Von Kufstein nach Paris und nicht mehr zurück
Während andere ihr Leben lang davon träumen, fasst sich die Kufsteinerin Nina Horvath nach ihrem Universitätsabschluss ein Herz und folgt ihrer Sehnsucht. Ein Leben in der Stadt der Liebe ist schon seit ihrer Jugendzeit ihr großer Traum. Ein Traum, der Anfangs auch von Albträumen unterbrochen wird. Ein Leben zwischen Akten, Mode und Cafe Créme.
Die nostalgischen, schmiedeeisernen Gitter vor den schmalen raumhohen Fenstern sind liebevoll verschnörkelt. Sie heben sich mit ihrem Schwarz von der cremefarbenen Fassade ab, die durch die Sonne zu leuchten scheint. In den Fenstern des mehrstöckigen alten Eckhauses spiegelt sich der strahlend blaue Himmel. „AU ROI DU CAFE“ prangt in großen Buchstaben auf den weißen Markisen des Cafés im Erdgeschoss. Kleine runde Holztische stehen einer neben dem anderen vor der Fensterfassade des Lokals. Die zwei schwarzen Korbstühle, die zu jeden Tisch gehören, sind mit der Lehne zur Hausmauer platziert, laden ein, sich hinzusetzen und das Treiben auf der Straße zu beobachten. Von den Stühlen über die Tische, hat alles diesen ganz speziellen französischen Charme. Es ist das Lieblingscafé von Nina Horvath, der Kufsteinerin, die nach Paris ging.
Verliebt
15 Jahre ist es her, dass sie mit dem Diplom für internationale Wirtschaftswissenschaften und Jura in der Tasche ihren Herzenswunsch wahr werden ließ. Sie hatte einen Praktikumsplatz bei der deutsch-französischen Handelskammer in Paris ergattert. Als sie in Paris ankommt, ist sie überwältigt. „Alles das, was viele als eher unangenehm und anstrengend empfinden, liebte ich von Beginn an. Das ständige Getümmel, diese gewisse Unordnung, Regeln, die niemand besonders ernst nimmt, die Pariser Metro, den bitteren Café.“ Alles ist von der ersten Minute an einfach nur fantastisch, wenn da nur nicht diese Wohnung gewesen wäre.
Café Creme und ein Baguette
Jeden Sonntag hat Nina seit Jahren ein ganz besonderes Ritual. Typisch französisch. Mit drei, vier Modezeitschriften und ihrem Sohn Luca setzt sie sich in ihr Lieblingscafé. Genüsslich trinkt sie ihren Café Créme, isst ein warmes Baguette mit Butter und versinkt in ihren Zeitschriften. Sie ist dieser französischen „Art de vivre“, diesem ganz eigenen Lebensstil schon längst verfallen. „Wir hier in Paris sitzen ständig irgendwo und trinken Kaffee. Den ersten trinkst du in der Früh und dann über den Tag verteilt mindestens sieben weitere. Das gehört hier zum Leben dazu.“ Genauso wie dieser typische Pariser Chic.
Die Pariserin
Nina lacht, „ja es gibt sie, die typische Pariserin.“ Sehr eigen sind sie, die Pariserinnen, voller Gegensätze und vor allem anders als die Französinnen außerhalb der Hauptstadt. „Ich würde die Pariserin als äußerst charmant beschreiben, auch, wenn sie mit ihrer direkten Art und ihrem sarkastischen Humor immer wieder überrascht.“ Und vor allem legt die typische Pariserin sehr viel Augenmerk auf ihr Aussehen. Allerdings darf das niemand so schnell bemerken. So läuft sie ständig zum Friseur, ohne sich jedoch jemals in der Früh die Haare zu kämmen, ganz nach dem Motto: „I woke up like this.“
Odysee des Schreckens
Der Pariser Chic nimmt die Kufsteinerin schon bei ihrer Ankunft in Paris gefangen. Ganz anders sieht es mit ihrer Wohnung aus, die sie von Kufstein aus gemietet hat. Sie lacht, schiebt ihre langen braunen Haare, die so typisch sind für die Pariserinnen, nach hinten. „Das kann man sich hier in Tirol gar nicht vorstellen, was ich damals gesehen habe. Als ich das erste Mal meine Wohnung betreten habe, wusste ich nicht, ob ich vor Verzweiflung lachen oder weinen sollte. Mein einziger Gedanke war, hier wohne ich nicht!“ Das gemietete Studio entpuppt sich als Schuhschachtel. Winzig klein, mit einem einzigen mickrigen Fenster in der Decke. Nina zieht aus, bevor sie eingezogen ist. Sie findet bei einer Arbeitskollegin Unterschlupf. Der Beginn einer Odysee. Über zehn mal zieht sie in den ersten zwei Jahren um. Kein leichtes Unterfangen ohne Auto. „Als ich nach Paris ging, hatte ich keine Ahnung wie schwierig es ist, eine Wohnung zu bekommen, die bewohnbar ist.Vor allem wenn du nicht viel Geld hast. Studios mit 16 Quadratmeter sind normal. Dass die Wohnungen so winzig sind, ist vermutlich auch ein Grund, wieso die Pariser ständig ausgehen. Ich habe Freunde, die essen nie zu Hause.“ Immer wieder packt sie ihre Sachen und ruft sich ein Taxi. „Die Taxifahrer waren alles andere als begeistert, als ich mit meinem ganzen Wohnungsinhalt gekommen bin.“ Trauriger Höhepunkt: ein genervter Taxifahrer setzt sie mit all ihren Sachen einfach auf die Strasse, weil es ihm zu lange dauert, bis sie bezahlt hat. Doch selbst in dem Moment, wo sie verzweifelt zwischen all ihren Habseligkeiten am Straßenrand steht, ist für sie klar, sie bleibt. Zum Glück, denn Paris hat noch einige Überraschung parat.
