. Ich will dagegen immer etwas Anderes und vor allem etwas Besonderes. Das gibt mir Sicherheit und Power.“ Durch ihr Outfit drückt Michaela ihre Gefühle aus. So kann es schon passieren, dass sie am Vormittag im Hippie-Stil und am Nachmittag ganz elegant unterwegs ist. „Ich ziehe mich schon zwei-, dreimal am Tag um, aber das dauert nicht lange.“ Kein Wundern, denn geplant wird in der Nacht. Michaela weiß genau welche Stücke sie besitzt. „Vor dem Einschlafen überlege ich mir immer, was ich am nächsten Tag alles mache und was ich am Besten dabei anziehe.“ Alles muss zusammen passen, das ist ihr wichtig.

 

London Look

Die schwarzen Schuhen mit den extravaganten Nieten hat sie bisher nur einmal getragen und dabei wird es vermutlich auch bleiben. „Sie fallen schon extrem auf und dann habe ich, als ich sie das erste Mal getragen habe, auch noch eine der Nieten verloren. Ich mag diese Schuhe einfach irrsinnig gerne. Da ziehe ich sie lieber nicht mehr an, damit sie nicht kaputt gehen.“ Besondere Teile zu besitzen, das allein macht Michaela schon glücklich.

 

Mode und Menschen, die durch ihren Look auffallen, haben Michaela schon immer fasziniert. Zum ersten Mal so richtig bewusst wird ihr das aber erst in London. In Englands Hauptstadt zieht es sie für eine Weiterbildung nach ihrer Friseurlehre. Nur zwei Wochen ist sie dort, doch diese Zeit prägt sie. Die Menschen, ihr ganz eigener, offener Look, die Vielfalt auf den Strassen - Eindrücke, die sich Michaela tief einprägen. „Vielleicht liegt dort in London der Ursprung für meine Leidenschaft. Na ja oder“, setzt Michaela zum nächsten Satz an, um wieder abzubrechen. Nachdenklich fügt sie an, dass der Grund auch in ihrer Schulzeit zu finden sein könnte. Denn damals hat die dreifache Mutter nur Blau gesehen.

 

Blau als Lösung

Michaela wird 1976 im heutigen Kroatien geboren. Mit sechs Jahren kommt sie in die Schule und alles um sie herum wird Blau. „Wir hatten in der Schule Schuluniformen. Blaue Blusen bzw. Hemden. Alle die gleichen, jeden Tag. Vielleicht kommt daher meine Liebe zu einem besonderen Look, den nicht jeder hat“, sinniert Michaela, um hinzuzufügen, dass sie mit ihren Teilen aber keinesfalls angibt. „Die meisten in meinem Umfeld wissen gar nicht, dass ich so viele Handtaschen und Sonnenbrillen habe, weil mir das auch nicht wichtig ist.“ Lachend und amüsiert fügt sie noch hinzu, dass das aber keine Sucht ist. „Das ist eine Leidenschaft. Sucht ist für mich etwas anderes. Und ich vernachlässige meine Familie ja nicht, ich koche und putze wie jede andere Frau.“ Mit einem Blick auf ihre Schätze erzählt sie, dass es schon noch etwas gäbe, das sie gerne hätte. Eine zeitlose Chaneltasche. „Das wäre es. Aber da habe ich schon wieder Bedenken, dass ich damit in Kufstein auffalle und manche neidisch sind.“

   Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

 

 

Texte werden erst lebendig, wenn sie gelesen werden, deshalb:

 

DANKE für´s Teilen :-)

Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0