Beim Frühjahrsputz mit Vorurteilen aufräumen und die Titel sichern
Wenn sie über das Eisfeld flitzen, ist Spielwitz und Schnelligkeit angesagt. Vor einem Jahr gegründet, ist die Spielgemeinschaft der Eishockeydamen Kufstein-Kitzbühel von Beginn an auf Meisterkurs. Auch heuer jagen die Titelverteidigerinnen hinter dem nächsten Meistertitel her mit einer kleinen Portion Rosa im Gepäck.
Mädelsrunde. Sie sitzen in der Cafeteria der Kufstein Arena. Quatschen wild durcheinander. Sechs Frauen zwischen 14 und 32. Reden und Lachen. In weniger als einer Stunde wird man sie kaum wieder
erkennen. Optisch komplett verwandelt. Ehrgeiz und Spaß blickt gleichermaßen aus ihren Augen. Dick eingepackt und ausgepolstert. Die Gesichter fast unkenntlich hinter Vollvisieren versteckt.
Faszination Dameneishockey.
Wenn die Drachen mit den Adlern
Lange Haare, eine zierliche Figur und Schminke passen in den wenigsten Vorstellungen in eine Eishockeymontur und mit Schläger bewaffnet auf das Eis. Die Mädels beweisen aber das Gegenteil und das äußerst erfolgreich. Sie alle gehören zur Damenmannschaft des HC Kufstein Dragons. Aus Spielerinnenmangel schlossen sie sich in der vergangenen Saison mit ihren Mitstreiterinnen des EC Die Adler Kitzbühel zusammen. Ein kluger Schachzug. Im ersten Jahr der Spielgemeinschaft holten sie sich gleich den Titel in der Damen Eishockey Bundesliga II. - Bundesligameister! „Allerdings hat das in Kufstein und auch sonst kaum jemand mitbekommen“, erklärt Anna Atzl, zuckt mit den Schultern, wirft ihre langen dunkelblonden Haare nach hinten und lacht charmant. Ihr Bruder hat sie mit seiner Eishockeyleidenschaft angesteckt; der normale Werdegang.
Einmal wie der Bruder bitte
Ein Großteil der Eishockeyladies ist über deren Brüder mit dem Eishockeyvirus infiziert worden. Von der Zuschauertribüne auf die Eisfläche. Julia Schwarzmayr steht seit 2000 auf dem Eishockeyplatz. Damals hat das Dameneishockey in Österreich Fuß gefasst. „Mit 18 war ich eine der Jüngsten, die angefangen hat. Allerdings war das damals eher nicht zum Anschauen. So könnte ich mir das heute gar nicht mehr vorstellen.“ Das Dameneishockey hat sich mit den Jahren vom Niveau her extrem gesteigert. Die meisten Spielerinnen beginnen nun von klein auf. Manche im Team haben gar mit fünf Jahren schon angefangen. Anfangs gemeinsam mit den Jungs in einer Mannschaft. Ab 12 heißt es dann in die Damenmannschaft wechseln.
Aggression in Rosa
„Viele denken wir sind extrem aggressiv und schrecken schon etwas zurück, wenn du sagst, dass du Eishockey spielst. Das ist halt das Image von dem Männereishockey her“, Julia lacht belustigt. Dabei hat der Sport für sie und ihre Mannschaftskolleginnen seine Faszination vor allem in der Geschwindigkeit. Immerhin gilt Eishockey als schnellster Mannschaftssport. „Alles muss kombiniert werden, schnell laufen, nirgends dagegen krachen und dann auch noch die Scheibe ins Netz bekommen. Letztlich kommst du beim Spielen runter und weg vom Alltag“, erklärt Anna mit sichtlichem Stolz.
Taktik gegen Bodycheck – Frau gegen Mann
Die Schnelligkeit im Spiel ist beim Männereishockey und bei den Damen gleich. Und doch: „Mit Männereishockey ist unser Spiel nicht zu vergleichen“, wirft Anna ein. Der Sport ist bei den Damen schon allein nach dem Regelwerk viel mehr technisch ausgelegt, um das körperliche Element, die aggressiven Fouls rauszunehmen. Die Damen spielen ohne Bodychecks – „laut Theorie zumindest“. „Laufen und Schießen hilft gegen Aggressivität beim Spielen“, setzt Julia mit einem Augenzwinkern dazu. Laufgeschwindigkeit und taktisches Können bestimmen über den Spielerfolg. Eine Einstellung, die auch immer mehr beim Herreneishockey einzieht. Auch dort wurden die Regeln in den letzten Jahren etwas in diese Richtung geändert. Vorrangig um den technisch guten Spielern die Möglichkeit zu geben ihre Fähigkeiten einzusetzen und, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren.
