Wer suchet, der findet
Der Tisch ist mit Dosen übersäht. Pet-Rohlinge für Insider. Aber was weiß schon ein Muggle. Muggle? Nein, es dreht sich nicht um Harry Potter. Aber um Geheimnisse und verborgene Schätze. Manfred lacht. Sein erstes Mal war – naja. Eine Punktlandung sieht anders aus, aber er wurde vom Virus infiziert. Das war vor vier Jahren. Die Faszination spiegelt sich in seinen Augen. Etwa dreimal im Monat ist Manfred Weidner an den Wochenenden unterwegs. Ihm geht es wie vielen anderen – Suchtfaktor Geochachen.
Gesucht: eine Dose Bohnen
Begonnen hat alles mit einer Dose Bohnen. 3. Mai 2000. Oregon, in der Nähe der Stadt Portland. Dave Ulmer versteckt im Wald einen Eimer mit besagter Dose Bohnen, Geldscheinen, einer CD, einer Videokassette, einem Buch und einer Steinschleuder. Die Koordinaten seines „Schatzes“ stellt er ins Internet. Einen Tag später ist der „Schatz“ mit Hilfe eines GPS-Gerätes gefunden und eine Idee geboren – Geocachen. Indirekt seine Hand im Spiel hat auch Bill Clinton. Er lässt einen Tag vor Dave Ulmers „Tat“ den Störsender, der das Satellitensignal der GPS Satelliten absichtlich verschlechtert hatte, abschalten. Damit können auch Zivilpersonen die Satellitensignale für eine Ortung im Meter-Bereich nutzen.
Schnitzeljagd 2.0
Die moderne Form der Schnitzeljagd mit GPS-Gerät fasziniert immer mehr. Über sechs Millionen Menschen suchen inzwischen weltweit Geocaches – zu deutsch geheime Erdlager. Zu finden gibt es einiges. Rund 2,5 Million Geocaches sind in über 200 Ländern verstreut. Registriert und nachzusehen auf der Internetplattform www.geocaching.com.
Die Kurzfassung für noch nicht Geocacher: Einer versteckt eine „Dose“ mit Logbuch. Gibt die Koordinaten im Internet preis. Andere suchen die „Dose“. Wichtig dabei, beim Finden der Dose von keinem Muggle – so werden die Unwissenden in Anlehnung an Harry Potter genannt – beobachtet zu werden. Der Finder verewigt sich mit seinem Nickname im Logbuch und trägt den Fund im Internet ein. Wer will schreibt dem Owner – dem Besitzer der Dose – was er beim Suchen erlebt hat.
"Ich wollte etwas anbieten, wo die Leute einfach nur "wow" sagen. Und nun gibt es das in Kufstein."
Der Bulle im Kaisergebirge
Mit 6.150 Funden ist er gerade kein Anfänger mehr, wie der Kufsteiner mit dem Nickname Fred Bull lachend erklärt. Pure Untertreibung. Gut, ein Geocacher in Deutschlad hat über 56.000 Funde und der Spitzenreiter (USA) liegt mit über 112.000 gefundenen Geocaches in weiter Ferne, aber es gibt ja nicht nur das Suchen. Viel lieber versteckt Manfred Caches. Und das äußerst erfolgreich. „Ich habe gleich zu Beginn probiert, einen Cache zu legen. Bei den Logs, den Einträgen im Internet, haben einige meinen Cache gelobt und das hat den Stein ins Rollen gebracht.“ In Insider-Kreisen gilt Manfred schon lange als Superverstecker. 695 Caches hat er inzwischen gelegt. Österreichweit ist er damit Spitzenreiter. Auch mit den Favoritenpunkten, den Bewertungen der Caches, liegt er weit vorne. Hauptsächlich durch die „Wilde Kaiserin“ und seinen Geoart Bullen. 125 Caches im Kaisergebirge. Eine Mystery GeoArt. Die angegebenen Koordinaten führen nicht direkt zum Versteck, es gilt erst ein Rätsel zu lösen, um an die genauen Daten für die einzelnen Verstecke zu kommen. Die eigentliche Besonderheit ergibt sich, sobald alle Caches gefunden sind. Im Internet als Fund eingetragen, ergeben die Caches das Bild eines Bullen.
Captain Jack Sparrow
Aber worin liegt die Faszination? „Letztlich ist doch jeder ein kleiner Statistiker“, lacht Manfred. Für jeden gefundenen Cache gibt es einen Punkt „und irgendwann ist jeder soweit, dass er sagt, ich will 1000 Punkte haben.“ Und dann ist da auch noch das Kind im Mann. „Schatzsuche, Schnitzeljagd, es ist alles dasselbe. Als Kind habe ich mit meinen Freunden oft Piraten gespielt und Schätze gesucht, so wie andere eben Cowboy und Indianer spielen.“ Genau das macht er heute noch. Heuer ist Manfred bereits zum 5. Mal als Captain Jack Sparrow beim Ferienexpress dabei und geht mit Kindern geocachen. Für die heurige Schatzsuche am 7. August hat er schon einige Utensilien besorgt. Die Geschichte dazu existiert bereits in seinem Kopf. Im letzten Jahr entstand eine richtige Piratenszenerie in der riesigen Schatzkiste. Mit Piratenschiff, Playmobilfiguren mit Kanonen, Muscheln und Sand. Um zum Schatz zu kommen, galt es 13 Seemannsknoten richtig zu benennen und so den Weg zum Schatz zu finden.
