Stefan Käser, der Schnitzer vom Niederndorferberg
Wenn Stefan Käser in seine Werkstatt geht, vergisst er alles um sich herum. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Auch, wenn seine Eltern dagegen waren. Doch schon als kleiner Junge gab es für ihn nur eines: Schnitzen. Und um seine Werke möglichst echt zu gestalten, musste auch seine Schwester Opfer bringen.
Es riecht nach Holz. Als er aufsteht, fallen die Holzspäne von seinem blauen Schurz. Sie fallen auf den Boden, der schon längst von Spänen übersät ist. Über den halbhohen Kasten rechts von ihm ziehen Kühe gefolgt von einem Wildschwein. Die Wände sind über und über voll mit modernen und klassischen Christuskreuzen, Madonnenfiguren und Engeln. Gleich neben dem Eingang seilt sich ein Bergsteiger mit Tirolerhut von der Decke ab. Es ist wie ein Schritt in eine andere Welt, wenn man das Reich von Stefan Käser betritt. Vom hektischen Alltag in ein Land der Ruhe ganz aus Holz.
Der Bub und das Messer
Über 40 Schnitzeisen liegen fein säuberlich aufgereiht auf dem kleinen Tisch neben seinem Arbeitsplatz in der Mitte des Raumes. Stefan Käser legt das Schnitzeisen, mit dem er gerade einer Kuh den letzten Schliff verpasst hat, zu den anderen. Seine Werkstatt, seine Schnitzeisen, seine Kostbarkeiten um ihn herum, das alles ist sein wahr gewordener Traum. Der gelernte Holzbildhauer schnitzt seit er denken kann. „Schon als kleiner Bub war ich immer mit einem Messer unterwegs. Ich wollte einfach nur schnitzen.“ Und er war damals schon reich an Ideen, wenn es um seine Schnitzereien ging. Um seinen Werken das gewisse Etwas zu verleihen, hatte Stefan als Kind mitunter auch außergewöhnliche Einfälle. Für deren Umsetzung ging er wenn auch nicht über Leichen aber doch sehr weit.
„Holz ist einfach etwas Warmes, etwas Heimeliges,
etwas Angenehmes, ein reines Naturprodukt. Damit zu
arbeiten erfüllt mich auch noch nach 45 Jahren.“
Ab in den Ofen
Etwas Anderes zu machen als zu schnitzen, wäre für Stefan in all den Jahren nie in Frage gekommen. „Als Kind habe ich einfach so vor mich hingeschnitzt. Das Handwerk habe ich dann mit 15 gelernt und jetzt werde ich 60 Jahre alt und schnitze immer noch. Ohne das Schnitzen könnte ich gar nicht leben.“ Er empfindet es als großes Glück, dass ihm damals sein Onkel einen Platz in der Schnitzschule in Elbigenalp besorgt hat, obwohl seine Eltern anfangs dagegen waren. Seinen Eltern wäre lieber gewesen, er hätte etwas „Richtiges“ gelernt. Doch es ist das Holz, das ihn schon von klein auf begeistert. „Dieses Gefühl ist wirklich einzigartig, wenn du aus einem Stück Holz, das sonst Brennholz wäre, einen Fuchs oder so schnitzen und davon auch noch leben kannst.“ Aber auch diese Zufriedenheit über ein fertiges Stück treibt ihn sein Leben lang an. Und mit einem Blick Richtung Kachelofen und einem Grinsen im Gesicht kommt spitzbübisch: „Im Zweifelsfall kannst du das Teil ja immer noch einheizen.“ Doch so weit kommt es selten, denn Stefan hat seine Methoden für das perfekte Ergebnis. Damit etwa seine Kühe auch wirklich nach Kuh ausschauen, besucht Stefan schon einmal seinen Nachbarn.