„In Paris gibt es keinen Alltag. Wir sind überhäuft
mit Angeboten, sei es künstlerisch, kulinarisch, modisch oder jegliche andere Kategorie. Ich mag das.“
Leidenschaft Mode
Als sie nach ihrem Praktikum das Angebot einer internationalen Wirtschaftskanzlei bekommt, beginnt sie als Juristin zu arbeiten. Acht Stunden trockener Stoff, während ihr Herz von dem Leben in den Straßen von Paris träumt, vom Flanieren in den Geschäften. Schon als junges Mädchen hatte sie diese besondere Leidenschaft für Mode und Modefotografie. In Paris taucht sie in jeder freien Minute in die Welt der Mode ein, kauft unzählige Modezeitschriften, verschlingt die neuesten Trends und bummelt in jeder freien Minute durch die Boutiquen. „Anfangs war ich überfordert von der großen Auswahl. Ich bin oft nur vor den Auslagen gestanden und habe mich inspirieren lassen. Mode ist hier einfach unendlich wichtig.“ Und Mode ist in Paris vor allem klassisch. Für die Pariserin gibt es nur fünf Farben: schwarz, weiss, grau, camel und marineblau. Jede Pariserin trägt seit kurzer Zeit die Stan Smith und ist stolze Besitzerin einer Chanel Tasche.“ Ninas Herz lebt für die Mode doch ihren großen Traum beruflich etwas mit Mode und Fotografie zu machen, schiebt sie auf die Seite. Bis vor neun Jahren das Schicksal auf der Spielfläche erscheint.
Achtung Schicksal
Es war einer dieser Augenblicke, in denen plötzlich alles passt. Als ihr Sohn Luca zur Welt kommt, nimmt sie sich ein Jahr Auszeit von ihrem Job als Juristin, ein Jahr für ihr Kind und ihre Leidenschaft. „Ich habe nur gedacht es reicht, ich will zumindest probieren, in die „Fashionbranche einzusteigen und endlich das zu machen, wovon ich träume.“ Für das Schicksal ein willkommener Moment. Durch Zufall lernt sie eine italienische Designerin kennen, die jemanden sucht, der ihre Kollektion promotet. Nina springt ins kalte Wasser und arbeitet mit ihr zusammen. Erfolgreich. Doch nach einem Jahr fängt sie wieder bei der Wirtschaftskanzlei an. „Es ist finanziell nicht möglich hier einfach so was Neues zu machen. In Paris ist alles teuer, du musst ein gewisses Einkommen haben.“ Die Vernunft siegt über die Liebe aber nicht über das Schicksal, das so schnell nicht aufgibt.
Es geht los
Es ist das Jahr 2013 und Nina macht, was alle Pariser lieben, sie geht auf die Partys der Pariser Fashion Week. Durch Zufall kommt sie mit der Chefredakteurin der amerikanischen Modezeitschrift RUNWAY ins Gespräch und diese macht Nina ein unwiderstehliches Angebot. Sie soll beim Aufbau der französischen Ausgabe der Zeitschrift mitarbeiten. 14-Stundenarbeitstage folgen. Untertags arbeitet sie in ihrem Job, um sich in ihrer Freizeit dem RUNWAY Magazine France zu widmen. Die Zeitschrift kommt im Frühling 2013 erstmals in Europa auf den Markt und ist ein Erfolg. Nina kümmert sich um das Marketing und den Verkauf.
„Bei einem Shooting warte ich auf diesen Moment, in dem was passieren wird wie das Warten auf ein Gewitter das immer näher kommt und plötzlich ausbricht.“
Im Rahmen ihrer Arbeit mit dem RunwayTeam, hat Nina Gelegenheit, mit renommierten Fotografen zusammenzuarbeiten und ihnen bei den Shootings über die Schulter zu schauen. Ein Traum in ihr erwacht wieder, sie will selbst Shootings machen. Dank der Erfahrung bei Runway und der sensiblen „fotografischen Erziehung“ ihres Vaters, kann sie ihren schlafenden Wunsch in die Tat umsetzen und realisiert ihre ersten eigenen Shootings. „Ich erinnere mich noch daran, wie ich meinem Vater assistierte, mühsam dutzende von Lampen installieren half und vor allem den Aufheller richtig halten musste. Das wesentliche Atout für die Fotografie hat mir mein Vater beigebracht: den Kopf hoch heben und die Augen öffnen, um Details und Emotionen aufzuspüren und diesen Moment zu verewigen.“
Paris - Kufstein – Paris
Inzwischen lebt Nina in einer schmucken Wohnung ganz in der Nähe ihres Lieblingscafés. Modezeitschriften kauft sie immer noch massenweise. Ihr täglicher Arbeitsweg liest sich wie ein Reiseführer. Am Eiffelturm in dessen Nähe sie lebt vorbei, über die Seine, quer durch die Champs Elysées bis zum Arc de Triumpf. Der Weg führt sie zur Wirtschaftskanzlei. Noch. Denn irgendwann will sie von ihrer Leidenschaft leben. Momentan gelten ihre Gedanken aber vor allem dem 24. Dezember. Dann wird sie wie jedes Jahr in den Flieger steigen und Weihnachten dort verbringen, wo immer noch ein Teil ihres Herzens zu Hause ist. „Ich bin längst eine Pariserin geworden, aber wenn mich jemand fragt woher ich komme, sage ich immer ich bin Österreicherin.“
Foto: Nina Horvath, Vincent De Marly
Text: Adriane Gamper
erschienen in: kufsteinerin - das Magazin
DANKE für´s Teilen ;-)
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Analisa Ogilvie (Sonntag, 05 Februar 2017 04:04)
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