Bibione auf der Hinterdux
„Die Vorarbeiten waren Abenteuer pur. Ich habe sechs große Mineralwasserflaschen mit Sand aus Bibione mitgenommen. Die Reisetasche hatte
nach 100 Metern einen Achsbruch.“ Sieben Mal läuft er den Berg zur Hinterdux hinauf, bis das ganze Material oben ist. 13 Seemannsknoten werden an Bäume gebunden. „Schon zwei Tage später haben
zwei Knoten gefehlt. Sauber heruntergeschnitten und mitgenommen.“ Und das sind nicht die letzten, die verschwinden. Aber Ende gut alles gut, 40 Kinder und 20 Geocacher als Betreuer waren
begeistert.
Adventkalender einmal anders
Manfreds Leidenschaft, die Geschichte hinter den Caches. „Ich habe irrsinnig viele Ideen. Die bringe ich zuerst zu Papier und schau dann, ob sie sich umsetzen lassen. Das einzige Hindernis, ich habe viel mehr Ideen als Zeit.“ Und dann geht das ganze auch noch ins Geld, denn, seine Caches sollen etwas Besonderes sein. Wie bei dem Geocache-Adventkalender. Mit dem Adventure Team untere Schranne hat er für den 1. bis zum 26. Dezember und für den 6. Jänner jeweils einen Cache errichtet. 27 Häuser mit Playmobil-Figuren, die verschiedene Szenen nachstellen. Vom Weihnachtsmarkt bis hin zur Krippe.
"Gecoachten ist wie ein Virus, man wird süchtig, fanatisch süchtig. Du erwischt dich selbst immer wieder dabei, dass du denkst, das mache ich noch, und das auch noch. Undines Sucht zieht sich durch alle sozialen Schichten."
Verirrt im Nirgendwo
Die Faszination liegt für viele auch darin, in Gegenden zu kommen, wo sie sonst nie hingehen würden. Besonders beliebt sind dabei Earthcaches. Dort wartet, bei den Zielkoordinaten angelangt, keine Box, sondern eine geologische Besonderheit. Vom Wasserfall angefangen bis hin zu grandiosen Schluchten. Auch in Kufstein gibt es Earthcaches; wo wird nicht verraten. Dafür muss sich schon jeder selbst auf die Suche machen. Eine Suche, die nicht immer gleich zum Ziel
führt, wie Manfred lachend gesteht. „Wir Geocacher verlaufen uns immer wieder einmal - trotz GPS-Gerät. Man sollte halt auch gut Karten lesen können."
Hochansteckend
Wer mit dem Geocachen starten will, braucht nicht viel. Ein Smartphone genügt. Mit diversen Apps, die um die acht Euro kosten, ist man dabei. „Handycacher sind zwar etwas verschrien, weil die Ortung nicht so genau ist, aber für den Anfang genügt das. Und wer vom Virus infiziert ist, kauft sich bald ein professionelles Gerät“, meint Manfred schmunzelnd. Er weiß wovon er spricht, der Geocacher-Virus ist hochansteckend.
"Es ist wie ein hochansteckendes Virus, wer es einmal probiert, kommt davon meist nicht mehr los"
Planet der Affen – Brasilien ruft
Für den Geocacher „Juzzi-reloaded“, der Manfred mit dem Virus infiziert hat, wird heuer der Geocachertraum schlechthin war. Er will aufbrechen und den letzten verbliebenen Ape-Cache finden. Nicht gerade ein Cache, der ums Eck liegt. 2001 wurden im Rahmen der Produktion des Films „Planet der Affen“ von der Filmgesellschaft weltweit 13 Caches zum Teil an Originaldrehplätzen versteckt. Zur Bewerbung des Films startete damals ein Rätsel, in dem es jede Woche eine neue Mission mit neuen Koordinaten gab. Inzwischen sind alle Caches bis auf einen verschwunden. Und dieser letzte liegt gut bewacht in Brasilien. Ein Tourismusmagnet. Genauso wie die Caches von Manfred. Über 500 der rund 600 Geocaches in Kufstein sind von ihm. Hochgerechnet 5.000 Nächtigenden gehen auf seine Caches zurück. Die meisten kommen aus Deutschland, aber auch Holländer, Engländer und Tschechen sind stark vertreten. Sie kommen extra wegen seinen Caches nach Kufstein.
Friedhof der Kuscheltiere
Wie etwa dem Friedhof der Kuscheltiere. Zu finden in der Nähe des Kaiseraufstiegs. Hunderte Kuscheltiere sind es inzwischen. Sie hängen an den Bäumen. Angebracht von Geocachern, die Manfreds Anweisung gefolgt sind, bei den Zielkoordinaten ein Kuscheltier aufzuhängen. Manfreds Augen leuchten, wenn er davon spricht. Und vor allem, wenn es um seine Pläne für 2015 geht. Mindestes 100 neue Caches will er in Kufstein legen. Für alle, die mit dem Virus infiziert sind, die beste Medizin.
Texte werden erst lebendig, wenn sie gelesen werden.
In diesem Sinne: DANKE für´s Teilen ;)
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Carsten (Donnerstag, 09 Juli 2015 07:28)
Da hast du den richtigen interviewt. Auch ironisch gemeint. Cachen ist mehr und der beschriebene Herr ist (nur) einer von vielen! Qualität statt Quantität gibt es auch bei anderen, doch jedem das seine. Ich mag Manfred sehr!