Der Bart der Schwester
Er lacht herzhaft auf die Frage hin, was er denn so geschnitzt hat als Kind. „Warte ich hole etwas. Ein Stück ist noch übrig geblieben, das muss irgendwo da sein.“ Mit den Worten verschwindet er im hinteren Teil seiner Werkstatt, um lachend zurückzukommen. Sichtlich stolz stellt er eine kleine Figur auf seinen Arbeitsplatz. Der kleine Kerl ist ganz schwarz. Seinen Schwanz streckt er elegant nach oben. Es sind die Barthaare, die auffallen. Stefans Gesicht überzieht ein Grinsen. Es ist offensichtlich, dass ihn seine Tat von damals heute noch amüsiert. „Ich war zwölf Jahre alt, als ich den geschnitzt habe, das weiß ich noch genau. Ich war schon stolz darauf und hatte meine genaue Vorstellung. Und für deren Umsetzung brauchte ich Barthaare, immerhin sollte er recht echt aussehen mein Seehund. Die Barthaare habe ich dann von meiner Schwester bekommen.“ Stefan hat ihr dafür einfach ein Büschel Haare abgeschnitten. „Obwohl sie sich wie wild gewehrt hat, aber mein Seehund brauchte einfach Barthaare.“
Ein Dreibein und Knetmasse
Auch heute achtet Stefan noch darauf, dass seine Schnitzwerke wie eine Miniatur des Originals aussehen. „Wenn du deinen Figuren Leben einhauchen willst, musst du genau hinschauen, nur dann werden sie wie das Original.“ Und deshalb begibt sich der Schnitzer mit Knetmasse und einem Dreibein bewaffnet immer wieder zum Nachbarn, der Bauer ist. „Da sitze ich dann direkt neben der Kuh und modelliere so vor mich hin, bis aus dem Klumpen Knete eine Kuh geworden ist. Wenn du das nicht machst, fehlt das gewisse Etwas.“ Wie zum Beweis greift Stefan unter seinen Tisch und holt ein Kalb aus Knetmasse hervor. Die Vorlage für das Holzkalb, das er gerade schnitzt und das bald zusammen mit anderen Kühen oben auf einem Kasten stehen wird. „Almfahrten nennt man das. Das ist bei uns in der Gegend Tradition sich Kühe auf den Kasten zu stellen. Eine Tradition, die immer noch sehr beliebt ist.“
Doch sein Plastelinmodell allein genügt noch lange nicht als Zutat für die perfekte Figur. Es ist die Liebe zum Holz und zu dem, was man daraus macht. Auch das ist entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg. „Wenn du dir denkst, diese blöden Kühe, die machen nur Dreck, dann kannst du sie auch nicht richtig schnitzen. Es ist eine Mischung aus Leidenschaft, Talent und Liebe, nur dann stimmt das Ergebnis.“
„Wenn ich schnitze bin ich wie in einer anderen Welt.
Vor allem am Anfang ist höchste Konzentration gefragt, da kann ich meine Gedanken nicht schweifen lassen.“
Ihr Krippen, oh kommet
Der Blick von Stefan wandert durch seine Werkstatt, um an dem Kalb vor ihm hängen zu bleiben. „Ja doch, am liebsten schnitze ich Tiere; Adler, Füchse, Hasen und Kühe. Und jetzt zur Weihnachtszeit natürlich Krippen. Wenn die Zeit da ist, ist es wirklich das wunderbarste Krippen zu schnitzen. Dann komme ich richtig in Weihnachtsstimmung.“ Das sind die Momente, in denen es besonders heimelig wird in der Werkstatt. Zwei, drei Krippen muss er heuer noch machen. Stefan wird dann wie immer den Kachelofen im hinteren Bereich der Werkstatt einheizen, sich an seinen Tisch setzen und zu seinen Schnitzeisen greifen. Die Späne werden wieder fliegen und dieser ganz eigene Geruch nach Holz wird einmal mehr den Raum erfüllen.
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY
Text: Adriane Gamper
erschienen in: kufsteinerin - das Magazin
DANKE für´s Teilen ;-)
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