„Man glaubt gar nicht wie rosa wir sind.“ Julia Schwarzmayr, Verteidigung
Kosmetiktasche trifft auf Vollvisierhelm
Eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn. Die Truppe wechselt von der Cafeteria in die Umkleideräume. Schutzausrüstung, Vollvisierhelme, überdimensionale Sporttaschen. Geordnetes Chaos. „Männer, die mit Eishockey nichts zu tun haben und von Frauen hören die Eishockey spielen, denken meist wir sind Mannsweiber. Aber das sind wir nicht!“, Julia sagt das mit einer Mischung aus Belustigung und doch auch leichtem Entsetzen. Gelächter ist vom hinteren Umkleidebereich zu hören und jemand schreit laut: „Man glaubt gar nicht wie rosa wir sind.“ Wer Zweifel hegt, für den genügt ein Blick in den Umkleidebereich. Nach einem Besuch bei Ikea waren sie ausgerüstet. Kleine Regale und Einsätze auf denen Kosmetiktaschen stehen, aus denen Haarbürsten und die diversesten Dosen und Tuben herausschauen. Gleich daneben werden Zöpfe gebunden. Gesprächsthema: Haarbalsam; unter anderem versteht sich. Die Vorbereitungen für das Training sind im vollen Gange als die zweite Hälfte der Spielgemeinschaft auf der Bildfläche erscheint. Die Damen vom EC Die Adler Kitzbühel.
Adler & Drachen auf weiblichem Erfolgskurs
Zur fünfköpfigen Truppe aus Kitzbühel zählt auch die Spielertrainerin. Claudia Wirl. Die 86fache Nationalteamspielerin aus St. Johann hat in der laufenden Saison das Traineramt übernommen. Seit 20 Jahren steht sie auf dem Eis. Begonnen hat alles ganz klassisch – genau, durch ihre Brüder. „Früher war der Sport für uns Frauen wirklich sehr exotisch. Viele wussten gar nicht, dass es das gibt.“ So exotisch ist das Dameneishockey inzwischen nicht mehr, sehr wohl aber Claudias Dasein als Trainerin. Männer geben in dem Bereich eindeutig den Ton an. Dabei, erhält die Neo-Trainerin von ihren Spielerinnen nur Lob, auch, wenn sie „strenger ist als der frühere Trainer“. Claudia setzt viel auf Techniktraining. „Bei uns Damen geht es um Spielwitz und Kopfarbeit.“
„Wenn man 20mal hinfällt, muss man 20mal aufstehen, aber wir haben eine Schutzausrüstung. Den Eiskunstläufern tut das dagegen richtig weh.“ Julia Schwarzmayr, Verteidigung
Frühjahrsputz
Kopfarbeit war auch angesagt als neue Mannschaftsfotos anstanden. Die Idee kam letztlich von Anna. Eigentlich aus einer Blödelei heraus. Titel der Aktion: Frühjahrsputz in der Eishalle. „Das Ganze ist ironisch gemeint. Wir hoffen, dass das rüber kommt“, lacht Anna. Wer die amüsante Truppe kennt, der weiß, dass die Bilder mit dem Witz dahinter mehr als treffend sind. Aufräumen mit Klischees ist genauso angesagt wie „aufräumen“ mit den Gegnern am Eis.
„Die Grundvoraussetzung, um bei uns mitzumachen:
man muss weiblichsein.“ Claudia Wirl, Spielertrainerin
Zuwachs erwünscht
Die altersmäßig extrem gemischte Truppe macht sich auf zum Training. Auch heuer liegen sie wieder auf Meisterkurs. Die Landesliga habe sie ein Spiel vor Saisonende bereits für sich entschieden. In der Damen Eishockey Bundesliga II sind die Chancen auf den Meistertitel sehr groß.
Was sie sich neben den Titeln wünschen? Zuwachs! Spielerinnen gesucht! Die Voraussetzungen sind simpel, so Claudia: „Man sollte nicht extrem zimperlich sein, weil wir schon auch einmal hinfallen. Aber dafür haben wir ja unsere Ausrüstungen.“ Etwas sportlicher Ehrgeiz und ein Teamplayergeist. „Der Rest lässt sich lernen.“ Und das dreimal die Woche. Dienstags und Donnerstags wird gemeinsam trainiert. Dann geht es zusätzlich noch einmal getrennt in Kufstein und Kitzbühel zur Sache. Wer hineinschnuppern möchte, ist gerne willkommen. Die Ausrüstung für die ersten Eishockeygehversuche kann ausgeliehen werden.
Der Puck fliegt, die Mädels geben Gas und aus einem Paar der Eishockeyschuhe blitzen geradezu neckisch rosa Schnürsenkel.
Wer bei den Eishockeydamen mitmischen will, kann sich bei Claudia Wirl 0699 - 16266981 melden!
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Foto: aus Kufsteinerin - das Magazin, Christian Mey - VANMEY PHOTOGRAPHY
Text: Adriane Gamper
erschienen in: Kufsteinerin - das Magazin / https://cld.bz/eIj49cr#16
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